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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Einleitung.
fällt: hier arbeitet die Zeit, anderswo die Nach-
lässigkeit der Menschen, an vielen Orten der ver-
achtende Leichtsinn, der ganze Gebäude nieder-
reißt, oder sie verkauft, um alles Denkmal im-
mer mehr dem Staube und der Vergessenheit zu
überliefern; indeß, wenn der Sinn dafür nur
um so mehr erwacht, um so mehr in der Wirk-
lichkeit zu Grunde geht, so haben wir doch mehr
gewonnen als verloren.

Ist diese Gegend nicht, durch welche wir
wandeln, fing Theodor an, einem schönen roman-
tischen Gedichte zu vergleichen? Erst wand sich
der Weg labyrinthisch auf und ab durch den dich-
ten Buchenwald, der nur augenblickliche räthsel-
hafte Aussicht in die Landschaft erlaubte: so ist
die erste Einleitung des Gedichtes; dann gerie-
then wir an den blauen Fluß, der uns plötzlich
überraschte und uns den Blick in das unvermu-
thete frisch grüne Thal gönnte: so ist die plötz-
liche Gegenwart einer innigen Liebe; dann die
hohen Felsengruppen, die sich edel und majestä-
tisch erhuben und höher bis zum Himmel wuch-
sen, je weiter wir gingen: so treten in die alten
Erzählungen erhabene Begebenheiten hinein, und
lenken unsern Sinn von den Blumen ab; dann
hatten wir den großen Blick auf ein weit aus-
gebreitetes Thal, mit schwebenden Dörfern und
Thürmen auf schön geformten Bergen in der
Ferne, wir sahen Wälder, weidende Heerden,
Hütten der Bergleute, aus denen wir das Ge-

Einleitung.
faͤllt: hier arbeitet die Zeit, anderswo die Nach-
laͤſſigkeit der Menſchen, an vielen Orten der ver-
achtende Leichtſinn, der ganze Gebaͤude nieder-
reißt, oder ſie verkauft, um alles Denkmal im-
mer mehr dem Staube und der Vergeſſenheit zu
uͤberliefern; indeß, wenn der Sinn dafuͤr nur
um ſo mehr erwacht, um ſo mehr in der Wirk-
lichkeit zu Grunde geht, ſo haben wir doch mehr
gewonnen als verloren.

Iſt dieſe Gegend nicht, durch welche wir
wandeln, fing Theodor an, einem ſchoͤnen roman-
tiſchen Gedichte zu vergleichen? Erſt wand ſich
der Weg labyrinthiſch auf und ab durch den dich-
ten Buchenwald, der nur augenblickliche raͤthſel-
hafte Ausſicht in die Landſchaft erlaubte: ſo iſt
die erſte Einleitung des Gedichtes; dann gerie-
then wir an den blauen Fluß, der uns ploͤtzlich
uͤberraſchte und uns den Blick in das unvermu-
thete friſch gruͤne Thal goͤnnte: ſo iſt die ploͤtz-
liche Gegenwart einer innigen Liebe; dann die
hohen Felſengruppen, die ſich edel und majeſtaͤ-
tiſch erhuben und hoͤher bis zum Himmel wuch-
ſen, je weiter wir gingen: ſo treten in die alten
Erzaͤhlungen erhabene Begebenheiten hinein, und
lenken unſern Sinn von den Blumen ab; dann
hatten wir den großen Blick auf ein weit aus-
gebreitetes Thal, mit ſchwebenden Doͤrfern und
Thuͤrmen auf ſchoͤn geformten Bergen in der
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[15/0026] Einleitung. faͤllt: hier arbeitet die Zeit, anderswo die Nach- laͤſſigkeit der Menſchen, an vielen Orten der ver- achtende Leichtſinn, der ganze Gebaͤude nieder- reißt, oder ſie verkauft, um alles Denkmal im- mer mehr dem Staube und der Vergeſſenheit zu uͤberliefern; indeß, wenn der Sinn dafuͤr nur um ſo mehr erwacht, um ſo mehr in der Wirk- lichkeit zu Grunde geht, ſo haben wir doch mehr gewonnen als verloren. Iſt dieſe Gegend nicht, durch welche wir wandeln, fing Theodor an, einem ſchoͤnen roman- tiſchen Gedichte zu vergleichen? Erſt wand ſich der Weg labyrinthiſch auf und ab durch den dich- ten Buchenwald, der nur augenblickliche raͤthſel- hafte Ausſicht in die Landſchaft erlaubte: ſo iſt die erſte Einleitung des Gedichtes; dann gerie- then wir an den blauen Fluß, der uns ploͤtzlich uͤberraſchte und uns den Blick in das unvermu- thete friſch gruͤne Thal goͤnnte: ſo iſt die ploͤtz- liche Gegenwart einer innigen Liebe; dann die hohen Felſengruppen, die ſich edel und majeſtaͤ- tiſch erhuben und hoͤher bis zum Himmel wuch- ſen, je weiter wir gingen: ſo treten in die alten Erzaͤhlungen erhabene Begebenheiten hinein, und lenken unſern Sinn von den Blumen ab; dann hatten wir den großen Blick auf ein weit aus- gebreitetes Thal, mit ſchwebenden Doͤrfern und Thuͤrmen auf ſchoͤn geformten Bergen in der Ferne, wir ſahen Waͤlder, weidende Heerden, Huͤtten der Bergleute, aus denen wir das Ge-

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/26>, abgerufen am 24.11.2024.