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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

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sind zugleich für Künste und Enthusiasmus todt,
weil die Blüthe der Sinnlichkeit für sie abge-
blüht ist, die Seele ist in ihnen ausgeloschen,
und sie sind nur noch die matte Abbildung
eines Lebendigen.

Ich will dem Pfade folgen, der sich vor mir
ausstreckt, die Freuden begegnen uns, so lange
die Spitzen in unsern Sinnen noch scharf sind.
Das ganze Leben ist ein taumelnder Tanz;
schwenkt wild den Reigen herum, und laßt alle
Instrumente noch lauter durcheinander klingen!
Laßt das bunte Gewühl nicht ermüden, damit
uns nicht die Nüchternheit entgegen kömmt, die
hinter den Freuden lauert, und so immer wilder
und wilder im jauchzenden Schwunge, bis uns
Sinne und Athem stocken, die Welt sich vor
unsern Augen in Millionen flimmernde Regen-
bogen zerspaltet, und wir wie verbannte Geister
auf sie von einem fernen Planeten herunterblik-
ken. Eine hohe bachantische Wuth entzünde den
frechen Geist, daß er nie wieder in den Armse-
ligkeiten der gewöhnlichen Welt einheimisch werde!



ſind zugleich fuͤr Kuͤnſte und Enthuſiasmus todt,
weil die Bluͤthe der Sinnlichkeit fuͤr ſie abge-
bluͤht iſt, die Seele iſt in ihnen ausgeloſchen,
und ſie ſind nur noch die matte Abbildung
eines Lebendigen.

Ich will dem Pfade folgen, der ſich vor mir
ausſtreckt, die Freuden begegnen uns, ſo lange
die Spitzen in unſern Sinnen noch ſcharf ſind.
Das ganze Leben iſt ein taumelnder Tanz;
ſchwenkt wild den Reigen herum, und laßt alle
Inſtrumente noch lauter durcheinander klingen!
Laßt das bunte Gewuͤhl nicht ermuͤden, damit
uns nicht die Nuͤchternheit entgegen koͤmmt, die
hinter den Freuden lauert, und ſo immer wilder
und wilder im jauchzenden Schwunge, bis uns
Sinne und Athem ſtocken, die Welt ſich vor
unſern Augen in Millionen flimmernde Regen-
bogen zerſpaltet, und wir wie verbannte Geiſter
auf ſie von einem fernen Planeten herunterblik-
ken. Eine hohe bachantiſche Wuth entzuͤnde den
frechen Geiſt, daß er nie wieder in den Armſe-
ligkeiten der gewoͤhnlichen Welt einheimiſch werde!



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[20/0026] ſind zugleich fuͤr Kuͤnſte und Enthuſiasmus todt, weil die Bluͤthe der Sinnlichkeit fuͤr ſie abge- bluͤht iſt, die Seele iſt in ihnen ausgeloſchen, und ſie ſind nur noch die matte Abbildung eines Lebendigen. Ich will dem Pfade folgen, der ſich vor mir ausſtreckt, die Freuden begegnen uns, ſo lange die Spitzen in unſern Sinnen noch ſcharf ſind. Das ganze Leben iſt ein taumelnder Tanz; ſchwenkt wild den Reigen herum, und laßt alle Inſtrumente noch lauter durcheinander klingen! Laßt das bunte Gewuͤhl nicht ermuͤden, damit uns nicht die Nuͤchternheit entgegen koͤmmt, die hinter den Freuden lauert, und ſo immer wilder und wilder im jauchzenden Schwunge, bis uns Sinne und Athem ſtocken, die Welt ſich vor unſern Augen in Millionen flimmernde Regen- bogen zerſpaltet, und wir wie verbannte Geiſter auf ſie von einem fernen Planeten herunterblik- ken. Eine hohe bachantiſche Wuth entzuͤnde den frechen Geiſt, daß er nie wieder in den Armſe- ligkeiten der gewoͤhnlichen Welt einheimiſch werde!

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/26>, abgerufen am 25.04.2024.