der etwas, das meiner Seele ganz fremd und zuwider ist. In den recht verständigen Men- schen liegt zuweilen eine zurückstoßende Kälte, man schämt sich oft etwas zu sagen, was man für wahr hält, weil man nicht gleich die pas- sendsten Worte dazu findet. Ich glaube, daß Mortimer mir nur in manchen Sachen recht giebt, um mir nicht zu widersprechen, weil er mich für zu einfältig hält, ihn ganz zu verstehen. Sein Herz ist nicht warm genug, er hat zu sehr die Welt und die Menschen kennen gelernet. Und doch fühl ich mich ihm zuweilen so geneigt, er kömmt mir oft wieder besser und edler als Lovell vor, dessen Enthusiasmus so unstät und ohne Ausdauer war; ich denke denn darüber nach, wie ich mit Mortimer leben würde, und gewöhne mich ordentlich an diese Vorstellung. Es kann auch seyn, daß er sich sehr nach mir bequemte, wenigstens thut er es jetzt auffallend, und wir lebten so vielleicht recht glücklich mit einander. -- Wenn mir nur nicht immer wieder so manches von meinen vorigen Empfindungen zurückkäme! dann ist mir, wie wenn man von großen Schätzen träumt, und plötzlich in der stillen dürftigen Nacht aufwacht: man sucht
der etwas, das meiner Seele ganz fremd und zuwider iſt. In den recht verſtaͤndigen Men- ſchen liegt zuweilen eine zuruͤckſtoßende Kaͤlte, man ſchaͤmt ſich oft etwas zu ſagen, was man fuͤr wahr haͤlt, weil man nicht gleich die paſ- ſendſten Worte dazu findet. Ich glaube, daß Mortimer mir nur in manchen Sachen recht giebt, um mir nicht zu widerſprechen, weil er mich fuͤr zu einfaͤltig haͤlt, ihn ganz zu verſtehen. Sein Herz iſt nicht warm genug, er hat zu ſehr die Welt und die Menſchen kennen gelernet. Und doch fuͤhl ich mich ihm zuweilen ſo geneigt, er koͤmmt mir oft wieder beſſer und edler als Lovell vor, deſſen Enthuſiasmus ſo unſtaͤt und ohne Ausdauer war; ich denke denn daruͤber nach, wie ich mit Mortimer leben wuͤrde, und gewoͤhne mich ordentlich an dieſe Vorſtellung. Es kann auch ſeyn, daß er ſich ſehr nach mir bequemte, wenigſtens thut er es jetzt auffallend, und wir lebten ſo vielleicht recht gluͤcklich mit einander. — Wenn mir nur nicht immer wieder ſo manches von meinen vorigen Empfindungen zuruͤckkaͤme! dann iſt mir, wie wenn man von großen Schaͤtzen traͤumt, und ploͤtzlich in der ſtillen duͤrftigen Nacht aufwacht: man ſucht
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der etwas, das meiner Seele ganz fremd und
zuwider iſt. In den recht verſtaͤndigen Men-
ſchen liegt zuweilen eine zuruͤckſtoßende Kaͤlte,
man ſchaͤmt ſich oft etwas zu ſagen, was man
fuͤr wahr haͤlt, weil man nicht gleich die paſ-
ſendſten Worte dazu findet. Ich glaube, daß
Mortimer mir nur in manchen Sachen recht giebt,
um mir nicht zu widerſprechen, weil er mich
fuͤr zu einfaͤltig haͤlt, ihn ganz zu verſtehen.
Sein Herz iſt nicht warm genug, er hat zu ſehr
die Welt und die Menſchen kennen gelernet.
Und doch fuͤhl ich mich ihm zuweilen ſo geneigt,
er koͤmmt mir oft wieder beſſer und edler als
Lovell vor, deſſen Enthuſiasmus ſo unſtaͤt und
ohne Ausdauer war; ich denke denn daruͤber
nach, wie ich mit Mortimer leben wuͤrde, und
gewoͤhne mich ordentlich an dieſe Vorſtellung.
Es kann auch ſeyn, daß er ſich ſehr nach mir
bequemte, wenigſtens thut er es jetzt auffallend,
und wir lebten ſo vielleicht recht gluͤcklich mit
einander. — Wenn mir nur nicht immer wieder
ſo manches von meinen vorigen Empfindungen
zuruͤckkaͤme! dann iſt mir, wie wenn man von
großen Schaͤtzen traͤumt, und ploͤtzlich in der
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/76>, abgerufen am 24.11.2024.
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