Ach, Anthonio, Anthonio! Komm doch so- bald, als möglich. Ich getraue mich gar nicht, meine Mutter anzusehn; alles was ich sonst gern that, ist mir jetzt zur Last, mir ist, als gehört ich gar nicht mehr in dieses Haus. -- Ich möchte einsam und unbemerkt im Winkel sitzen, und den ganzen Tag über weinen. Ach, An- thonio! was hast Du aus mir gemacht? -- Ich lebte so still vor mich hin, und war mit allem zufrieden, und jetzt ist mir das ganze Haus zu enge, ich denke unaufhörlich an Dich und an gestern, und mit einer quälenden Unruhe; mein Herz schlägt schwer und gewaltsam. O komm heut recht früh, damit ich nur wieder ein paar Augen finde, die ich ansehn darf, und die ich, ach! so gern betrachte.
51. Roſaline an Anthonio.
Ach, Anthonio, Anthonio! Komm doch ſo- bald, als moͤglich. Ich getraue mich gar nicht, meine Mutter anzuſehn; alles was ich ſonſt gern that, iſt mir jetzt zur Laſt, mir iſt, als gehoͤrt ich gar nicht mehr in dieſes Haus. — Ich moͤchte einſam und unbemerkt im Winkel ſitzen, und den ganzen Tag uͤber weinen. Ach, An- thonio! was haſt Du aus mir gemacht? — Ich lebte ſo ſtill vor mich hin, und war mit allem zufrieden, und jetzt iſt mir das ganze Haus zu enge, ich denke unaufhoͤrlich an Dich und an geſtern, und mit einer quaͤlenden Unruhe; mein Herz ſchlaͤgt ſchwer und gewaltſam. O komm heut recht fruͤh, damit ich nur wieder ein paar Augen finde, die ich anſehn darf, und die ich, ach! ſo gern betrachte.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0197"n="191"/><divn="2"><head>51.<lb/><hirendition="#g">Roſaline</hi> an <hirendition="#g">Anthonio</hi>.</head><lb/><p><hirendition="#in">A</hi>ch, Anthonio, Anthonio! Komm doch ſo-<lb/>
bald, als moͤglich. Ich getraue mich gar nicht,<lb/>
meine Mutter anzuſehn; alles was ich ſonſt gern<lb/>
that, iſt mir jetzt zur Laſt, mir iſt, als gehoͤrt<lb/>
ich gar nicht mehr in dieſes Haus. — Ich<lb/>
moͤchte einſam und unbemerkt im Winkel ſitzen,<lb/>
und den ganzen Tag uͤber weinen. Ach, An-<lb/>
thonio! was haſt Du aus mir gemacht? — Ich<lb/>
lebte ſo ſtill vor mich hin, und war mit allem<lb/>
zufrieden, und jetzt iſt mir das ganze Haus zu<lb/>
enge, ich denke unaufhoͤrlich an Dich und an<lb/>
geſtern, und mit einer quaͤlenden Unruhe; mein<lb/>
Herz ſchlaͤgt ſchwer und gewaltſam. O komm<lb/>
heut recht fruͤh, damit ich nur wieder ein paar<lb/>
Augen finde, die ich anſehn darf, und die ich,<lb/>
ach! ſo gern betrachte.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[191/0197]
51.
Roſaline an Anthonio.
Ach, Anthonio, Anthonio! Komm doch ſo-
bald, als moͤglich. Ich getraue mich gar nicht,
meine Mutter anzuſehn; alles was ich ſonſt gern
that, iſt mir jetzt zur Laſt, mir iſt, als gehoͤrt
ich gar nicht mehr in dieſes Haus. — Ich
moͤchte einſam und unbemerkt im Winkel ſitzen,
und den ganzen Tag uͤber weinen. Ach, An-
thonio! was haſt Du aus mir gemacht? — Ich
lebte ſo ſtill vor mich hin, und war mit allem
zufrieden, und jetzt iſt mir das ganze Haus zu
enge, ich denke unaufhoͤrlich an Dich und an
geſtern, und mit einer quaͤlenden Unruhe; mein
Herz ſchlaͤgt ſchwer und gewaltſam. O komm
heut recht fruͤh, damit ich nur wieder ein paar
Augen finde, die ich anſehn darf, und die ich,
ach! ſo gern betrachte.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/197>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.