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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

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licher Emsigkeit mit Sandkörnern schleppen, um
den gewaltigen Bau aufzuführen, den ein einzi-
ger Fußtritt aus seinen Wurzeln hebt.

Was wollt ich nun mit mir selber, als ich
jene Briefe an Dich und an meinen Vater
schrieb, in welchem ich so flehentlich um Ama-
lien
bat? -- Bin ich denn in diesem Namen,
in diesem Laut eingekerkert, daß meine Seele
nach ihrem Besitz und nach Freiheit schmachtet?
Denn was ist unsre sogenannte Liebe anders,
als diese nichtswürdige Einbildung, daß wir ein
Wesen, das erste beste zu unsrer Gottheit stem-
peln, und alle Gebete und Gedanken nach ihm
hinrichten? -- Kannte ich denn Amaliens See-
le
hinglänglich in den paar Wochen, in welchen
ich sie sah, um ihre Freundschaft zu wün-
schen? -- Und wenn ich nun auch ihr Freund
bin, wenn mein Verstand auch ihre Vorzüge er-
kannt, -- welcher Unsinn, daß ich mit kindischen
Gefühlen diese Achtung zu sinnlicher Liebe aus-
dehne? -- daß ich verlange, Amalie soll meine
Frau werden? --

Ich muß über mich und meinen Zustand la-
chen, wenn ich länger fortfahre, mir ihn deutlich
zu entwickeln. -- Daß wir Sinnlichkeit haben,

Lovell. 2r Bd. B

licher Emſigkeit mit Sandkoͤrnern ſchleppen, um
den gewaltigen Bau aufzufuͤhren, den ein einzi-
ger Fußtritt aus ſeinen Wurzeln hebt.

Was wollt ich nun mit mir ſelber, als ich
jene Briefe an Dich und an meinen Vater
ſchrieb, in welchem ich ſo flehentlich um Ama-
lien
bat? — Bin ich denn in dieſem Namen,
in dieſem Laut eingekerkert, daß meine Seele
nach ihrem Beſitz und nach Freiheit ſchmachtet?
Denn was iſt unſre ſogenannte Liebe anders,
als dieſe nichtswuͤrdige Einbildung, daß wir ein
Weſen, das erſte beſte zu unſrer Gottheit ſtem-
peln, und alle Gebete und Gedanken nach ihm
hinrichten? — Kannte ich denn Amaliens See-
le
hinglaͤnglich in den paar Wochen, in welchen
ich ſie ſah, um ihre Freundſchaft zu wuͤn-
ſchen? — Und wenn ich nun auch ihr Freund
bin, wenn mein Verſtand auch ihre Vorzuͤge er-
kannt, — welcher Unſinn, daß ich mit kindiſchen
Gefuͤhlen dieſe Achtung zu ſinnlicher Liebe aus-
dehne? — daß ich verlange, Amalie ſoll meine
Frau werden? —

Ich muß uͤber mich und meinen Zuſtand la-
chen, wenn ich laͤnger fortfahre, mir ihn deutlich
zu entwickeln. — Daß wir Sinnlichkeit haben,

Lovell. 2r Bd. B
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[17/0023] licher Emſigkeit mit Sandkoͤrnern ſchleppen, um den gewaltigen Bau aufzufuͤhren, den ein einzi- ger Fußtritt aus ſeinen Wurzeln hebt. Was wollt ich nun mit mir ſelber, als ich jene Briefe an Dich und an meinen Vater ſchrieb, in welchem ich ſo flehentlich um Ama- lien bat? — Bin ich denn in dieſem Namen, in dieſem Laut eingekerkert, daß meine Seele nach ihrem Beſitz und nach Freiheit ſchmachtet? Denn was iſt unſre ſogenannte Liebe anders, als dieſe nichtswuͤrdige Einbildung, daß wir ein Weſen, das erſte beſte zu unſrer Gottheit ſtem- peln, und alle Gebete und Gedanken nach ihm hinrichten? — Kannte ich denn Amaliens See- le hinglaͤnglich in den paar Wochen, in welchen ich ſie ſah, um ihre Freundſchaft zu wuͤn- ſchen? — Und wenn ich nun auch ihr Freund bin, wenn mein Verſtand auch ihre Vorzuͤge er- kannt, — welcher Unſinn, daß ich mit kindiſchen Gefuͤhlen dieſe Achtung zu ſinnlicher Liebe aus- dehne? — daß ich verlange, Amalie ſoll meine Frau werden? — Ich muß uͤber mich und meinen Zuſtand la- chen, wenn ich laͤnger fortfahre, mir ihn deutlich zu entwickeln. — Daß wir Sinnlichkeit haben, Lovell. 2r Bd. B

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/23>, abgerufen am 28.03.2024.