Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.so fühlen und sprechen, ein andres Nahrungs- Ha! welche Wesen sind es, die das Thor Der dunkeln Ahndungen entriegeln? Was hebt den Geist auf goldbeschwingten Flügeln Zum sternbesäten Himmelplan empor? -- Es schlägt der schwarze Vorhang sich zurücke, Und wundervolle Scenen thun sich auf, Seltsame Gruppen meinem starren Blicke: Wie Traumerinnrung stehn sie da! mit frischem Glücke Beginn ich froh den neuen Lebenslauf! Ich fühle mich von jeder Schmach entbunden, Die uns vom schönen Taumel rückwärts hält, Die jämmerlichen Ketten sind verschwunden, Mit Freudejauchzen stürzen goldne Stunden Rasch auf mich ein, und ziehn mich tanzend durch die Welt. Es sammlen sich aus den verborgnen Klüften Die Freuden, wie Mänaden um mich her, Es klingen ungesehne Lieder in den Lüften, Es wogt um mich ein ungestümes Meer, Und Töne, Jauchzen, Wonne schwebt auf Blu- mendüften, Und alles stürmt um mich, so wie ein wildes Heer. ſo fuͤhlen und ſprechen, ein andres Nahrungs- Ha! welche Weſen ſind es, die das Thor Der dunkeln Ahndungen entriegeln? Was hebt den Geiſt auf goldbeſchwingten Flügeln Zum ſternbeſäten Himmelplan empor? — Es ſchlägt der ſchwarze Vorhang ſich zurücke, Und wundervolle Scenen thun ſich auf, Seltſame Gruppen meinem ſtarren Blicke: Wie Traumerinnrung ſtehn ſie da! mit friſchem Glücke Beginn ich froh den neuen Lebenslauf! Ich fühle mich von jeder Schmach entbunden, Die uns vom ſchönen Taumel rückwärts hält, Die jämmerlichen Ketten ſind verſchwunden, Mit Freudejauchzen ſtürzen goldne Stunden Raſch auf mich ein, und ziehn mich tanzend durch die Welt. Es ſammlen ſich aus den verborgnen Klüften Die Freuden, wie Mänaden um mich her, Es klingen ungeſehne Lieder in den Lüften, Es wogt um mich ein ungeſtümes Meer, Und Töne, Jauchzen, Wonne ſchwebt auf Blu- mendüften, Und alles ſtürmt um mich, ſo wie ein wildes Heer. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0084" n="78"/> ſo fuͤhlen und ſprechen, ein andres Nahrungs-<lb/> mittel, das dem Menſchen die ſogenannte Nuͤch-<lb/> ternheit laͤßt, aͤußert ſich in andern Ideen, und<lb/> der quaͤlende Hunger legt dem Menſchen wieder<lb/> andere Geſinnungen in den Mund. Wer von<lb/> allen hat nun Recht? —</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Ha! welche Weſen ſind es, die das Thor</l><lb/> <l>Der dunkeln Ahndungen entriegeln?</l><lb/> <l>Was hebt den Geiſt auf goldbeſchwingten Flügeln</l><lb/> <l>Zum ſternbeſäten Himmelplan empor? —</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Es ſchlägt der ſchwarze Vorhang ſich zurücke,</l><lb/> <l>Und wundervolle Scenen thun ſich auf,</l><lb/> <l>Seltſame Gruppen meinem ſtarren Blicke:</l><lb/> <l>Wie Traumerinnrung ſtehn ſie da! mit friſchem</l><lb/> <l>Glücke</l><lb/> <l>Beginn ich froh den neuen Lebenslauf!</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Ich fühle mich von jeder Schmach entbunden,</l><lb/> <l>Die uns vom ſchönen Taumel rückwärts hält,</l><lb/> <l>Die jämmerlichen Ketten ſind <choice><sic>rerſchwunden</sic><corr>verſchwunden</corr></choice>,</l><lb/> <l>Mit Freudejauchzen ſtürzen goldne Stunden</l><lb/> <l>Raſch auf mich ein, und ziehn mich tanzend</l><lb/> <l>durch die Welt.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Es ſammlen ſich aus den verborgnen Klüften</l><lb/> <l>Die Freuden, wie Mänaden um mich her,</l><lb/> <l>Es klingen ungeſehne Lieder in den Lüften,</l><lb/> <l>Es wogt um mich ein ungeſtümes Meer,</l><lb/> <l>Und Töne, Jauchzen, Wonne ſchwebt auf Blu-</l><lb/> <l>mendüften,</l><lb/> <l>Und alles ſtürmt um mich, ſo wie ein wildes Heer.</l> </lg><lb/> <l> </l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [78/0084]
ſo fuͤhlen und ſprechen, ein andres Nahrungs-
mittel, das dem Menſchen die ſogenannte Nuͤch-
ternheit laͤßt, aͤußert ſich in andern Ideen, und
der quaͤlende Hunger legt dem Menſchen wieder
andere Geſinnungen in den Mund. Wer von
allen hat nun Recht? —
Ha! welche Weſen ſind es, die das Thor
Der dunkeln Ahndungen entriegeln?
Was hebt den Geiſt auf goldbeſchwingten Flügeln
Zum ſternbeſäten Himmelplan empor? —
Es ſchlägt der ſchwarze Vorhang ſich zurücke,
Und wundervolle Scenen thun ſich auf,
Seltſame Gruppen meinem ſtarren Blicke:
Wie Traumerinnrung ſtehn ſie da! mit friſchem
Glücke
Beginn ich froh den neuen Lebenslauf!
Ich fühle mich von jeder Schmach entbunden,
Die uns vom ſchönen Taumel rückwärts hält,
Die jämmerlichen Ketten ſind verſchwunden,
Mit Freudejauchzen ſtürzen goldne Stunden
Raſch auf mich ein, und ziehn mich tanzend
durch die Welt.
Es ſammlen ſich aus den verborgnen Klüften
Die Freuden, wie Mänaden um mich her,
Es klingen ungeſehne Lieder in den Lüften,
Es wogt um mich ein ungeſtümes Meer,
Und Töne, Jauchzen, Wonne ſchwebt auf Blu-
mendüften,
Und alles ſtürmt um mich, ſo wie ein wildes Heer.
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Zitationshilfe: | Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/84>, abgerufen am 16.02.2025. |