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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

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zu Pferde. Es war ein wunderbarer Weg, und
ich verirrte mich, ich hatte die große Straße
ganz verlassen und befand mich nun auf Neben-
wegen, die bald ausgingen, bald dahin zurück-
zukehren schienen, woher ich kam. Ich fand
nur einzelne Hütten, in denen ich einkehren
konnte, und die Kohlenbrenner, oder Holzhau-
er, die ich dort traf, wußten den Weg selber
nicht, den ich suchte. An einem Morgen, als
ich einen steilen Hügel hinaufritt, befiel mich
eine seltsame Beklemmung so gewaltig, als
wenn sie mein Herz zerdrücken wollte, alles um
mich her war mir plötzlich so bekannt, keine
dunkle, sondern eine ganz deutliche Erinnerung
trat mir entgegen, daß ich an diesem Platze
schon gewesen sey. Ein wüster Rauch lag auf
den fernen Bergen, und eine grauenvolle Däm-
merung machte die tiefen Abgründe noch furcht-
barer. Mit gewaltigem Schrecken ergriff mich
das Gefühl der Einsamkeit, es war, als wenn
mich die Gebirge umher mit entsetzlichen Tönen
anredeten; ich ward scheu, als ich die großen
und wilden Wolkenmassen so frech am Himmel
über mir hängen sah. Ich stand mit dem
Pferde still, um über meinen eigenen Zustand

zu Pferde. Es war ein wunderbarer Weg, und
ich verirrte mich, ich hatte die große Straße
ganz verlaſſen und befand mich nun auf Neben-
wegen, die bald ausgingen, bald dahin zuruͤck-
zukehren ſchienen, woher ich kam. Ich fand
nur einzelne Huͤtten, in denen ich einkehren
konnte, und die Kohlenbrenner, oder Holzhau-
er, die ich dort traf, wußten den Weg ſelber
nicht, den ich ſuchte. An einem Morgen, als
ich einen ſteilen Huͤgel hinaufritt, befiel mich
eine ſeltſame Beklemmung ſo gewaltig, als
wenn ſie mein Herz zerdruͤcken wollte, alles um
mich her war mir ploͤtzlich ſo bekannt, keine
dunkle, ſondern eine ganz deutliche Erinnerung
trat mir entgegen, daß ich an dieſem Platze
ſchon geweſen ſey. Ein wuͤſter Rauch lag auf
den fernen Bergen, und eine grauenvolle Daͤm-
merung machte die tiefen Abgruͤnde noch furcht-
barer. Mit gewaltigem Schrecken ergriff mich
das Gefuͤhl der Einſamkeit, es war, als wenn
mich die Gebirge umher mit entſetzlichen Toͤnen
anredeten; ich ward ſcheu, als ich die großen
und wilden Wolkenmaſſen ſo frech am Himmel
uͤber mir haͤngen ſah. Ich ſtand mit dem
Pferde ſtill, um uͤber meinen eigenen Zuſtand

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[279/0286] zu Pferde. Es war ein wunderbarer Weg, und ich verirrte mich, ich hatte die große Straße ganz verlaſſen und befand mich nun auf Neben- wegen, die bald ausgingen, bald dahin zuruͤck- zukehren ſchienen, woher ich kam. Ich fand nur einzelne Huͤtten, in denen ich einkehren konnte, und die Kohlenbrenner, oder Holzhau- er, die ich dort traf, wußten den Weg ſelber nicht, den ich ſuchte. An einem Morgen, als ich einen ſteilen Huͤgel hinaufritt, befiel mich eine ſeltſame Beklemmung ſo gewaltig, als wenn ſie mein Herz zerdruͤcken wollte, alles um mich her war mir ploͤtzlich ſo bekannt, keine dunkle, ſondern eine ganz deutliche Erinnerung trat mir entgegen, daß ich an dieſem Platze ſchon geweſen ſey. Ein wuͤſter Rauch lag auf den fernen Bergen, und eine grauenvolle Daͤm- merung machte die tiefen Abgruͤnde noch furcht- barer. Mit gewaltigem Schrecken ergriff mich das Gefuͤhl der Einſamkeit, es war, als wenn mich die Gebirge umher mit entſetzlichen Toͤnen anredeten; ich ward ſcheu, als ich die großen und wilden Wolkenmaſſen ſo frech am Himmel uͤber mir haͤngen ſah. Ich ſtand mit dem Pferde ſtill, um uͤber meinen eigenen Zuſtand

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/286>, abgerufen am 21.05.2024.