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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

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Durch ein paar unbesonnene Streiche ist der
Kammerdiener meines Vaters, der sonst ein ge-
scheuter Mensch ist, so in mein Interesse ver-
wickelt, daß er es jetzt gar nicht wagt, ehrlich
oder gegen mich zu handeln. Der Verwalter
ist der gutherzigste Narr von der Welt, aber
er hält mich für einen noch größern, und da-
durch habe ich sein unbedingtes Zutrauen ge-
wonnen.

In der Sprache muß man sich gewisse Wor-
te und Redensarten merken, die wie Zauberge-
sänge dazu dienen, eine gewisse Gattung von
Leuten einzuschläfern. Auf jeden Menschen
würken Worte, nur muß man ihn etwas ken-
nen, damit man die rechten nimmt, um sein
Ohr zu bezaubern. Der Verwalter hört nun gern
von Ehrlichkeit der Menschen reden, er liebt
es wenn man auf Niederträchtigkeit schimpft;
wenn ich dies thue, und die Worte mit einer
gewissen Hitze ausspreche, so weiß er sich vor
Freuden nicht zu lassen, und drückt mir in sei-
nem Entzücken die Hände. Auf diese Art muß
man den Schatz unserer Sprache studiren, um
die wahre Art zu sprechen zu finden. Es fällt
mir immer ein, daß die Menschen offenbar

Lovell. 2r Bd. C c

Durch ein paar unbeſonnene Streiche iſt der
Kammerdiener meines Vaters, der ſonſt ein ge-
ſcheuter Menſch iſt, ſo in mein Intereſſe ver-
wickelt, daß er es jetzt gar nicht wagt, ehrlich
oder gegen mich zu handeln. Der Verwalter
iſt der gutherzigſte Narr von der Welt, aber
er haͤlt mich fuͤr einen noch groͤßern, und da-
durch habe ich ſein unbedingtes Zutrauen ge-
wonnen.

In der Sprache muß man ſich gewiſſe Wor-
te und Redensarten merken, die wie Zauberge-
ſaͤnge dazu dienen, eine gewiſſe Gattung von
Leuten einzuſchlaͤfern. Auf jeden Menſchen
wuͤrken Worte, nur muß man ihn etwas ken-
nen, damit man die rechten nimmt, um ſein
Ohr zu bezaubern. Der Verwalter hoͤrt nun gern
von Ehrlichkeit der Menſchen reden, er liebt
es wenn man auf Niedertraͤchtigkeit ſchimpft;
wenn ich dies thue, und die Worte mit einer
gewiſſen Hitze ausſpreche, ſo weiß er ſich vor
Freuden nicht zu laſſen, und druͤckt mir in ſei-
nem Entzuͤcken die Haͤnde. Auf dieſe Art muß
man den Schatz unſerer Sprache ſtudiren, um
die wahre Art zu ſprechen zu finden. Es faͤllt
mir immer ein, daß die Menſchen offenbar

Lovell. 2r Bd. C c
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[401/0407] Durch ein paar unbeſonnene Streiche iſt der Kammerdiener meines Vaters, der ſonſt ein ge- ſcheuter Menſch iſt, ſo in mein Intereſſe ver- wickelt, daß er es jetzt gar nicht wagt, ehrlich oder gegen mich zu handeln. Der Verwalter iſt der gutherzigſte Narr von der Welt, aber er haͤlt mich fuͤr einen noch groͤßern, und da- durch habe ich ſein unbedingtes Zutrauen ge- wonnen. In der Sprache muß man ſich gewiſſe Wor- te und Redensarten merken, die wie Zauberge- ſaͤnge dazu dienen, eine gewiſſe Gattung von Leuten einzuſchlaͤfern. Auf jeden Menſchen wuͤrken Worte, nur muß man ihn etwas ken- nen, damit man die rechten nimmt, um ſein Ohr zu bezaubern. Der Verwalter hoͤrt nun gern von Ehrlichkeit der Menſchen reden, er liebt es wenn man auf Niedertraͤchtigkeit ſchimpft; wenn ich dies thue, und die Worte mit einer gewiſſen Hitze ausſpreche, ſo weiß er ſich vor Freuden nicht zu laſſen, und druͤckt mir in ſei- nem Entzuͤcken die Haͤnde. Auf dieſe Art muß man den Schatz unſerer Sprache ſtudiren, um die wahre Art zu ſprechen zu finden. Es faͤllt mir immer ein, daß die Menſchen offenbar Lovell. 2r Bd. C c

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/407>, abgerufen am 04.05.2024.