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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

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nes Herzens führte und ihm jenes reine und
ewige Feuer zeigte, welches der holden Gottheit
lodert? Würde er so hart seyn, mich von dem
Bilde zurückzureissen, mir meine schönsten Em-
pfindungen zu nehmen, die Hallen des Tempels
zu schleifen, um von den Ruinen eine armseeli-
ge Hütte zu erbauen? -- Aber ich fürchte, mein
Vater betrachtet mein Glück aus einem ganz
verschiedenen Standpunkte, er ist älter und je-
nes schöne Morgenroth der Phantasie ist von
der Gegend verflogen, er mißt mit dem Maas-
stabe der Vernunft die Verhältnisse des Palla-
stes, wo der jüngere Enthusiast in einer trunke-
nen Begeisterung anstaunt, -- ach Eduard, er
berechnet vielleicht mein Glück, indem ich
wünsche daß er es fühlen möchte, er sucht
mir vielleicht eine frohe Zukunft vorzubereiten
und schiebt mir seine Empfindungen unter; er
knüpft Verbindungen, um mir Ansehn zu ver-
schaffen, um mich in der großen Welt empor zu
heben, ohne daran zu denken, daß ich den länd-
lichen Schatten des Waldes vorziehe und in
jener großen Welt nur ein unendliches Chaos
von Armseeligkeiten erblicke.

Ich habe hier einige Tage in einer süßen

nes Herzens fuͤhrte und ihm jenes reine und
ewige Feuer zeigte, welches der holden Gottheit
lodert? Wuͤrde er ſo hart ſeyn, mich von dem
Bilde zuruͤckzureiſſen, mir meine ſchoͤnſten Em-
pfindungen zu nehmen, die Hallen des Tempels
zu ſchleifen, um von den Ruinen eine armſeeli-
ge Huͤtte zu erbauen? — Aber ich fuͤrchte, mein
Vater betrachtet mein Gluͤck aus einem ganz
verſchiedenen Standpunkte, er iſt aͤlter und je-
nes ſchoͤne Morgenroth der Phantaſie iſt von
der Gegend verflogen, er mißt mit dem Maas-
ſtabe der Vernunft die Verhaͤltniſſe des Palla-
ſtes, wo der juͤngere Enthuſiaſt in einer trunke-
nen Begeiſterung anſtaunt, — ach Eduard, er
berechnet vielleicht mein Gluͤck, indem ich
wuͤnſche daß er es fuͤhlen moͤchte, er ſucht
mir vielleicht eine frohe Zukunft vorzubereiten
und ſchiebt mir ſeine Empfindungen unter; er
knuͤpft Verbindungen, um mir Anſehn zu ver-
ſchaffen, um mich in der großen Welt empor zu
heben, ohne daran zu denken, daß ich den laͤnd-
lichen Schatten des Waldes vorziehe und in
jener großen Welt nur ein unendliches Chaos
von Armſeeligkeiten erblicke.

Ich habe hier einige Tage in einer ſuͤßen

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[36[34]/0044] nes Herzens fuͤhrte und ihm jenes reine und ewige Feuer zeigte, welches der holden Gottheit lodert? Wuͤrde er ſo hart ſeyn, mich von dem Bilde zuruͤckzureiſſen, mir meine ſchoͤnſten Em- pfindungen zu nehmen, die Hallen des Tempels zu ſchleifen, um von den Ruinen eine armſeeli- ge Huͤtte zu erbauen? — Aber ich fuͤrchte, mein Vater betrachtet mein Gluͤck aus einem ganz verſchiedenen Standpunkte, er iſt aͤlter und je- nes ſchoͤne Morgenroth der Phantaſie iſt von der Gegend verflogen, er mißt mit dem Maas- ſtabe der Vernunft die Verhaͤltniſſe des Palla- ſtes, wo der juͤngere Enthuſiaſt in einer trunke- nen Begeiſterung anſtaunt, — ach Eduard, er berechnet vielleicht mein Gluͤck, indem ich wuͤnſche daß er es fuͤhlen moͤchte, er ſucht mir vielleicht eine frohe Zukunft vorzubereiten und ſchiebt mir ſeine Empfindungen unter; er knuͤpft Verbindungen, um mir Anſehn zu ver- ſchaffen, um mich in der großen Welt empor zu heben, ohne daran zu denken, daß ich den laͤnd- lichen Schatten des Waldes vorziehe und in jener großen Welt nur ein unendliches Chaos von Armſeeligkeiten erblicke. Ich habe hier einige Tage in einer ſuͤßen

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 36[34]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/44>, abgerufen am 28.03.2024.