Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Einleitung.
muthet wieder fanden, eilten mit frohem Ausruf
auf einander zu, umarmten sich, thaten tausend
Fragen und erwarteten keine Antwort, drückten
sich wieder an die Brust und genossen im Tau-
mel ihrer freudigen Verwunderung immer wieder
die Lust der Ueberraschung. O der Freude, dich
wieder zu haben, rief Theodor aus, du lieber,
lieber Freund! Wie fällst du so unvermuthet (doch
brauchts ja keine Motive) aus diesen allerlieb-
sten Episoden hier in unsre Haupthandlung und
Wandlung hinein!

Aber du siehst matt und krank aus, sagte
Ernst, indem er ihn mit Wehmuth betrachtete.

So ist es auch, erwiederte Anton, ich habe
mich erst vor einigen Wochen vom Krankenlager
erhoben, fühlte heut zum erstenmal die Schön-
heit der Natur wieder, und ließ mir nicht träu-
men, daß ihr wie aus dem Himmel noch heut
in meinen Himmel fallen würdet. Aber seid mir
tausend und tausendmal willkommen!

Man ging, man stand dann wieder still,
um sich zu betrachten, sich zu befragen, und
jeder erkundigte sich nun nach den Geschäften,
nach den Absichten des andern. Meine Reise,
sagte Ernst, hat keinen andern Entzweck, als
mich in der Nähe, nur einige Meilen von hier,
über einige alte, sogenannte gothische Gebäude
zu unterrichten, und dann in der Stadt ein alt-
deutsches Gedicht aufzusuchen.

Und ich, sagte Theodor, bin meiner Gewohn-

Einleitung.
muthet wieder fanden, eilten mit frohem Ausruf
auf einander zu, umarmten ſich, thaten tauſend
Fragen und erwarteten keine Antwort, druͤckten
ſich wieder an die Bruſt und genoſſen im Tau-
mel ihrer freudigen Verwunderung immer wieder
die Luſt der Ueberraſchung. O der Freude, dich
wieder zu haben, rief Theodor aus, du lieber,
lieber Freund! Wie faͤllſt du ſo unvermuthet (doch
brauchts ja keine Motive) aus dieſen allerlieb-
ſten Epiſoden hier in unſre Haupthandlung und
Wandlung hinein!

Aber du ſiehſt matt und krank aus, ſagte
Ernſt, indem er ihn mit Wehmuth betrachtete.

So iſt es auch, erwiederte Anton, ich habe
mich erſt vor einigen Wochen vom Krankenlager
erhoben, fuͤhlte heut zum erſtenmal die Schoͤn-
heit der Natur wieder, und ließ mir nicht traͤu-
men, daß ihr wie aus dem Himmel noch heut
in meinen Himmel fallen wuͤrdet. Aber ſeid mir
tauſend und tauſendmal willkommen!

Man ging, man ſtand dann wieder ſtill,
um ſich zu betrachten, ſich zu befragen, und
jeder erkundigte ſich nun nach den Geſchaͤften,
nach den Abſichten des andern. Meine Reiſe,
ſagte Ernſt, hat keinen andern Entzweck, als
mich in der Naͤhe, nur einige Meilen von hier,
uͤber einige alte, ſogenannte gothiſche Gebaͤude
zu unterrichten, und dann in der Stadt ein alt-
deutſches Gedicht aufzuſuchen.

Und ich, ſagte Theodor, bin meiner Gewohn-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0029" n="18"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Einleitung</hi>.</fw><lb/>
muthet wieder fanden, eilten mit frohem Ausruf<lb/>
auf einander zu, umarmten &#x017F;ich, thaten tau&#x017F;end<lb/>
Fragen und erwarteten keine Antwort, dru&#x0364;ckten<lb/>
&#x017F;ich wieder an die Bru&#x017F;t und geno&#x017F;&#x017F;en im Tau-<lb/>
mel ihrer freudigen Verwunderung immer wieder<lb/>
die Lu&#x017F;t der Ueberra&#x017F;chung. O der Freude, dich<lb/>
wieder zu haben, rief Theodor aus, du lieber,<lb/>
lieber Freund! Wie fa&#x0364;ll&#x017F;t du &#x017F;o unvermuthet (doch<lb/>
brauchts ja keine Motive) aus die&#x017F;en allerlieb-<lb/>
&#x017F;ten Epi&#x017F;oden hier in un&#x017F;re Haupthandlung und<lb/>
Wandlung hinein!</p><lb/>
        <p>Aber du &#x017F;ieh&#x017F;t matt und krank aus, &#x017F;agte<lb/>
Ern&#x017F;t, indem er ihn mit Wehmuth betrachtete.</p><lb/>
        <p>So i&#x017F;t es auch, erwiederte Anton, ich habe<lb/>
mich er&#x017F;t vor einigen Wochen vom Krankenlager<lb/>
erhoben, fu&#x0364;hlte heut zum er&#x017F;tenmal die Scho&#x0364;n-<lb/>
heit der Natur wieder, und ließ mir nicht tra&#x0364;u-<lb/>
men, daß ihr wie aus dem Himmel noch heut<lb/>
in meinen Himmel fallen wu&#x0364;rdet. Aber &#x017F;eid mir<lb/>
tau&#x017F;end und tau&#x017F;endmal willkommen!</p><lb/>
        <p>Man ging, man &#x017F;tand dann wieder &#x017F;till,<lb/>
um &#x017F;ich zu betrachten, &#x017F;ich zu befragen, und<lb/>
jeder erkundigte &#x017F;ich nun nach den Ge&#x017F;cha&#x0364;ften,<lb/>
nach den Ab&#x017F;ichten des andern. Meine Rei&#x017F;e,<lb/>
&#x017F;agte Ern&#x017F;t, hat keinen andern Entzweck, als<lb/>
mich in der Na&#x0364;he, nur einige Meilen von hier,<lb/>
u&#x0364;ber einige alte, &#x017F;ogenannte gothi&#x017F;che Geba&#x0364;ude<lb/>
zu unterrichten, und dann in der Stadt ein alt-<lb/>
deut&#x017F;ches Gedicht aufzu&#x017F;uchen.</p><lb/>
        <p>Und ich, &#x017F;agte Theodor, bin meiner Gewohn-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0029] Einleitung. muthet wieder fanden, eilten mit frohem Ausruf auf einander zu, umarmten ſich, thaten tauſend Fragen und erwarteten keine Antwort, druͤckten ſich wieder an die Bruſt und genoſſen im Tau- mel ihrer freudigen Verwunderung immer wieder die Luſt der Ueberraſchung. O der Freude, dich wieder zu haben, rief Theodor aus, du lieber, lieber Freund! Wie faͤllſt du ſo unvermuthet (doch brauchts ja keine Motive) aus dieſen allerlieb- ſten Epiſoden hier in unſre Haupthandlung und Wandlung hinein! Aber du ſiehſt matt und krank aus, ſagte Ernſt, indem er ihn mit Wehmuth betrachtete. So iſt es auch, erwiederte Anton, ich habe mich erſt vor einigen Wochen vom Krankenlager erhoben, fuͤhlte heut zum erſtenmal die Schoͤn- heit der Natur wieder, und ließ mir nicht traͤu- men, daß ihr wie aus dem Himmel noch heut in meinen Himmel fallen wuͤrdet. Aber ſeid mir tauſend und tauſendmal willkommen! Man ging, man ſtand dann wieder ſtill, um ſich zu betrachten, ſich zu befragen, und jeder erkundigte ſich nun nach den Geſchaͤften, nach den Abſichten des andern. Meine Reiſe, ſagte Ernſt, hat keinen andern Entzweck, als mich in der Naͤhe, nur einige Meilen von hier, uͤber einige alte, ſogenannte gothiſche Gebaͤude zu unterrichten, und dann in der Stadt ein alt- deutſches Gedicht aufzuſuchen. Und ich, ſagte Theodor, bin meiner Gewohn-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/29
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/29>, abgerufen am 24.11.2024.