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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

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Was kümmern mich die Augen der übrigen
Welt, wenn mich nur die Ihrigen bemerken
und nicht zürnend auf mich blicken!

Sie kennen, Sie dulden und lieben den
Menschen, o das hab' ich daran erfahren, daß
Sie mich nicht verstießen, als ich die freche
Erklärung wagte, als ich Ihnen entdeckte, war-
um ich verkleidet dieses Haus betreten habe. --
O Himmel, was kann ich denn auch für die
heißen Empfindungen meines Herzens? -- Ist
es ein Verbrechen, Sie zu lieben? -- O ja so
bin ich ein Verbrecher, verachten und hassen
Sie mich und mit dem Ende dieses unerträg-
lich schweren Lebens ist meine Sünde abgebüßt.
-- Aber nein, Sie haben mir verziehen, Sie
haben sich meines Elendes mit der Gütigkeit
eines Engels erbarmt, Sie wollen mich gegen
meine wilde Verzweiflung schützen, Sie haben
es mir zugesagt, -- o warum bin ich denn
nicht froh und glücklich? -- Weil ich immer
noch an diesem Glücke zweifle, weil ich in die-
sem Leben gelernt habe, daß uns alle Hoffnun-
gen hintergehn, weil ich es nur für eine schuld-
lose Verstellung halte, um mich auf einige Ta-
ge zu trösten. -- O Emilie! bedenken Sie, wie

Was kuͤmmern mich die Augen der uͤbrigen
Welt, wenn mich nur die Ihrigen bemerken
und nicht zuͤrnend auf mich blicken!

Sie kennen, Sie dulden und lieben den
Menſchen, o das hab' ich daran erfahren, daß
Sie mich nicht verſtießen, als ich die freche
Erklaͤrung wagte, als ich Ihnen entdeckte, war-
um ich verkleidet dieſes Haus betreten habe. —
O Himmel, was kann ich denn auch fuͤr die
heißen Empfindungen meines Herzens? — Iſt
es ein Verbrechen, Sie zu lieben? — O ja ſo
bin ich ein Verbrecher, verachten und haſſen
Sie mich und mit dem Ende dieſes unertraͤg-
lich ſchweren Lebens iſt meine Suͤnde abgebuͤßt.
— Aber nein, Sie haben mir verziehen, Sie
haben ſich meines Elendes mit der Guͤtigkeit
eines Engels erbarmt, Sie wollen mich gegen
meine wilde Verzweiflung ſchuͤtzen, Sie haben
es mir zugeſagt, — o warum bin ich denn
nicht froh und gluͤcklich? — Weil ich immer
noch an dieſem Gluͤcke zweifle, weil ich in die-
ſem Leben gelernt habe, daß uns alle Hoffnun-
gen hintergehn, weil ich es nur fuͤr eine ſchuld-
loſe Verſtellung halte, um mich auf einige Ta-
ge zu troͤſten. — O Emilie! bedenken Sie, wie

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[42/0049] Was kuͤmmern mich die Augen der uͤbrigen Welt, wenn mich nur die Ihrigen bemerken und nicht zuͤrnend auf mich blicken! Sie kennen, Sie dulden und lieben den Menſchen, o das hab' ich daran erfahren, daß Sie mich nicht verſtießen, als ich die freche Erklaͤrung wagte, als ich Ihnen entdeckte, war- um ich verkleidet dieſes Haus betreten habe. — O Himmel, was kann ich denn auch fuͤr die heißen Empfindungen meines Herzens? — Iſt es ein Verbrechen, Sie zu lieben? — O ja ſo bin ich ein Verbrecher, verachten und haſſen Sie mich und mit dem Ende dieſes unertraͤg- lich ſchweren Lebens iſt meine Suͤnde abgebuͤßt. — Aber nein, Sie haben mir verziehen, Sie haben ſich meines Elendes mit der Guͤtigkeit eines Engels erbarmt, Sie wollen mich gegen meine wilde Verzweiflung ſchuͤtzen, Sie haben es mir zugeſagt, — o warum bin ich denn nicht froh und gluͤcklich? — Weil ich immer noch an dieſem Gluͤcke zweifle, weil ich in die- ſem Leben gelernt habe, daß uns alle Hoffnun- gen hintergehn, weil ich es nur fuͤr eine ſchuld- loſe Verſtellung halte, um mich auf einige Ta- ge zu troͤſten. — O Emilie! bedenken Sie, wie

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/49>, abgerufen am 25.04.2024.