Die Freunde trennten sich. Da erhub eine Nachtigall ihr klagendes Lied aus voller Brust, und zündete, wie eine Feuerflamme, rings in den Gebüschen die Töne andrer Sängerinnen an, aus einer Jasminlaube erklangen die Laute einer Guitarre, und der glückliche Friedrich wollte sein Leid, diese Phantasie singend, besänftigen:
Wenn in Schmerzen Herzen sich verzehren, Und im Sehnen Thränen uns verklären, Geister: Hülfe! rufen tief im Innern, Und wie Morgenroth ein seliges Erinnern Aufsteigt aus der stillen dunkeln Nacht, Alle rothen Küsse mitgebracht, Alles Lächeln, das die Liebste je gelacht, O dann sangt mit ihrem Purpurmunde Himmels-Wollust unsre Wunde, Sie entsaugt das Gift Das vom Bogen dunkler Schwermuth trifft.
Wie die kleinen fleißgen Bienen Gehn, um Blumenlippen zu benagen, Wie sich Schmetterlinge jagen, Wie die Vögel in dem grünen Dunkeln Springen, und die Lieder tönen, Also gaukeln, flattern, funkeln Alle Worte, alle Blicke, süße Mienen Von der schönsten einzgen Schönen, Und in tiefer Winternacht Lacht und wacht um mich des Frühlings Pracht, Und die Schmerzen scherzen mit den Zähren, Und im Weinen scheinen mild sich zu verklären Leiden in den Freuden, Wonnen in dem Gram, Wie in der holden Braut die Liebe kämpft mit Scham, Und Leid und Lust nun muß vereinigt ziehen Und schweben nach der Liebe süßen Harmonien.
Einleitung.
Die Freunde trennten ſich. Da erhub eine Nachtigall ihr klagendes Lied aus voller Bruſt, und zuͤndete, wie eine Feuerflamme, rings in den Gebuͤſchen die Toͤne andrer Saͤngerinnen an, aus einer Jasminlaube erklangen die Laute einer Guitarre, und der gluͤckliche Friedrich wollte ſein Leid, dieſe Phantaſie ſingend, beſaͤnftigen:
Wenn in Schmerzen Herzen ſich verzehren, Und im Sehnen Thraͤnen uns verklaͤren, Geiſter: Huͤlfe! rufen tief im Innern, Und wie Morgenroth ein ſeliges Erinnern Aufſteigt aus der ſtillen dunkeln Nacht, Alle rothen Kuͤſſe mitgebracht, Alles Laͤcheln, das die Liebſte je gelacht, O dann ſangt mit ihrem Purpurmunde Himmels-Wolluſt unſre Wunde, Sie entſaugt das Gift Das vom Bogen dunkler Schwermuth trifft.
Wie die kleinen fleißgen Bienen Gehn, um Blumenlippen zu benagen, Wie ſich Schmetterlinge jagen, Wie die Voͤgel in dem gruͤnen Dunkeln Springen, und die Lieder toͤnen, Alſo gaukeln, flattern, funkeln Alle Worte, alle Blicke, ſuͤße Mienen Von der ſchoͤnſten einzgen Schoͤnen, Und in tiefer Winternacht Lacht und wacht um mich des Fruͤhlings Pracht, Und die Schmerzen ſcherzen mit den Zaͤhren, Und im Weinen ſcheinen mild ſich zu verklaͤren Leiden in den Freuden, Wonnen in dem Gram, Wie in der holden Braut die Liebe kaͤmpft mit Scham, Und Leid und Luſt nun muß vereinigt ziehen Und ſchweben nach der Liebe ſuͤßen Harmonien.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0145"n="134"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Einleitung</hi>.</fw><lb/><p>Die Freunde trennten ſich. Da erhub eine<lb/>
Nachtigall ihr klagendes Lied aus voller Bruſt,<lb/>
und zuͤndete, wie eine Feuerflamme, rings in<lb/>
den Gebuͤſchen die Toͤne andrer Saͤngerinnen<lb/>
an, aus einer Jasminlaube erklangen die Laute<lb/>
einer Guitarre, und der gluͤckliche Friedrich wollte<lb/>ſein Leid, dieſe Phantaſie ſingend, beſaͤnftigen:</p><lb/><lgtype="poem"><lgn="2"><l>Wenn in Schmerzen Herzen ſich verzehren,</l><lb/><l>Und im Sehnen Thraͤnen uns verklaͤren,</l><lb/><l>Geiſter: Huͤlfe! rufen tief im Innern,</l><lb/><l>Und wie Morgenroth ein ſeliges Erinnern</l><lb/><l>Aufſteigt aus der ſtillen dunkeln Nacht,</l><lb/><l>Alle rothen Kuͤſſe mitgebracht,</l><lb/><l>Alles Laͤcheln, das die Liebſte je gelacht,</l><lb/><l>O dann ſangt mit ihrem Purpurmunde</l><lb/><l>Himmels-Wolluſt unſre Wunde,</l><lb/><l>Sie entſaugt das Gift</l><lb/><l>Das vom Bogen dunkler Schwermuth trifft.</l></lg><lb/><lgn="3"><l>Wie die kleinen fleißgen Bienen</l><lb/><l>Gehn, um Blumenlippen zu benagen,</l><lb/><l>Wie ſich Schmetterlinge jagen,</l><lb/><l>Wie die Voͤgel in dem gruͤnen Dunkeln</l><lb/><l>Springen, und die Lieder toͤnen,</l><lb/><l>Alſo gaukeln, flattern, funkeln</l><lb/><l>Alle Worte, alle Blicke, ſuͤße Mienen</l><lb/><l>Von der ſchoͤnſten einzgen Schoͤnen,</l><lb/><l>Und in tiefer Winternacht</l><lb/><l>Lacht und wacht um mich des Fruͤhlings Pracht,</l><lb/><l>Und die Schmerzen ſcherzen mit den Zaͤhren,</l><lb/><l>Und im Weinen ſcheinen mild ſich zu verklaͤren</l><lb/><l>Leiden in den Freuden, Wonnen in dem Gram,</l><lb/><l>Wie in der holden Braut die Liebe kaͤmpft mit Scham,</l><lb/><l>Und Leid und Luſt nun muß vereinigt ziehen</l><lb/><l>Und ſchweben nach der Liebe ſuͤßen Harmonien.</l></lg></lg></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></body></text></TEI>
[134/0145]
Einleitung.
Die Freunde trennten ſich. Da erhub eine
Nachtigall ihr klagendes Lied aus voller Bruſt,
und zuͤndete, wie eine Feuerflamme, rings in
den Gebuͤſchen die Toͤne andrer Saͤngerinnen
an, aus einer Jasminlaube erklangen die Laute
einer Guitarre, und der gluͤckliche Friedrich wollte
ſein Leid, dieſe Phantaſie ſingend, beſaͤnftigen:
Wenn in Schmerzen Herzen ſich verzehren,
Und im Sehnen Thraͤnen uns verklaͤren,
Geiſter: Huͤlfe! rufen tief im Innern,
Und wie Morgenroth ein ſeliges Erinnern
Aufſteigt aus der ſtillen dunkeln Nacht,
Alle rothen Kuͤſſe mitgebracht,
Alles Laͤcheln, das die Liebſte je gelacht,
O dann ſangt mit ihrem Purpurmunde
Himmels-Wolluſt unſre Wunde,
Sie entſaugt das Gift
Das vom Bogen dunkler Schwermuth trifft.
Wie die kleinen fleißgen Bienen
Gehn, um Blumenlippen zu benagen,
Wie ſich Schmetterlinge jagen,
Wie die Voͤgel in dem gruͤnen Dunkeln
Springen, und die Lieder toͤnen,
Alſo gaukeln, flattern, funkeln
Alle Worte, alle Blicke, ſuͤße Mienen
Von der ſchoͤnſten einzgen Schoͤnen,
Und in tiefer Winternacht
Lacht und wacht um mich des Fruͤhlings Pracht,
Und die Schmerzen ſcherzen mit den Zaͤhren,
Und im Weinen ſcheinen mild ſich zu verklaͤren
Leiden in den Freuden, Wonnen in dem Gram,
Wie in der holden Braut die Liebe kaͤmpft mit Scham,
Und Leid und Luſt nun muß vereinigt ziehen
Und ſchweben nach der Liebe ſuͤßen Harmonien.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/145>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.