völlig beruhigt. Ich habe es deutlich erfahren, in wie hohem Grade die Menschen verächtlich sind. Alle meine jugendlichen Vermuthungen haben sich erfüllt, und es war heilsam, daß ich so ausgerüstet unter die boshafte Schaar trat. Argwohn ist die Wünschelruthe, die al- lenthalben richtig zeigt, man irrt sich in keinem Menschen, wenn man gegen jeden mißtrauisch ist, denn selbst die Einfältigsten haben Minuten der Erleuchtung, in denen sie uns Schaden zu- fügen.
Wenn man mit Leuten umgeht, die aus Un- wissenheit, oder weil sie selbst keinen Grund davon anzugeben wissen, rechtschaffen sind, so muß man ihre Tugend nie auf die Probe stel- len, wenn sie uns dadurch nützlich bleiben sol- len; denn in dem Augenblicke, in welchem sie darüber nachdenken, werden sie verwandelt, und wenn sie auch ihre Ehrlichkeit noch aus dem gegenwärtigen Gedränge bringen, so kann man sich im nächstfolgenden zweifelhaften Falle nie- mals auf sie verlassen. -- Wie viel ist aber die Ehrlichkeit werth, wenn sie nur darin be- steht, daß der Mensch gar nicht weiß, daß man ihm diesen Vorzug beylegt? Selbst der Pöbel
voͤllig beruhigt. Ich habe es deutlich erfahren, in wie hohem Grade die Menſchen veraͤchtlich ſind. Alle meine jugendlichen Vermuthungen haben ſich erfuͤllt, und es war heilſam, daß ich ſo ausgeruͤſtet unter die boshafte Schaar trat. Argwohn iſt die Wuͤnſchelruthe, die al- lenthalben richtig zeigt, man irrt ſich in keinem Menſchen, wenn man gegen jeden mißtrauiſch iſt, denn ſelbſt die Einfaͤltigſten haben Minuten der Erleuchtung, in denen ſie uns Schaden zu- fuͤgen.
Wenn man mit Leuten umgeht, die aus Un- wiſſenheit, oder weil ſie ſelbſt keinen Grund davon anzugeben wiſſen, rechtſchaffen ſind, ſo muß man ihre Tugend nie auf die Probe ſtel- len, wenn ſie uns dadurch nuͤtzlich bleiben ſol- len; denn in dem Augenblicke, in welchem ſie daruͤber nachdenken, werden ſie verwandelt, und wenn ſie auch ihre Ehrlichkeit noch aus dem gegenwaͤrtigen Gedraͤnge bringen, ſo kann man ſich im naͤchſtfolgenden zweifelhaften Falle nie- mals auf ſie verlaſſen. — Wie viel iſt aber die Ehrlichkeit werth, wenn ſie nur darin be- ſteht, daß der Menſch gar nicht weiß, daß man ihm dieſen Vorzug beylegt? Selbſt der Poͤbel
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voͤllig beruhigt. Ich habe es deutlich erfahren,
in wie hohem Grade die Menſchen veraͤchtlich
ſind. Alle meine jugendlichen Vermuthungen
haben ſich erfuͤllt, und es war heilſam, daß
ich ſo ausgeruͤſtet unter die boshafte Schaar
trat. Argwohn iſt die Wuͤnſchelruthe, die al-
lenthalben richtig zeigt, man irrt ſich in keinem
Menſchen, wenn man gegen jeden mißtrauiſch
iſt, denn ſelbſt die Einfaͤltigſten haben Minuten
der Erleuchtung, in denen ſie uns Schaden zu-
fuͤgen.
Wenn man mit Leuten umgeht, die aus Un-
wiſſenheit, oder weil ſie ſelbſt keinen Grund
davon anzugeben wiſſen, rechtſchaffen ſind, ſo
muß man ihre Tugend nie auf die Probe ſtel-
len, wenn ſie uns dadurch nuͤtzlich bleiben ſol-
len; denn in dem Augenblicke, in welchem ſie
daruͤber nachdenken, werden ſie verwandelt, und
wenn ſie auch ihre Ehrlichkeit noch aus dem
gegenwaͤrtigen Gedraͤnge bringen, ſo kann man
ſich im naͤchſtfolgenden zweifelhaften Falle nie-
mals auf ſie verlaſſen. — Wie viel iſt aber
die Ehrlichkeit werth, wenn ſie nur darin be-
ſteht, daß der Menſch gar nicht weiß, daß man
ihm dieſen Vorzug beylegt? Selbſt der Poͤbel
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/431>, abgerufen am 12.10.2024.
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