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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

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Armen zurück, und schloß Dich an meine Brust,
und weinte laut; Du weintest mit, denn Du
glaubtest, meine Thränen wären nur Zeugen
meiner Liebe, meiner Besorglichkeit für Dich; --
und so band Dich ein bloßer, schrecklicher Irr-
thum an mich. Hätte ich Dir mein Gefühl ge-
standen; so hättest Du mich mit Abscheu zu-
rückgestoßen, und einen verworfenen Menschen
genannt: Du wärest von dem Augenblicke an
mein Feind geworden. -- Aber jetzt gesteh ich
Dir dies Gefühl, weil Du doch immer so stren-
ge Wahrheit verlangst; wie sich dieser ganze
Brief in dem verkleinernden Glase Deiner Seele
abspiegeln wird, kann ich nicht berechnen. --
Wer sich selbst etwas näher kennt, wird die
Menschen für Ungeheuer halten. -- Lebe wohl. --




Lovell. 2r. Bd. Q

Armen zuruͤck, und ſchloß Dich an meine Bruſt,
und weinte laut; Du weinteſt mit, denn Du
glaubteſt, meine Thraͤnen waͤren nur Zeugen
meiner Liebe, meiner Beſorglichkeit fuͤr Dich; —
und ſo band Dich ein bloßer, ſchrecklicher Irr-
thum an mich. Haͤtte ich Dir mein Gefuͤhl ge-
ſtanden; ſo haͤtteſt Du mich mit Abſcheu zu-
ruͤckgeſtoßen, und einen verworfenen Menſchen
genannt: Du waͤreſt von dem Augenblicke an
mein Feind geworden. — Aber jetzt geſteh ich
Dir dies Gefuͤhl, weil Du doch immer ſo ſtren-
ge Wahrheit verlangſt; wie ſich dieſer ganze
Brief in dem verkleinernden Glaſe Deiner Seele
abſpiegeln wird, kann ich nicht berechnen. —
Wer ſich ſelbſt etwas naͤher kennt, wird die
Menſchen fuͤr Ungeheuer halten. — Lebe wohl. —




Lovell. 2r. Bd. Q
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[241/0247] Armen zuruͤck, und ſchloß Dich an meine Bruſt, und weinte laut; Du weinteſt mit, denn Du glaubteſt, meine Thraͤnen waͤren nur Zeugen meiner Liebe, meiner Beſorglichkeit fuͤr Dich; — und ſo band Dich ein bloßer, ſchrecklicher Irr- thum an mich. Haͤtte ich Dir mein Gefuͤhl ge- ſtanden; ſo haͤtteſt Du mich mit Abſcheu zu- ruͤckgeſtoßen, und einen verworfenen Menſchen genannt: Du waͤreſt von dem Augenblicke an mein Feind geworden. — Aber jetzt geſteh ich Dir dies Gefuͤhl, weil Du doch immer ſo ſtren- ge Wahrheit verlangſt; wie ſich dieſer ganze Brief in dem verkleinernden Glaſe Deiner Seele abſpiegeln wird, kann ich nicht berechnen. — Wer ſich ſelbſt etwas naͤher kennt, wird die Menſchen fuͤr Ungeheuer halten. — Lebe wohl. — Lovell. 2r. Bd. Q

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/247>, abgerufen am 21.11.2024.