Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Zustande sah ich Sie, Lovell, und ein Gefühl,
wie ich es noch nie gekannt hatte, bemächtigte
sich meiner. Es war die Liebe, die mir bis
dahin fremd geblieben war. Ohne zu wissen,
was ich that, rettete ich Ihr Leben bey jenem
Ueberfalle der Räuber. Meine Zuneigung wuchs
mit jedem Tage, aber ich bemerkte, daß Rosa
eifersüchtig wurde. Ach, Lovell, von jetzt lebt'
ich ein schweres Leben, denn alle meine Em-
pfindungen lagen im Kampfe miteinander, meine
Gefühle waren so rein und schön, und eben
durch sie erhielt ich einen Aufschluß über meine
eigene Verächtlichkeit. -- Sie wissen, wie ich
Sie bat, zu mir zu kommen; Rosa überraschte
uns. Seit der Zeit war ich ihm zuwider, ja
er haßte mich endlich und überließ mich mei-
nem Schicksale. -- Ich konnte von Ihnen da-
mals nichts weiter erfahren, als daß Sie mit
einer gewissen Rosaline lebten: als ich dies
hörte, wagte ich es nicht, zu Ihnen zu kom-
men, ich fürchtete mich auch vor Rosa. -- Es
fanden sich einige Menschen, die mich einer
nach dem andern unterhielten, denn ich war
einmal an diese Lebensart gewöhnt und hatte
viele Bedürfnisse. -- Ich sank immer tiefer,

Zuſtande ſah ich Sie, Lovell, und ein Gefuͤhl,
wie ich es noch nie gekannt hatte, bemaͤchtigte
ſich meiner. Es war die Liebe, die mir bis
dahin fremd geblieben war. Ohne zu wiſſen,
was ich that, rettete ich Ihr Leben bey jenem
Ueberfalle der Raͤuber. Meine Zuneigung wuchs
mit jedem Tage, aber ich bemerkte, daß Roſa
eiferſuͤchtig wurde. Ach, Lovell, von jetzt lebt'
ich ein ſchweres Leben, denn alle meine Em-
pfindungen lagen im Kampfe miteinander, meine
Gefuͤhle waren ſo rein und ſchoͤn, und eben
durch ſie erhielt ich einen Aufſchluß uͤber meine
eigene Veraͤchtlichkeit. — Sie wiſſen, wie ich
Sie bat, zu mir zu kommen; Roſa uͤberraſchte
uns. Seit der Zeit war ich ihm zuwider, ja
er haßte mich endlich und uͤberließ mich mei-
nem Schickſale. — Ich konnte von Ihnen da-
mals nichts weiter erfahren, als daß Sie mit
einer gewiſſen Roſaline lebten: als ich dies
hoͤrte, wagte ich es nicht, zu Ihnen zu kom-
men, ich fuͤrchtete mich auch vor Roſa. — Es
fanden ſich einige Menſchen, die mich einer
nach dem andern unterhielten, denn ich war
einmal an dieſe Lebensart gewoͤhnt und hatte
viele Beduͤrfniſſe. — Ich ſank immer tiefer,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0345" n="338"/>
Zu&#x017F;tande &#x017F;ah ich Sie, Lovell, und ein Gefu&#x0364;hl,<lb/>
wie ich es noch nie gekannt hatte, bema&#x0364;chtigte<lb/>
&#x017F;ich meiner. Es war die Liebe, die mir bis<lb/>
dahin fremd geblieben war. Ohne zu wi&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
was ich that, rettete ich Ihr Leben bey jenem<lb/>
Ueberfalle der Ra&#x0364;uber. Meine Zuneigung wuchs<lb/>
mit jedem Tage, aber ich bemerkte, daß Ro&#x017F;a<lb/>
eifer&#x017F;u&#x0364;chtig wurde. Ach, Lovell, von jetzt lebt'<lb/>
ich ein &#x017F;chweres Leben, denn alle meine Em-<lb/>
pfindungen lagen im Kampfe miteinander, meine<lb/>
Gefu&#x0364;hle waren &#x017F;o rein und &#x017F;cho&#x0364;n, und eben<lb/>
durch &#x017F;ie erhielt ich einen Auf&#x017F;chluß u&#x0364;ber meine<lb/>
eigene Vera&#x0364;chtlichkeit. &#x2014; Sie wi&#x017F;&#x017F;en, wie ich<lb/>
Sie bat, zu mir zu kommen; Ro&#x017F;a u&#x0364;berra&#x017F;chte<lb/>
uns. Seit der Zeit war ich ihm zuwider, ja<lb/>
er haßte mich endlich und u&#x0364;berließ mich mei-<lb/>
nem Schick&#x017F;ale. &#x2014; Ich konnte von Ihnen da-<lb/>
mals nichts weiter erfahren, als daß Sie mit<lb/>
einer gewi&#x017F;&#x017F;en Ro&#x017F;aline lebten: als ich dies<lb/>
ho&#x0364;rte, wagte ich es nicht, zu Ihnen zu kom-<lb/>
men, ich fu&#x0364;rchtete mich auch vor Ro&#x017F;a. &#x2014; Es<lb/>
fanden &#x017F;ich einige Men&#x017F;chen, die mich einer<lb/>
nach dem andern unterhielten, denn ich war<lb/>
einmal an die&#x017F;e Lebensart gewo&#x0364;hnt und hatte<lb/>
viele Bedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;e. &#x2014; Ich &#x017F;ank immer tiefer,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[338/0345] Zuſtande ſah ich Sie, Lovell, und ein Gefuͤhl, wie ich es noch nie gekannt hatte, bemaͤchtigte ſich meiner. Es war die Liebe, die mir bis dahin fremd geblieben war. Ohne zu wiſſen, was ich that, rettete ich Ihr Leben bey jenem Ueberfalle der Raͤuber. Meine Zuneigung wuchs mit jedem Tage, aber ich bemerkte, daß Roſa eiferſuͤchtig wurde. Ach, Lovell, von jetzt lebt' ich ein ſchweres Leben, denn alle meine Em- pfindungen lagen im Kampfe miteinander, meine Gefuͤhle waren ſo rein und ſchoͤn, und eben durch ſie erhielt ich einen Aufſchluß uͤber meine eigene Veraͤchtlichkeit. — Sie wiſſen, wie ich Sie bat, zu mir zu kommen; Roſa uͤberraſchte uns. Seit der Zeit war ich ihm zuwider, ja er haßte mich endlich und uͤberließ mich mei- nem Schickſale. — Ich konnte von Ihnen da- mals nichts weiter erfahren, als daß Sie mit einer gewiſſen Roſaline lebten: als ich dies hoͤrte, wagte ich es nicht, zu Ihnen zu kom- men, ich fuͤrchtete mich auch vor Roſa. — Es fanden ſich einige Menſchen, die mich einer nach dem andern unterhielten, denn ich war einmal an dieſe Lebensart gewoͤhnt und hatte viele Beduͤrfniſſe. — Ich ſank immer tiefer,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/345
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/345>, abgerufen am 23.11.2024.