rakter zu bekleiden; sie sind zu sehr in sich selbst eingesperrt, und dies macht ihren Blick be- schränkt. Vielleicht daß die Unterschiede über- haupt aufhörten, wenn sich die Menschen die Mühe gäben, den Erscheinungen näher zu tre- ten, die ihnen in der Ferne ganz anders ge- formt zu seyn scheinen.
Cromwell war vielleicht der reinste und eif- rigste Schwärmer, als er sich im Anfange zur Parthey der Puritaner schlug. Wider sein Erwarten fand er, daß es leichter sey, die Menschen unter seinen Geist zu beugen, als er im Anfange gedacht hatte. Er durchdrang mit seinem scharfen Blicke die Gemüther aller derer die ihn umgaben, er bemerkte es, auf welchen Armseligkeiten meistentheils das Anse- hen beruhte, das er unter seinen Freunden hat- te, und er schämte sich vor sich selber, und verachtete die Menschen. Seine Schwärmerey und sein Enthusiasmus waren es vorzüglich, die die Menge an ihn band, denn der Schwär- mer zieht einen weiten Feuerkreis um sich her- um, und selbst in die kälteren Menschen gehen Funken über, die sie unwillkührlich mit Liebe und Wohlwollen zu ihrem Anführer drängen.
rakter zu bekleiden; ſie ſind zu ſehr in ſich ſelbſt eingeſperrt, und dies macht ihren Blick be- ſchraͤnkt. Vielleicht daß die Unterſchiede uͤber- haupt aufhoͤrten, wenn ſich die Menſchen die Muͤhe gaͤben, den Erſcheinungen naͤher zu tre- ten, die ihnen in der Ferne ganz anders ge- formt zu ſeyn ſcheinen.
Cromwell war vielleicht der reinſte und eif- rigſte Schwaͤrmer, als er ſich im Anfange zur Parthey der Puritaner ſchlug. Wider ſein Erwarten fand er, daß es leichter ſey, die Menſchen unter ſeinen Geiſt zu beugen, als er im Anfange gedacht hatte. Er durchdrang mit ſeinem ſcharfen Blicke die Gemuͤther aller derer die ihn umgaben, er bemerkte es, auf welchen Armſeligkeiten meiſtentheils das Anſe- hen beruhte, das er unter ſeinen Freunden hat- te, und er ſchaͤmte ſich vor ſich ſelber, und verachtete die Menſchen. Seine Schwaͤrmerey und ſein Enthuſiasmus waren es vorzuͤglich, die die Menge an ihn band, denn der Schwaͤr- mer zieht einen weiten Feuerkreis um ſich her- um, und ſelbſt in die kaͤlteren Menſchen gehen Funken uͤber, die ſie unwillkuͤhrlich mit Liebe und Wohlwollen zu ihrem Anfuͤhrer draͤngen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0417"n="411"/>
rakter zu bekleiden; ſie ſind zu ſehr in ſich ſelbſt<lb/>
eingeſperrt, und dies macht ihren Blick be-<lb/>ſchraͤnkt. Vielleicht daß die Unterſchiede uͤber-<lb/>
haupt aufhoͤrten, wenn ſich die Menſchen die<lb/>
Muͤhe gaͤben, den Erſcheinungen naͤher zu tre-<lb/>
ten, die ihnen in der Ferne ganz anders ge-<lb/>
formt zu ſeyn ſcheinen.</p><lb/><p>Cromwell war vielleicht der reinſte und eif-<lb/>
rigſte Schwaͤrmer, als er ſich im Anfange zur<lb/>
Parthey der <choice><sic>Puritoner</sic><corr>Puritaner</corr></choice>ſchlug. Wider ſein<lb/>
Erwarten fand er, daß es leichter ſey, die<lb/>
Menſchen unter ſeinen Geiſt zu beugen, als<lb/>
er im Anfange gedacht hatte. Er durchdrang<lb/>
mit ſeinem ſcharfen Blicke die Gemuͤther aller<lb/>
derer die ihn umgaben, er bemerkte es, auf<lb/>
welchen Armſeligkeiten meiſtentheils das Anſe-<lb/>
hen beruhte, das er unter ſeinen Freunden hat-<lb/>
te, und er ſchaͤmte ſich vor ſich ſelber, und<lb/>
verachtete die Menſchen. Seine Schwaͤrmerey<lb/>
und ſein Enthuſiasmus waren es vorzuͤglich,<lb/>
die die Menge an ihn band, denn der Schwaͤr-<lb/>
mer zieht einen weiten Feuerkreis um ſich her-<lb/>
um, und ſelbſt in die kaͤlteren Menſchen gehen<lb/>
Funken uͤber, die ſie unwillkuͤhrlich mit Liebe<lb/>
und Wohlwollen zu ihrem Anfuͤhrer draͤngen.<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[411/0417]
rakter zu bekleiden; ſie ſind zu ſehr in ſich ſelbſt
eingeſperrt, und dies macht ihren Blick be-
ſchraͤnkt. Vielleicht daß die Unterſchiede uͤber-
haupt aufhoͤrten, wenn ſich die Menſchen die
Muͤhe gaͤben, den Erſcheinungen naͤher zu tre-
ten, die ihnen in der Ferne ganz anders ge-
formt zu ſeyn ſcheinen.
Cromwell war vielleicht der reinſte und eif-
rigſte Schwaͤrmer, als er ſich im Anfange zur
Parthey der Puritaner ſchlug. Wider ſein
Erwarten fand er, daß es leichter ſey, die
Menſchen unter ſeinen Geiſt zu beugen, als
er im Anfange gedacht hatte. Er durchdrang
mit ſeinem ſcharfen Blicke die Gemuͤther aller
derer die ihn umgaben, er bemerkte es, auf
welchen Armſeligkeiten meiſtentheils das Anſe-
hen beruhte, das er unter ſeinen Freunden hat-
te, und er ſchaͤmte ſich vor ſich ſelber, und
verachtete die Menſchen. Seine Schwaͤrmerey
und ſein Enthuſiasmus waren es vorzuͤglich,
die die Menge an ihn band, denn der Schwaͤr-
mer zieht einen weiten Feuerkreis um ſich her-
um, und ſelbſt in die kaͤlteren Menſchen gehen
Funken uͤber, die ſie unwillkuͤhrlich mit Liebe
und Wohlwollen zu ihrem Anfuͤhrer draͤngen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/417>, abgerufen am 05.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.