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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

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glücklich war ich, als sie mich wieder liebte,
als sie meine Gattinn ward.

Ich weiß nicht, wie es geschah, aber jetzt
verließ mich alle meine Schwermuth, ich konnte
selbst nicht mehr an meinen ehemaligen Zustand
glauben. Mein Leben war ein glückliches, ge-
wöhnliches Menschenleben, und keiner meiner
Gedanken verlor sich auf jener wüsten Haide,
auf der bis dahin meine Seele rastlos umher-
gestreift war. Ich ließ mir mein Vermögen
aus Deutschland überschicken, die Familie mei-
ner Gattinn war reich, es fehlte meinem Glücke
nichts weiter, als daß mich das Schicksal in
Ruhe ließ. -- -- --

Er hielt hier ein und fing an zu weinen.
Ich kann nicht sagen, was ich alles empfand.
Ist dies derselbe Mensch, sagte ich zu mir, der
sonst das Leben mit allen seinen Menschen so
innig verachtete? der von jeder Menschen-
freude auf ewig losgerissen war? Ein Weib
also konnte jene entsetzlichen Phantasien ver-
scheuchen, die ihn belagert hielten? -- Dabey
ergriff mich ein Schauder, daß eben der Bal-
der, den ich im heftigsten Wahnsinne gesehn

gluͤcklich war ich, als ſie mich wieder liebte,
als ſie meine Gattinn ward.

Ich weiß nicht, wie es geſchah, aber jetzt
verließ mich alle meine Schwermuth, ich konnte
ſelbſt nicht mehr an meinen ehemaligen Zuſtand
glauben. Mein Leben war ein gluͤckliches, ge-
woͤhnliches Menſchenleben, und keiner meiner
Gedanken verlor ſich auf jener wuͤſten Haide,
auf der bis dahin meine Seele raſtlos umher-
geſtreift war. Ich ließ mir mein Vermoͤgen
aus Deutſchland uͤberſchicken, die Familie mei-
ner Gattinn war reich, es fehlte meinem Gluͤcke
nichts weiter, als daß mich das Schickſal in
Ruhe ließ. — — —

Er hielt hier ein und fing an zu weinen.
Ich kann nicht ſagen, was ich alles empfand.
Iſt dies derſelbe Menſch, ſagte ich zu mir, der
ſonſt das Leben mit allen ſeinen Menſchen ſo
innig verachtete? der von jeder Menſchen-
freude auf ewig losgeriſſen war? Ein Weib
alſo konnte jene entſetzlichen Phantaſien ver-
ſcheuchen, die ihn belagert hielten? — Dabey
ergriff mich ein Schauder, daß eben der Bal-
der, den ich im heftigſten Wahnſinne geſehn

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[351/0358] gluͤcklich war ich, als ſie mich wieder liebte, als ſie meine Gattinn ward. Ich weiß nicht, wie es geſchah, aber jetzt verließ mich alle meine Schwermuth, ich konnte ſelbſt nicht mehr an meinen ehemaligen Zuſtand glauben. Mein Leben war ein gluͤckliches, ge- woͤhnliches Menſchenleben, und keiner meiner Gedanken verlor ſich auf jener wuͤſten Haide, auf der bis dahin meine Seele raſtlos umher- geſtreift war. Ich ließ mir mein Vermoͤgen aus Deutſchland uͤberſchicken, die Familie mei- ner Gattinn war reich, es fehlte meinem Gluͤcke nichts weiter, als daß mich das Schickſal in Ruhe ließ. — — — Er hielt hier ein und fing an zu weinen. Ich kann nicht ſagen, was ich alles empfand. Iſt dies derſelbe Menſch, ſagte ich zu mir, der ſonſt das Leben mit allen ſeinen Menſchen ſo innig verachtete? der von jeder Menſchen- freude auf ewig losgeriſſen war? Ein Weib alſo konnte jene entſetzlichen Phantaſien ver- ſcheuchen, die ihn belagert hielten? — Dabey ergriff mich ein Schauder, daß eben der Bal- der, den ich im heftigſten Wahnſinne geſehn

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/358>, abgerufen am 22.11.2024.