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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Der Runenberg.
Der Runenberg.


Ein junger Jäger saß im innersten Gebürge nach-
denkend bei einem Vogelheerde, indem das Rau-
schen der Gewässer und des Waldes in der Ein-
samkeit tönte. Er bedachte sein Schicksal, wie er
so jung sey, und Vater und Mutter, die wohl-
bekannte Heimath, und alle Befreundeten seines
Dorfes verlassen hatte, um eine fremde Umgebung
zu suchen, um sich aus dem Kreise der wiederkeh-
renden Gewöhnlichkeit zu entfernen, und er blickte
mit einer Art von Verwunderung auf, daß er sich
nun in diesem Thale, in dieser Beschäftigung wie-
der fand. Große Wolken zogen durch den Him-
mel und verloren sich hinter den Bergen, Vögel
sangen aus den Gebüschen und ein Wiederschall
antwortete ihnen. Er stieg langsam den Berg hin-
unter, und setzte sich an den Rand eines Baches
nieder, der über vorragendes Gestein schäumend
murmelte. Er hörte auf die wechselnde Melodie
des Wassers, und es schien, als wenn ihm die Wo-
gen in unverständlichen Worten tausend Dinge sag-
ten, die ihm so wichtig waren, und er mußte sich
innig betrüben, daß er ihre Reden nicht verstehen
konnte. Wieder sah er dann umher und ihm
dünkte, er sey froh und glücklich; so faßte er wie-
der neuen Muth und sang mit lauter Stimme
einen Jägergesang.


Der Runenberg.
Der Runenberg.


Ein junger Jaͤger ſaß im innerſten Gebuͤrge nach-
denkend bei einem Vogelheerde, indem das Rau-
ſchen der Gewaͤſſer und des Waldes in der Ein-
ſamkeit toͤnte. Er bedachte ſein Schickſal, wie er
ſo jung ſey, und Vater und Mutter, die wohl-
bekannte Heimath, und alle Befreundeten ſeines
Dorfes verlaſſen hatte, um eine fremde Umgebung
zu ſuchen, um ſich aus dem Kreiſe der wiederkeh-
renden Gewoͤhnlichkeit zu entfernen, und er blickte
mit einer Art von Verwunderung auf, daß er ſich
nun in dieſem Thale, in dieſer Beſchaͤftigung wie-
der fand. Große Wolken zogen durch den Him-
mel und verloren ſich hinter den Bergen, Voͤgel
ſangen aus den Gebuͤſchen und ein Wiederſchall
antwortete ihnen. Er ſtieg langſam den Berg hin-
unter, und ſetzte ſich an den Rand eines Baches
nieder, der uͤber vorragendes Geſtein ſchaͤumend
murmelte. Er hoͤrte auf die wechſelnde Melodie
des Waſſers, und es ſchien, als wenn ihm die Wo-
gen in unverſtaͤndlichen Worten tauſend Dinge ſag-
ten, die ihm ſo wichtig waren, und er mußte ſich
innig betruͤben, daß er ihre Reden nicht verſtehen
konnte. Wieder ſah er dann umher und ihm
duͤnkte, er ſey froh und gluͤcklich; ſo faßte er wie-
der neuen Muth und ſang mit lauter Stimme
einen Jaͤgergeſang.


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[239/0250] Der Runenberg. Der Runenberg. Ein junger Jaͤger ſaß im innerſten Gebuͤrge nach- denkend bei einem Vogelheerde, indem das Rau- ſchen der Gewaͤſſer und des Waldes in der Ein- ſamkeit toͤnte. Er bedachte ſein Schickſal, wie er ſo jung ſey, und Vater und Mutter, die wohl- bekannte Heimath, und alle Befreundeten ſeines Dorfes verlaſſen hatte, um eine fremde Umgebung zu ſuchen, um ſich aus dem Kreiſe der wiederkeh- renden Gewoͤhnlichkeit zu entfernen, und er blickte mit einer Art von Verwunderung auf, daß er ſich nun in dieſem Thale, in dieſer Beſchaͤftigung wie- der fand. Große Wolken zogen durch den Him- mel und verloren ſich hinter den Bergen, Voͤgel ſangen aus den Gebuͤſchen und ein Wiederſchall antwortete ihnen. Er ſtieg langſam den Berg hin- unter, und ſetzte ſich an den Rand eines Baches nieder, der uͤber vorragendes Geſtein ſchaͤumend murmelte. Er hoͤrte auf die wechſelnde Melodie des Waſſers, und es ſchien, als wenn ihm die Wo- gen in unverſtaͤndlichen Worten tauſend Dinge ſag- ten, die ihm ſo wichtig waren, und er mußte ſich innig betruͤben, daß er ihre Reden nicht verſtehen konnte. Wieder ſah er dann umher und ihm duͤnkte, er ſey froh und gluͤcklich; ſo faßte er wie- der neuen Muth und ſang mit lauter Stimme einen Jaͤgergeſang.

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/250>, abgerufen am 22.11.2024.