Platze im Dorfe, der von jungen Bäumen um- geben war, alles zu ihrer herbstlichen Festlichkeit ein, die Musikanten saßen und probirten ihre In- strumente. Christian ging noch einmal in das Feld hinaus, um sein Gemüth zu sammeln und seinen Betrachtungen nachzuhängen, dann kam er in das Dorf zurück, als sich schon alles zur Fröhlichkeit und zur Begehung des Festes vereiniget hatte. Auch die blonde Elisabeth war mit ihren Eltern zugegen, und der Fremde mischte sich in den frohen Haufen. Eli- sabeth tanzte, und er hatte unterdeß bald mit dem Vater ein Gespräch angesponnen, der ein Pachter war und einer der reichsten Leute im Dorfe. Ihm schien die Jugend und das Gespräch des fremden Gastes zu gefallen, und so wurden sie in kurzer Zeit dahin einig, daß Christian als Gärtner bei ihm einziehen solle. Dieser konnte es unterneh- men, denn er hoffte, daß ihm nun die Kenntnisse und Beschäftigungen zu statten kommen würden, die er in seiner Heimath so sehr verachtet hatte.
Jetzt begann ein neues Leben für ihn. Er zog bei dem Pachter ein und ward zu dessen Familie gerechnet; mit seinem Stande veränderte er auch seine Tracht. Er war so gut, so dienstfertig und immer freundlich, er stand seiner Arbeit so fleißig vor, daß ihm bald alle im Hause, vorzüglich aber die Tochter, gewogen wurden. So oft er sie am Sonntage zur Kirche gehen sah, hielt er ihr einen schönen Blumenstrauß in Bereitschaft, für den sie ihm mit erröthender Freundlichkeit dankte; er ver- mißte sie, wenn er sie an einem Tage nicht sah,
Erſte Abtheilung.
Platze im Dorfe, der von jungen Baͤumen um- geben war, alles zu ihrer herbſtlichen Feſtlichkeit ein, die Muſikanten ſaßen und probirten ihre In- ſtrumente. Chriſtian ging noch einmal in das Feld hinaus, um ſein Gemuͤth zu ſammeln und ſeinen Betrachtungen nachzuhaͤngen, dann kam er in das Dorf zuruͤck, als ſich ſchon alles zur Froͤhlichkeit und zur Begehung des Feſtes vereiniget hatte. Auch die blonde Eliſabeth war mit ihren Eltern zugegen, und der Fremde miſchte ſich in den frohen Haufen. Eli- ſabeth tanzte, und er hatte unterdeß bald mit dem Vater ein Geſpraͤch angeſponnen, der ein Pachter war und einer der reichſten Leute im Dorfe. Ihm ſchien die Jugend und das Geſpraͤch des fremden Gaſtes zu gefallen, und ſo wurden ſie in kurzer Zeit dahin einig, daß Chriſtian als Gaͤrtner bei ihm einziehen ſolle. Dieſer konnte es unterneh- men, denn er hoffte, daß ihm nun die Kenntniſſe und Beſchaͤftigungen zu ſtatten kommen wuͤrden, die er in ſeiner Heimath ſo ſehr verachtet hatte.
Jetzt begann ein neues Leben fuͤr ihn. Er zog bei dem Pachter ein und ward zu deſſen Familie gerechnet; mit ſeinem Stande veraͤnderte er auch ſeine Tracht. Er war ſo gut, ſo dienſtfertig und immer freundlich, er ſtand ſeiner Arbeit ſo fleißig vor, daß ihm bald alle im Hauſe, vorzuͤglich aber die Tochter, gewogen wurden. So oft er ſie am Sonntage zur Kirche gehen ſah, hielt er ihr einen ſchoͤnen Blumenſtrauß in Bereitſchaft, fuͤr den ſie ihm mit erroͤthender Freundlichkeit dankte; er ver- mißte ſie, wenn er ſie an einem Tage nicht ſah,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0265"n="254"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Erſte Abtheilung</hi>.</fw><lb/>
Platze im Dorfe, der von jungen Baͤumen um-<lb/>
geben war, alles zu ihrer herbſtlichen Feſtlichkeit<lb/>
ein, die Muſikanten ſaßen und probirten ihre In-<lb/>ſtrumente. Chriſtian ging noch einmal in das Feld<lb/>
hinaus, um ſein Gemuͤth zu ſammeln und ſeinen<lb/>
Betrachtungen nachzuhaͤngen, dann kam er in das<lb/>
Dorf zuruͤck, als ſich ſchon alles zur Froͤhlichkeit und<lb/>
zur Begehung des Feſtes vereiniget hatte. Auch die<lb/>
blonde Eliſabeth war mit ihren Eltern zugegen, und<lb/>
der Fremde miſchte ſich in den frohen Haufen. Eli-<lb/>ſabeth tanzte, und er hatte unterdeß bald mit dem<lb/>
Vater ein Geſpraͤch angeſponnen, der ein Pachter<lb/>
war und einer der reichſten Leute im Dorfe. Ihm<lb/>ſchien die Jugend und das Geſpraͤch des fremden<lb/>
Gaſtes zu gefallen, und ſo wurden ſie in kurzer<lb/>
Zeit dahin einig, daß Chriſtian als Gaͤrtner bei<lb/>
ihm einziehen ſolle. Dieſer konnte es unterneh-<lb/>
men, denn er hoffte, daß ihm nun die Kenntniſſe<lb/>
und Beſchaͤftigungen zu ſtatten kommen wuͤrden, die<lb/>
er in ſeiner Heimath ſo ſehr verachtet hatte.</p><lb/><p>Jetzt begann ein neues Leben fuͤr ihn. Er zog<lb/>
bei dem Pachter ein und ward zu deſſen Familie<lb/>
gerechnet; mit ſeinem Stande veraͤnderte er auch<lb/>ſeine Tracht. Er war ſo gut, ſo dienſtfertig und<lb/>
immer freundlich, er ſtand ſeiner Arbeit ſo fleißig<lb/>
vor, daß ihm bald alle im Hauſe, vorzuͤglich aber<lb/>
die Tochter, gewogen wurden. So oft er ſie am<lb/>
Sonntage zur Kirche gehen ſah, hielt er ihr einen<lb/>ſchoͤnen Blumenſtrauß in Bereitſchaft, fuͤr den ſie<lb/>
ihm mit erroͤthender Freundlichkeit dankte; er ver-<lb/>
mißte ſie, wenn er ſie an einem Tage nicht ſah,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[254/0265]
Erſte Abtheilung.
Platze im Dorfe, der von jungen Baͤumen um-
geben war, alles zu ihrer herbſtlichen Feſtlichkeit
ein, die Muſikanten ſaßen und probirten ihre In-
ſtrumente. Chriſtian ging noch einmal in das Feld
hinaus, um ſein Gemuͤth zu ſammeln und ſeinen
Betrachtungen nachzuhaͤngen, dann kam er in das
Dorf zuruͤck, als ſich ſchon alles zur Froͤhlichkeit und
zur Begehung des Feſtes vereiniget hatte. Auch die
blonde Eliſabeth war mit ihren Eltern zugegen, und
der Fremde miſchte ſich in den frohen Haufen. Eli-
ſabeth tanzte, und er hatte unterdeß bald mit dem
Vater ein Geſpraͤch angeſponnen, der ein Pachter
war und einer der reichſten Leute im Dorfe. Ihm
ſchien die Jugend und das Geſpraͤch des fremden
Gaſtes zu gefallen, und ſo wurden ſie in kurzer
Zeit dahin einig, daß Chriſtian als Gaͤrtner bei
ihm einziehen ſolle. Dieſer konnte es unterneh-
men, denn er hoffte, daß ihm nun die Kenntniſſe
und Beſchaͤftigungen zu ſtatten kommen wuͤrden, die
er in ſeiner Heimath ſo ſehr verachtet hatte.
Jetzt begann ein neues Leben fuͤr ihn. Er zog
bei dem Pachter ein und ward zu deſſen Familie
gerechnet; mit ſeinem Stande veraͤnderte er auch
ſeine Tracht. Er war ſo gut, ſo dienſtfertig und
immer freundlich, er ſtand ſeiner Arbeit ſo fleißig
vor, daß ihm bald alle im Hauſe, vorzuͤglich aber
die Tochter, gewogen wurden. So oft er ſie am
Sonntage zur Kirche gehen ſah, hielt er ihr einen
ſchoͤnen Blumenſtrauß in Bereitſchaft, fuͤr den ſie
ihm mit erroͤthender Freundlichkeit dankte; er ver-
mißte ſie, wenn er ſie an einem Tage nicht ſah,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/265>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.