Ich weiß nicht, warum ich immer noch hier bin. Ich sollte endlich zurückkehren. Es ist unbegreifliche Trägheit von mir, daß ich noch nicht in Rom bin. Wie kann man so ganz von aller Kraft, von aller innern Stärke verlassen seyn!
Mein Glück im Spiele hat aufgehört und doch bin ich an den Tisch wie festgezau- bert. Wenn ich Karten sehe, läuft mein Blut lebendiger und ich träume nur von glücklichen, oder unglücklichen Spielen. Ich verstehe jetzt, was man unter der Leidenschaft des Spiels sa- gen will. Ich habe schon ansehnlich verlohren, das Geld was ich aus England mitbrachte und einen großen Theil von B. Geschenk: ich ärgre mich darüber nicht, aber über die platte Freude der jämmerlichen Menschen, die von mir gewinnen. Sie halten das blinde Glück für einen Vorzug, der ihnen eigenthümlich ist,
26 William Lovell an Roſa.
Paris.
Ich weiß nicht, warum ich immer noch hier bin. Ich ſollte endlich zuruͤckkehren. Es iſt unbegreifliche Traͤgheit von mir, daß ich noch nicht in Rom bin. Wie kann man ſo ganz von aller Kraft, von aller innern Staͤrke verlaſſen ſeyn!
Mein Gluͤck im Spiele hat aufgehoͤrt und doch bin ich an den Tiſch wie feſtgezau- bert. Wenn ich Karten ſehe, laͤuft mein Blut lebendiger und ich traͤume nur von gluͤcklichen, oder ungluͤcklichen Spielen. Ich verſtehe jetzt, was man unter der Leidenſchaft des Spiels ſa- gen will. Ich habe ſchon anſehnlich verlohren, das Geld was ich aus England mitbrachte und einen großen Theil von B. Geſchenk: ich aͤrgre mich daruͤber nicht, aber uͤber die platte Freude der jaͤmmerlichen Menſchen, die von mir gewinnen. Sie halten das blinde Gluͤck fuͤr einen Vorzug, der ihnen eigenthuͤmlich iſt,
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0236"n="229"/><divn="2"><head>26<lb/><hirendition="#g">William Lovell</hi> an <hirendition="#g">Roſa</hi>.</head><lb/><dateline><hirendition="#et"><hirendition="#g">Paris</hi>.</hi></dateline><lb/><p><hirendition="#in">I</hi>ch weiß nicht, warum ich immer noch hier<lb/>
bin. Ich ſollte endlich zuruͤckkehren. Es iſt<lb/>
unbegreifliche Traͤgheit von mir, daß ich noch<lb/>
nicht in Rom bin. Wie kann man ſo ganz von<lb/>
aller Kraft, von aller innern Staͤrke verlaſſen<lb/>ſeyn!</p><lb/><p>Mein Gluͤck im Spiele hat aufgehoͤrt und<lb/>
doch bin ich an den Tiſch wie feſtgezau-<lb/>
bert. Wenn ich Karten ſehe, laͤuft mein Blut<lb/>
lebendiger und ich traͤume nur von gluͤcklichen,<lb/>
oder ungluͤcklichen Spielen. Ich verſtehe jetzt,<lb/>
was man unter der Leidenſchaft des Spiels ſa-<lb/>
gen will. Ich habe ſchon anſehnlich verlohren,<lb/>
das Geld was ich aus England mitbrachte und<lb/>
einen großen Theil von B. Geſchenk: ich<lb/>
aͤrgre mich daruͤber nicht, aber uͤber die platte<lb/>
Freude der jaͤmmerlichen Menſchen, die von<lb/>
mir gewinnen. Sie halten das blinde Gluͤck<lb/>
fuͤr einen Vorzug, der ihnen eigenthuͤmlich iſt,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[229/0236]
26
William Lovell an Roſa.
Paris.
Ich weiß nicht, warum ich immer noch hier
bin. Ich ſollte endlich zuruͤckkehren. Es iſt
unbegreifliche Traͤgheit von mir, daß ich noch
nicht in Rom bin. Wie kann man ſo ganz von
aller Kraft, von aller innern Staͤrke verlaſſen
ſeyn!
Mein Gluͤck im Spiele hat aufgehoͤrt und
doch bin ich an den Tiſch wie feſtgezau-
bert. Wenn ich Karten ſehe, laͤuft mein Blut
lebendiger und ich traͤume nur von gluͤcklichen,
oder ungluͤcklichen Spielen. Ich verſtehe jetzt,
was man unter der Leidenſchaft des Spiels ſa-
gen will. Ich habe ſchon anſehnlich verlohren,
das Geld was ich aus England mitbrachte und
einen großen Theil von B. Geſchenk: ich
aͤrgre mich daruͤber nicht, aber uͤber die platte
Freude der jaͤmmerlichen Menſchen, die von
mir gewinnen. Sie halten das blinde Gluͤck
fuͤr einen Vorzug, der ihnen eigenthuͤmlich iſt,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/236>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.