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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Der blonde Eckbert.
ich hatte wohl von Reichthümern gelesen, und am
Ende fiel mir ein, daß ihre Perlen und Edelsteine
wohl etwas Kostbares sein könnten. Dieser Ge-
danke wurde mir bald noch deutlicher. Aber was
konnte sie mit der rechten Bahn meinen? Ganz
konnte ich den Sinn ihrer Worte noch immer nicht
fassen.

Ich war jetzt vierzehn Jahr alt, und es ist
ein Unglück für den Menschen, daß er seinen Ver-
stand nur darum bekömmt, um die Unschuld seiner
Seele zu verlieren. Ich begriff nemlich wohl, daß
es nur auf mich ankomme, in der Abwesenheit
der Alten den Vogel und die Kleinodien zu neh-
men, und damit die Welt, von der ich gelesen
hatte, aufzusuchen. Zugleich war es mir dann
vielleicht möglich, den überaus schönen Ritter an-
zutreffen, der mir immer noch im Gedächtnisse lag.

Im Anfange war dieser Gedanke nichts wi-
ter als jeder andere Gedanke, aber wenn ich so
an meinem Rade saß, so kam er mir immer wi-
der Willen zurück, und ich verlor mich so in ihm,
daß ich mich schon herrlich geschmückt sah, und
Ritter und Prinzen um mich her. Wenn ich mich
so vergessen hatte, konnte ich ordentlich betrübt
werden, wenn ich wieder aufschaute, und mich in
der kleinen Wohnung antraf. Uebrigens, wenn
ich meine Geschäfte that, bekümmerte sich die Alte
nicht weiter um mein Wesen.

An einem Tage ging meine Wirthin wieder
fort, und sagte mir, daß sie diesmal länger als
gewöhnlich ausbleiben werde, ich solle ja auf alles

Der blonde Eckbert.
ich hatte wohl von Reichthuͤmern geleſen, und am
Ende fiel mir ein, daß ihre Perlen und Edelſteine
wohl etwas Koſtbares ſein koͤnnten. Dieſer Ge-
danke wurde mir bald noch deutlicher. Aber was
konnte ſie mit der rechten Bahn meinen? Ganz
konnte ich den Sinn ihrer Worte noch immer nicht
faſſen.

Ich war jetzt vierzehn Jahr alt, und es iſt
ein Ungluͤck fuͤr den Menſchen, daß er ſeinen Ver-
ſtand nur darum bekoͤmmt, um die Unſchuld ſeiner
Seele zu verlieren. Ich begriff nemlich wohl, daß
es nur auf mich ankomme, in der Abweſenheit
der Alten den Vogel und die Kleinodien zu neh-
men, und damit die Welt, von der ich geleſen
hatte, aufzuſuchen. Zugleich war es mir dann
vielleicht moͤglich, den uͤberaus ſchoͤnen Ritter an-
zutreffen, der mir immer noch im Gedaͤchtniſſe lag.

Im Anfange war dieſer Gedanke nichts wi-
ter als jeder andere Gedanke, aber wenn ich ſo
an meinem Rade ſaß, ſo kam er mir immer wi-
der Willen zuruͤck, und ich verlor mich ſo in ihm,
daß ich mich ſchon herrlich geſchmuͤckt ſah, und
Ritter und Prinzen um mich her. Wenn ich mich
ſo vergeſſen hatte, konnte ich ordentlich betruͤbt
werden, wenn ich wieder aufſchaute, und mich in
der kleinen Wohnung antraf. Uebrigens, wenn
ich meine Geſchaͤfte that, bekuͤmmerte ſich die Alte
nicht weiter um mein Weſen.

An einem Tage ging meine Wirthin wieder
fort, und ſagte mir, daß ſie diesmal laͤnger als
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[179/0190] Der blonde Eckbert. ich hatte wohl von Reichthuͤmern geleſen, und am Ende fiel mir ein, daß ihre Perlen und Edelſteine wohl etwas Koſtbares ſein koͤnnten. Dieſer Ge- danke wurde mir bald noch deutlicher. Aber was konnte ſie mit der rechten Bahn meinen? Ganz konnte ich den Sinn ihrer Worte noch immer nicht faſſen. Ich war jetzt vierzehn Jahr alt, und es iſt ein Ungluͤck fuͤr den Menſchen, daß er ſeinen Ver- ſtand nur darum bekoͤmmt, um die Unſchuld ſeiner Seele zu verlieren. Ich begriff nemlich wohl, daß es nur auf mich ankomme, in der Abweſenheit der Alten den Vogel und die Kleinodien zu neh- men, und damit die Welt, von der ich geleſen hatte, aufzuſuchen. Zugleich war es mir dann vielleicht moͤglich, den uͤberaus ſchoͤnen Ritter an- zutreffen, der mir immer noch im Gedaͤchtniſſe lag. Im Anfange war dieſer Gedanke nichts wi- ter als jeder andere Gedanke, aber wenn ich ſo an meinem Rade ſaß, ſo kam er mir immer wi- der Willen zuruͤck, und ich verlor mich ſo in ihm, daß ich mich ſchon herrlich geſchmuͤckt ſah, und Ritter und Prinzen um mich her. Wenn ich mich ſo vergeſſen hatte, konnte ich ordentlich betruͤbt werden, wenn ich wieder aufſchaute, und mich in der kleinen Wohnung antraf. Uebrigens, wenn ich meine Geſchaͤfte that, bekuͤmmerte ſich die Alte nicht weiter um mein Weſen. An einem Tage ging meine Wirthin wieder fort, und ſagte mir, daß ſie diesmal laͤnger als gewoͤhnlich ausbleiben werde, ich ſolle ja auf alles

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/190>, abgerufen am 24.11.2024.