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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

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Bettlers, den ich in Paris gekannt und der
mir selbst einmal von einer undankbaren, ent-
laufenen Tochter erzählt hatte. Es ist ganz
ohne Zweifel derselbe. An manchen Tagen war
er wahnsinnig und sang wilde und prophetische
Lieder, indem er dazu auf seiner Laute phanta-
sirte: dann liefen ihm die Jungen in den Gas-
sen nach, um ihn zu verspotten. --

Sie hatte sich jetzt wieder erholt und fuhr
nun in ihrer Erzählung fort:

Es erwachte jetzt ein ganz neues Leben in
mir, ich sah mich zum erstenmale geschätzt und
geliebt, in guten Kleidern, vertraut mit einem
Menschen, den ich noch vor wenigen Tagen
als ein fremdartiges Wesen, als einen Gott
verehrt hatte. Ich kaufte jetzt alle Zuversicht,
allen Genuß zurück, die ich bis dahin entbehrt
hatte. Meine Munterkeit wurde zur Frechheit,
denn ich hielt mich für eines der vorzüglichsten
Geschöpfe in der Welt, ich hatte den Unter-
schied unter den Menschen nie gelernt, ich
kannte jetzt nur die reichern und ärmern, mir
fehlte jetzt zu einem angenehmen Leben nichts,
und ich verachtete jetzt alle Menschen, die nicht
so gut leben konnten wie ich. -- In diesem

Lovell. 3r Bd. Y

Bettlers, den ich in Paris gekannt und der
mir ſelbſt einmal von einer undankbaren, ent-
laufenen Tochter erzaͤhlt hatte. Es iſt ganz
ohne Zweifel derſelbe. An manchen Tagen war
er wahnſinnig und ſang wilde und prophetiſche
Lieder, indem er dazu auf ſeiner Laute phanta-
ſirte: dann liefen ihm die Jungen in den Gaſ-
ſen nach, um ihn zu verſpotten. —

Sie hatte ſich jetzt wieder erholt und fuhr
nun in ihrer Erzaͤhlung fort:

Es erwachte jetzt ein ganz neues Leben in
mir, ich ſah mich zum erſtenmale geſchaͤtzt und
geliebt, in guten Kleidern, vertraut mit einem
Menſchen, den ich noch vor wenigen Tagen
als ein fremdartiges Weſen, als einen Gott
verehrt hatte. Ich kaufte jetzt alle Zuverſicht,
allen Genuß zuruͤck, die ich bis dahin entbehrt
hatte. Meine Munterkeit wurde zur Frechheit,
denn ich hielt mich fuͤr eines der vorzuͤglichſten
Geſchoͤpfe in der Welt, ich hatte den Unter-
ſchied unter den Menſchen nie gelernt, ich
kannte jetzt nur die reichern und aͤrmern, mir
fehlte jetzt zu einem angenehmen Leben nichts,
und ich verachtete jetzt alle Menſchen, die nicht
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[337/0344] Bettlers, den ich in Paris gekannt und der mir ſelbſt einmal von einer undankbaren, ent- laufenen Tochter erzaͤhlt hatte. Es iſt ganz ohne Zweifel derſelbe. An manchen Tagen war er wahnſinnig und ſang wilde und prophetiſche Lieder, indem er dazu auf ſeiner Laute phanta- ſirte: dann liefen ihm die Jungen in den Gaſ- ſen nach, um ihn zu verſpotten. — Sie hatte ſich jetzt wieder erholt und fuhr nun in ihrer Erzaͤhlung fort: Es erwachte jetzt ein ganz neues Leben in mir, ich ſah mich zum erſtenmale geſchaͤtzt und geliebt, in guten Kleidern, vertraut mit einem Menſchen, den ich noch vor wenigen Tagen als ein fremdartiges Weſen, als einen Gott verehrt hatte. Ich kaufte jetzt alle Zuverſicht, allen Genuß zuruͤck, die ich bis dahin entbehrt hatte. Meine Munterkeit wurde zur Frechheit, denn ich hielt mich fuͤr eines der vorzuͤglichſten Geſchoͤpfe in der Welt, ich hatte den Unter- ſchied unter den Menſchen nie gelernt, ich kannte jetzt nur die reichern und aͤrmern, mir fehlte jetzt zu einem angenehmen Leben nichts, und ich verachtete jetzt alle Menſchen, die nicht ſo gut leben konnten wie ich. — In dieſem Lovell. 3r Bd. Y

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/344>, abgerufen am 23.11.2024.