Zustande sah ich Sie, Lovell, und ein Gefühl, wie ich es noch nie gekannt hatte, bemächtigte sich meiner. Es war die Liebe, die mir bis dahin fremd geblieben war. Ohne zu wissen, was ich that, rettete ich Ihr Leben bey jenem Ueberfalle der Räuber. Meine Zuneigung wuchs mit jedem Tage, aber ich bemerkte, daß Rosa eifersüchtig wurde. Ach, Lovell, von jetzt lebt' ich ein schweres Leben, denn alle meine Em- pfindungen lagen im Kampfe miteinander, meine Gefühle waren so rein und schön, und eben durch sie erhielt ich einen Aufschluß über meine eigene Verächtlichkeit. -- Sie wissen, wie ich Sie bat, zu mir zu kommen; Rosa überraschte uns. Seit der Zeit war ich ihm zuwider, ja er haßte mich endlich und überließ mich mei- nem Schicksale. -- Ich konnte von Ihnen da- mals nichts weiter erfahren, als daß Sie mit einer gewissen Rosaline lebten: als ich dies hörte, wagte ich es nicht, zu Ihnen zu kom- men, ich fürchtete mich auch vor Rosa. -- Es fanden sich einige Menschen, die mich einer nach dem andern unterhielten, denn ich war einmal an diese Lebensart gewöhnt und hatte viele Bedürfnisse. -- Ich sank immer tiefer,
Zuſtande ſah ich Sie, Lovell, und ein Gefuͤhl, wie ich es noch nie gekannt hatte, bemaͤchtigte ſich meiner. Es war die Liebe, die mir bis dahin fremd geblieben war. Ohne zu wiſſen, was ich that, rettete ich Ihr Leben bey jenem Ueberfalle der Raͤuber. Meine Zuneigung wuchs mit jedem Tage, aber ich bemerkte, daß Roſa eiferſuͤchtig wurde. Ach, Lovell, von jetzt lebt' ich ein ſchweres Leben, denn alle meine Em- pfindungen lagen im Kampfe miteinander, meine Gefuͤhle waren ſo rein und ſchoͤn, und eben durch ſie erhielt ich einen Aufſchluß uͤber meine eigene Veraͤchtlichkeit. — Sie wiſſen, wie ich Sie bat, zu mir zu kommen; Roſa uͤberraſchte uns. Seit der Zeit war ich ihm zuwider, ja er haßte mich endlich und uͤberließ mich mei- nem Schickſale. — Ich konnte von Ihnen da- mals nichts weiter erfahren, als daß Sie mit einer gewiſſen Roſaline lebten: als ich dies hoͤrte, wagte ich es nicht, zu Ihnen zu kom- men, ich fuͤrchtete mich auch vor Roſa. — Es fanden ſich einige Menſchen, die mich einer nach dem andern unterhielten, denn ich war einmal an dieſe Lebensart gewoͤhnt und hatte viele Beduͤrfniſſe. — Ich ſank immer tiefer,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0345"n="338"/>
Zuſtande ſah ich Sie, Lovell, und ein Gefuͤhl,<lb/>
wie ich es noch nie gekannt hatte, bemaͤchtigte<lb/>ſich meiner. Es war die Liebe, die mir bis<lb/>
dahin fremd geblieben war. Ohne zu wiſſen,<lb/>
was ich that, rettete ich Ihr Leben bey jenem<lb/>
Ueberfalle der Raͤuber. Meine Zuneigung wuchs<lb/>
mit jedem Tage, aber ich bemerkte, daß Roſa<lb/>
eiferſuͤchtig wurde. Ach, Lovell, von jetzt lebt'<lb/>
ich ein ſchweres Leben, denn alle meine Em-<lb/>
pfindungen lagen im Kampfe miteinander, meine<lb/>
Gefuͤhle waren ſo rein und ſchoͤn, und eben<lb/>
durch ſie erhielt ich einen Aufſchluß uͤber meine<lb/>
eigene Veraͤchtlichkeit. — Sie wiſſen, wie ich<lb/>
Sie bat, zu mir zu kommen; Roſa uͤberraſchte<lb/>
uns. Seit der Zeit war ich ihm zuwider, ja<lb/>
er haßte mich endlich und uͤberließ mich mei-<lb/>
nem Schickſale. — Ich konnte von Ihnen da-<lb/>
mals nichts weiter erfahren, als daß Sie mit<lb/>
einer gewiſſen Roſaline lebten: als ich dies<lb/>
hoͤrte, wagte ich es nicht, zu Ihnen zu kom-<lb/>
men, ich fuͤrchtete mich auch vor Roſa. — Es<lb/>
fanden ſich einige Menſchen, die mich einer<lb/>
nach dem andern unterhielten, denn ich war<lb/>
einmal an dieſe Lebensart gewoͤhnt und hatte<lb/>
viele Beduͤrfniſſe. — Ich ſank immer tiefer,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[338/0345]
Zuſtande ſah ich Sie, Lovell, und ein Gefuͤhl,
wie ich es noch nie gekannt hatte, bemaͤchtigte
ſich meiner. Es war die Liebe, die mir bis
dahin fremd geblieben war. Ohne zu wiſſen,
was ich that, rettete ich Ihr Leben bey jenem
Ueberfalle der Raͤuber. Meine Zuneigung wuchs
mit jedem Tage, aber ich bemerkte, daß Roſa
eiferſuͤchtig wurde. Ach, Lovell, von jetzt lebt'
ich ein ſchweres Leben, denn alle meine Em-
pfindungen lagen im Kampfe miteinander, meine
Gefuͤhle waren ſo rein und ſchoͤn, und eben
durch ſie erhielt ich einen Aufſchluß uͤber meine
eigene Veraͤchtlichkeit. — Sie wiſſen, wie ich
Sie bat, zu mir zu kommen; Roſa uͤberraſchte
uns. Seit der Zeit war ich ihm zuwider, ja
er haßte mich endlich und uͤberließ mich mei-
nem Schickſale. — Ich konnte von Ihnen da-
mals nichts weiter erfahren, als daß Sie mit
einer gewiſſen Roſaline lebten: als ich dies
hoͤrte, wagte ich es nicht, zu Ihnen zu kom-
men, ich fuͤrchtete mich auch vor Roſa. — Es
fanden ſich einige Menſchen, die mich einer
nach dem andern unterhielten, denn ich war
einmal an dieſe Lebensart gewoͤhnt und hatte
viele Beduͤrfniſſe. — Ich ſank immer tiefer,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/345>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.