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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Einleitung.
Wenigstens schwebt mir ein ganz andres Bild
einer solchen Beschreibung vor; den ältern, un-
ästhetischen lasse ich ihren Werth: doch jene, in
denen Natur und Kunst und Völker aller Art,
nebst Sitten und Trachten und Staatsverfas-
sungen der witzig-philosophischen Eitelkeit des
Schriftstellers, wie Affen zum Tanze, aufgeführt
werden, der sich in jedem Augenblick nicht ge-
nug darüber verwundern kann, daß er es ist,
der alle die Gaukeleien mit so stolzer Demuth
beschreibt, und der so weltbürgerlich sich mit
allen diesen Thorheiten einläßt; o, sie sind mir
von je so widerlich gewesen, daß die Furcht, in
ihre Reihe gestellt, oder gar unvermerkt bei ähn-
licher Beschäftigung ihnen verwandt zu werden,
mich von jedem Versuche einer öffentlichen Mit-
theilung abgeschreckt hat.

Doch giebt es vielleicht, sagte Theodor, eine
so schlichte und unschuldige Manier, eine so
einfache Ansicht der Dinge, daß ich mir wohl
nach Art eines Gedichtes die Beschreibung eines
Landes, oder einer Reise, denken kann.

Gewiß, sagte Ernst, manche der ältern Rei-
sen, nähern sich auch diesem Bilde, und es ver-
hält sich ohne Zweifel damit eben so, wie mit
der Kunst zu reisen selbst. Wie wenigen Menschen
ist das Talent verliehn, Reisende zu sein! Sie
verlassen niemals ihre Heimath, sie werden von
allem Fremdartigen gedrückt und verlegen, oder
bemerken es durchaus gar nicht. Wie glücklich,

Einleitung.
Wenigſtens ſchwebt mir ein ganz andres Bild
einer ſolchen Beſchreibung vor; den aͤltern, un-
aͤſthetiſchen laſſe ich ihren Werth: doch jene, in
denen Natur und Kunſt und Voͤlker aller Art,
nebſt Sitten und Trachten und Staatsverfaſ-
ſungen der witzig-philoſophiſchen Eitelkeit des
Schriftſtellers, wie Affen zum Tanze, aufgefuͤhrt
werden, der ſich in jedem Augenblick nicht ge-
nug daruͤber verwundern kann, daß er es iſt,
der alle die Gaukeleien mit ſo ſtolzer Demuth
beſchreibt, und der ſo weltbuͤrgerlich ſich mit
allen dieſen Thorheiten einlaͤßt; o, ſie ſind mir
von je ſo widerlich geweſen, daß die Furcht, in
ihre Reihe geſtellt, oder gar unvermerkt bei aͤhn-
licher Beſchaͤftigung ihnen verwandt zu werden,
mich von jedem Verſuche einer oͤffentlichen Mit-
theilung abgeſchreckt hat.

Doch giebt es vielleicht, ſagte Theodor, eine
ſo ſchlichte und unſchuldige Manier, eine ſo
einfache Anſicht der Dinge, daß ich mir wohl
nach Art eines Gedichtes die Beſchreibung eines
Landes, oder einer Reiſe, denken kann.

Gewiß, ſagte Ernſt, manche der aͤltern Rei-
ſen, naͤhern ſich auch dieſem Bilde, und es ver-
haͤlt ſich ohne Zweifel damit eben ſo, wie mit
der Kunſt zu reiſen ſelbſt. Wie wenigen Menſchen
iſt das Talent verliehn, Reiſende zu ſein! Sie
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[5/0016] Einleitung. Wenigſtens ſchwebt mir ein ganz andres Bild einer ſolchen Beſchreibung vor; den aͤltern, un- aͤſthetiſchen laſſe ich ihren Werth: doch jene, in denen Natur und Kunſt und Voͤlker aller Art, nebſt Sitten und Trachten und Staatsverfaſ- ſungen der witzig-philoſophiſchen Eitelkeit des Schriftſtellers, wie Affen zum Tanze, aufgefuͤhrt werden, der ſich in jedem Augenblick nicht ge- nug daruͤber verwundern kann, daß er es iſt, der alle die Gaukeleien mit ſo ſtolzer Demuth beſchreibt, und der ſo weltbuͤrgerlich ſich mit allen dieſen Thorheiten einlaͤßt; o, ſie ſind mir von je ſo widerlich geweſen, daß die Furcht, in ihre Reihe geſtellt, oder gar unvermerkt bei aͤhn- licher Beſchaͤftigung ihnen verwandt zu werden, mich von jedem Verſuche einer oͤffentlichen Mit- theilung abgeſchreckt hat. Doch giebt es vielleicht, ſagte Theodor, eine ſo ſchlichte und unſchuldige Manier, eine ſo einfache Anſicht der Dinge, daß ich mir wohl nach Art eines Gedichtes die Beſchreibung eines Landes, oder einer Reiſe, denken kann. Gewiß, ſagte Ernſt, manche der aͤltern Rei- ſen, naͤhern ſich auch dieſem Bilde, und es ver- haͤlt ſich ohne Zweifel damit eben ſo, wie mit der Kunſt zu reiſen ſelbſt. Wie wenigen Menſchen iſt das Talent verliehn, Reiſende zu ſein! Sie verlaſſen niemals ihre Heimath, ſie werden von allem Fremdartigen gedruͤckt und verlegen, oder bemerken es durchaus gar nicht. Wie gluͤcklich,

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/16>, abgerufen am 22.11.2024.