Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

es könnte doch wohl mit dem ganzen Wesen
nur Affektation seyn, denn wir haben uns hun-
dert und tausendmal auf dieser Schwäche ertappt,
und das verleidet uns dann am Ende alle ern-
sten Empfindungen. Man traut den Frauen-
zimmern auch immer so wenig Verstand zu,
daß wir uns am Ende selbst an dieses Vorur-
theil gewöhnen und vielleicht wirklich darüber
dumm werden; denn sehr oft ist man das, was
man zu seyn glaubt, und nur deswegen, weil
man es glaubt.

Mein kleiner Georg hat glücklich die Zähne
überstanden, und ich glaube, ich könnte noch
länger und noch weitläuftiger schwatzen, wenn
ich mir nicht mit Gewalt Einhalt thäte. --
Leben Sie wohl. --


es koͤnnte doch wohl mit dem ganzen Weſen
nur Affektation ſeyn, denn wir haben uns hun-
dert und tauſendmal auf dieſer Schwaͤche ertappt,
und das verleidet uns dann am Ende alle ern-
ſten Empfindungen. Man traut den Frauen-
zimmern auch immer ſo wenig Verſtand zu,
daß wir uns am Ende ſelbſt an dieſes Vorur-
theil gewoͤhnen und vielleicht wirklich daruͤber
dumm werden; denn ſehr oft iſt man das, was
man zu ſeyn glaubt, und nur deswegen, weil
man es glaubt.

Mein kleiner Georg hat gluͤcklich die Zaͤhne
uͤberſtanden, und ich glaube, ich koͤnnte noch
laͤnger und noch weitlaͤuftiger ſchwatzen, wenn
ich mir nicht mit Gewalt Einhalt thaͤte. —
Leben Sie wohl. —


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0309" n="302"/>
es ko&#x0364;nnte doch wohl mit dem ganzen We&#x017F;en<lb/>
nur Affektation &#x017F;eyn, denn wir haben uns hun-<lb/>
dert und tau&#x017F;endmal auf die&#x017F;er Schwa&#x0364;che ertappt,<lb/>
und das verleidet uns dann am Ende alle ern-<lb/>
&#x017F;ten Empfindungen. Man traut den Frauen-<lb/>
zimmern auch immer &#x017F;o wenig Ver&#x017F;tand zu,<lb/>
daß wir uns am Ende &#x017F;elb&#x017F;t an die&#x017F;es Vorur-<lb/>
theil gewo&#x0364;hnen und vielleicht wirklich daru&#x0364;ber<lb/>
dumm werden; denn &#x017F;ehr oft i&#x017F;t man das, was<lb/>
man zu &#x017F;eyn glaubt, und nur deswegen, weil<lb/>
man es glaubt.</p><lb/>
          <p>Mein kleiner Georg hat glu&#x0364;cklich die Za&#x0364;hne<lb/>
u&#x0364;ber&#x017F;tanden, und ich glaube, ich ko&#x0364;nnte noch<lb/>
la&#x0364;nger und noch weitla&#x0364;uftiger &#x017F;chwatzen, wenn<lb/>
ich mir nicht mit Gewalt Einhalt tha&#x0364;te. &#x2014;<lb/>
Leben Sie wohl. &#x2014;</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[302/0309] es koͤnnte doch wohl mit dem ganzen Weſen nur Affektation ſeyn, denn wir haben uns hun- dert und tauſendmal auf dieſer Schwaͤche ertappt, und das verleidet uns dann am Ende alle ern- ſten Empfindungen. Man traut den Frauen- zimmern auch immer ſo wenig Verſtand zu, daß wir uns am Ende ſelbſt an dieſes Vorur- theil gewoͤhnen und vielleicht wirklich daruͤber dumm werden; denn ſehr oft iſt man das, was man zu ſeyn glaubt, und nur deswegen, weil man es glaubt. Mein kleiner Georg hat gluͤcklich die Zaͤhne uͤberſtanden, und ich glaube, ich koͤnnte noch laͤnger und noch weitlaͤuftiger ſchwatzen, wenn ich mir nicht mit Gewalt Einhalt thaͤte. — Leben Sie wohl. —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/309
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/309>, abgerufen am 27.05.2024.