Schon seit ich von Rom entfernt bin, wollte ich Ihnen schreiben, ja ich wollte Sie schon vor meiner Abreise einmahl mündlich sprechen, allein eine gewisse Blödigkeit hielt mich immer davon zurück. Ich bin wirklich darin unglück- lich, daß ich meinem Verstande gegen die übri- gen Menschen zu wenig zutraue, ich muß erst in einen gewissen Enthusiasmus gebracht wer- den, und dann traue ich meinen Ueberzeugun- gen vielleicht wieder zu viel: wenn ich also bis jetzt gegen Sie zurückhaltend war, so schieben Sie es allein auf diese Unentschlossenheit, auf kein Mißtrauen, das ich wahrlich gegen Sie am wenigsten kenne.
Andrea hat mir geschrieben, und sein Brief ist ein Beweis seines Unwillens darüber, daß ich Rom verlassen habe; und dennoch, was kann ihm an mir liegen, da er andre Freunde hat, mit denen er öfter und lieber umgeht? Was kann ihn wenigstens bewegen, mir einen sol-
3. Adriano an Francesko.
Florenz.
Schon ſeit ich von Rom entfernt bin, wollte ich Ihnen ſchreiben, ja ich wollte Sie ſchon vor meiner Abreiſe einmahl muͤndlich ſprechen, allein eine gewiſſe Bloͤdigkeit hielt mich immer davon zuruͤck. Ich bin wirklich darin ungluͤck- lich, daß ich meinem Verſtande gegen die uͤbri- gen Menſchen zu wenig zutraue, ich muß erſt in einen gewiſſen Enthuſiasmus gebracht wer- den, und dann traue ich meinen Ueberzeugun- gen vielleicht wieder zu viel: wenn ich alſo bis jetzt gegen Sie zuruͤckhaltend war, ſo ſchieben Sie es allein auf dieſe Unentſchloſſenheit, auf kein Mißtrauen, das ich wahrlich gegen Sie am wenigſten kenne.
Andrea hat mir geſchrieben, und ſein Brief iſt ein Beweis ſeines Unwillens daruͤber, daß ich Rom verlaſſen habe; und dennoch, was kann ihm an mir liegen, da er andre Freunde hat, mit denen er oͤfter und lieber umgeht? Was kann ihn wenigſtens bewegen, mir einen ſol-
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0171"n="164"/><divn="2"><head>3.<lb/><hirendition="#g">Adriano</hi> an <hirendition="#g">Francesko</hi>.</head><lb/><dateline><hirendition="#et"><hirendition="#g">Florenz</hi>.</hi></dateline><lb/><p><hirendition="#in">S</hi>chon ſeit ich von Rom entfernt bin, wollte<lb/>
ich Ihnen ſchreiben, ja ich wollte Sie ſchon<lb/>
vor meiner Abreiſe einmahl muͤndlich ſprechen,<lb/>
allein eine gewiſſe Bloͤdigkeit hielt mich immer<lb/>
davon zuruͤck. Ich bin wirklich darin ungluͤck-<lb/>
lich, daß ich meinem Verſtande gegen die uͤbri-<lb/>
gen Menſchen zu wenig zutraue, ich muß erſt<lb/>
in einen gewiſſen Enthuſiasmus gebracht wer-<lb/>
den, und dann traue ich meinen Ueberzeugun-<lb/>
gen vielleicht wieder zu viel: wenn ich alſo bis<lb/>
jetzt gegen Sie zuruͤckhaltend war, ſo ſchieben<lb/>
Sie es allein auf dieſe Unentſchloſſenheit, auf<lb/>
kein Mißtrauen, das ich wahrlich gegen Sie<lb/>
am wenigſten kenne.</p><lb/><p>Andrea hat mir geſchrieben, und ſein Brief<lb/>
iſt ein Beweis ſeines Unwillens daruͤber, daß<lb/>
ich Rom verlaſſen habe; und dennoch, was kann<lb/>
ihm an mir liegen, da er andre Freunde hat,<lb/>
mit denen er oͤfter und lieber umgeht? Was<lb/>
kann ihn wenigſtens bewegen, mir einen <hirendition="#g">ſol-<lb/></hi></p></div></div></body></text></TEI>
[164/0171]
3.
Adriano an Francesko.
Florenz.
Schon ſeit ich von Rom entfernt bin, wollte
ich Ihnen ſchreiben, ja ich wollte Sie ſchon
vor meiner Abreiſe einmahl muͤndlich ſprechen,
allein eine gewiſſe Bloͤdigkeit hielt mich immer
davon zuruͤck. Ich bin wirklich darin ungluͤck-
lich, daß ich meinem Verſtande gegen die uͤbri-
gen Menſchen zu wenig zutraue, ich muß erſt
in einen gewiſſen Enthuſiasmus gebracht wer-
den, und dann traue ich meinen Ueberzeugun-
gen vielleicht wieder zu viel: wenn ich alſo bis
jetzt gegen Sie zuruͤckhaltend war, ſo ſchieben
Sie es allein auf dieſe Unentſchloſſenheit, auf
kein Mißtrauen, das ich wahrlich gegen Sie
am wenigſten kenne.
Andrea hat mir geſchrieben, und ſein Brief
iſt ein Beweis ſeines Unwillens daruͤber, daß
ich Rom verlaſſen habe; und dennoch, was kann
ihm an mir liegen, da er andre Freunde hat,
mit denen er oͤfter und lieber umgeht? Was
kann ihn wenigſtens bewegen, mir einen ſol-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/171>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.