In einigen Tagen komme ich zu Dir zurück, um auf lange Abschied zu nehmen. Mein Va- ter wünscht meine Abreise aus England früher, er ist fast immer krank und ich fürchte wirklich viel für ihn. Es ist also Kindespflicht, es ist die Pflicht des Menschen, daß ich jedem seiner Wünsche zuvorkomme, es könnte sonst eine Zeit kommen, wo es mich sehr reuen würde, nicht ganz seine Zärtlichkeit gegen mich erwiedert zu haben. -- Mein Vater wohnt izt nahe bei Lon- don -- und Eduard, ich werde sie wiedersehn! -- Meine traurigen Ahndungen sind izt nichts als Träume gewesen, über deren Schrecken man beim Aufgange der Sonne lacht. Hofnungen wachen in meinem Busen auf, ich vertraue der Liebe meines Vaters; wenn ich es nun wagte, ihm ein Gemählde won dem Glücke zu entwer- fen, wie ich es in ihren Armen genießen werde, wenn ich ihn in das innerste Heiligthum mei-
C 2
9. William Lovell an ſeinen Freund Eduard Burton.
Waterhall.
In einigen Tagen komme ich zu Dir zuruͤck, um auf lange Abſchied zu nehmen. Mein Va- ter wuͤnſcht meine Abreiſe aus England fruͤher, er iſt faſt immer krank und ich fuͤrchte wirklich viel fuͤr ihn. Es iſt alſo Kindespflicht, es iſt die Pflicht des Menſchen, daß ich jedem ſeiner Wuͤnſche zuvorkomme, es koͤnnte ſonſt eine Zeit kommen, wo es mich ſehr reuen wuͤrde, nicht ganz ſeine Zaͤrtlichkeit gegen mich erwiedert zu haben. — Mein Vater wohnt izt nahe bei Lon- don — und Eduard, ich werde ſie wiederſehn! — Meine traurigen Ahndungen ſind izt nichts als Traͤume geweſen, uͤber deren Schrecken man beim Aufgange der Sonne lacht. Hofnungen wachen in meinem Buſen auf, ich vertraue der Liebe meines Vaters; wenn ich es nun wagte, ihm ein Gemaͤhlde won dem Gluͤcke zu entwer- fen, wie ich es in ihren Armen genießen werde, wenn ich ihn in das innerſte Heiligthum mei-
C 2
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0043"n="35[33]"/><divn="2"><head>9.<lb/>
William Lovell an ſeinen Freund Eduard<lb/>
Burton.</head><lb/><dateline><hirendition="#et">Waterhall.</hi></dateline><lb/><p><hirendition="#in">I</hi>n einigen Tagen komme ich zu Dir zuruͤck,<lb/>
um auf lange Abſchied zu nehmen. Mein Va-<lb/>
ter wuͤnſcht meine Abreiſe aus England fruͤher,<lb/>
er iſt faſt immer krank und ich fuͤrchte wirklich<lb/>
viel fuͤr ihn. Es iſt alſo Kindespflicht, es iſt<lb/>
die Pflicht des Menſchen, daß ich jedem ſeiner<lb/>
Wuͤnſche zuvorkomme, es koͤnnte ſonſt eine Zeit<lb/>
kommen, wo es mich ſehr reuen wuͤrde, nicht<lb/>
ganz ſeine Zaͤrtlichkeit gegen mich erwiedert zu<lb/>
haben. — Mein Vater wohnt izt nahe bei Lon-<lb/>
don — und Eduard, ich werde ſie wiederſehn! —<lb/>
Meine traurigen Ahndungen ſind izt nichts als<lb/>
Traͤume geweſen, uͤber deren Schrecken man<lb/>
beim Aufgange der Sonne lacht. Hofnungen<lb/>
wachen in meinem Buſen auf, ich vertraue der<lb/>
Liebe meines Vaters; wenn ich es nun wagte,<lb/>
ihm ein Gemaͤhlde won dem Gluͤcke zu entwer-<lb/>
fen, wie ich es in ihren Armen genießen werde,<lb/>
wenn ich ihn in das innerſte Heiligthum mei-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">C 2</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[35[33]/0043]
9.
William Lovell an ſeinen Freund Eduard
Burton.
Waterhall.
In einigen Tagen komme ich zu Dir zuruͤck,
um auf lange Abſchied zu nehmen. Mein Va-
ter wuͤnſcht meine Abreiſe aus England fruͤher,
er iſt faſt immer krank und ich fuͤrchte wirklich
viel fuͤr ihn. Es iſt alſo Kindespflicht, es iſt
die Pflicht des Menſchen, daß ich jedem ſeiner
Wuͤnſche zuvorkomme, es koͤnnte ſonſt eine Zeit
kommen, wo es mich ſehr reuen wuͤrde, nicht
ganz ſeine Zaͤrtlichkeit gegen mich erwiedert zu
haben. — Mein Vater wohnt izt nahe bei Lon-
don — und Eduard, ich werde ſie wiederſehn! —
Meine traurigen Ahndungen ſind izt nichts als
Traͤume geweſen, uͤber deren Schrecken man
beim Aufgange der Sonne lacht. Hofnungen
wachen in meinem Buſen auf, ich vertraue der
Liebe meines Vaters; wenn ich es nun wagte,
ihm ein Gemaͤhlde won dem Gluͤcke zu entwer-
fen, wie ich es in ihren Armen genießen werde,
wenn ich ihn in das innerſte Heiligthum mei-
C 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 35[33]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/43>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.