sondern setze meine Träume fort. -- Heulende Orkane jagen hinter mir her und betäuben mich mit ihrem Brausen; ich fahre erbleichend zu- sammen, wenn ich meine Hand aufhebe: wer ist der Fremdling, frag' ich erschrocken, der mir den Arm zum Gruße entgegenstreckt? -- Ich greife ängstlich darnach und ergreife schaudernd meine eigne, leichenkalte Hand, wie ein fremd- artiges Stück, das mir nicht zugehört. -- Phan- tome jagen sich mir vorüber, die alle mein Blut in Eis verwandeln. Fürchterliche Gesichter drängen sich aus der Mauer, und wenn ich hin- ter mich sehe, streckt sich mir ein schneebleiches Antlitz entgegen und begrüßt mich mit wehmü- thig entsetzlichem Lächeln. -- Komm William und rette mich, -- je nun, so komm, komm doch! hörst Du nicht das ängstliche Geschrei Deines armen Freundes? -- Du lachst? O wehe Dir und mir, wenn du mich verspottest; dann schicke ich Dir einst alle Gespenster zu, daß sie Dir auch den Schlaf und die Ruhe wegquälen. -- Vergieb mir, aber komm.
Eine blinde Wuth könnte mich ergreifen, wenn ich das armseelige Geschwätz der Aerzte von Fieberhitze und Paroxismus höre. Die
ſondern ſetze meine Traͤume fort. — Heulende Orkane jagen hinter mir her und betaͤuben mich mit ihrem Brauſen; ich fahre erbleichend zu- ſammen, wenn ich meine Hand aufhebe: wer iſt der Fremdling, frag’ ich erſchrocken, der mir den Arm zum Gruße entgegenſtreckt? — Ich greife aͤngſtlich darnach und ergreife ſchaudernd meine eigne, leichenkalte Hand, wie ein fremd- artiges Stuͤck, das mir nicht zugehoͤrt. — Phan- tome jagen ſich mir voruͤber, die alle mein Blut in Eis verwandeln. Fuͤrchterliche Geſichter draͤngen ſich aus der Mauer, und wenn ich hin- ter mich ſehe, ſtreckt ſich mir ein ſchneebleiches Antlitz entgegen und begruͤßt mich mit wehmuͤ- thig entſetzlichem Laͤcheln. — Komm William und rette mich, — je nun, ſo komm, komm doch! hoͤrſt Du nicht das aͤngſtliche Geſchrei Deines armen Freundes? — Du lachſt? O wehe Dir und mir, wenn du mich verſpotteſt; dann ſchicke ich Dir einſt alle Geſpenſter zu, daß ſie Dir auch den Schlaf und die Ruhe wegquaͤlen. — Vergieb mir, aber komm.
Eine blinde Wuth koͤnnte mich ergreifen, wenn ich das armſeelige Geſchwaͤtz der Aerzte von Fieberhitze und Paroxismus hoͤre. Die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0341"n="333[331]"/>ſondern ſetze meine Traͤume fort. — Heulende<lb/>
Orkane jagen hinter mir her und betaͤuben mich<lb/>
mit ihrem Brauſen; ich fahre erbleichend zu-<lb/>ſammen, wenn ich meine Hand aufhebe: wer iſt<lb/>
der Fremdling, frag’ ich erſchrocken, der mir<lb/>
den Arm zum Gruße entgegenſtreckt? — Ich<lb/>
greife aͤngſtlich darnach und ergreife ſchaudernd<lb/>
meine eigne, leichenkalte Hand, wie ein fremd-<lb/>
artiges Stuͤck, das mir nicht zugehoͤrt. — Phan-<lb/>
tome jagen ſich mir voruͤber, die alle mein Blut<lb/>
in Eis verwandeln. Fuͤrchterliche Geſichter<lb/>
draͤngen ſich aus der Mauer, und wenn ich hin-<lb/>
ter mich ſehe, ſtreckt ſich mir ein ſchneebleiches<lb/>
Antlitz entgegen und begruͤßt mich mit wehmuͤ-<lb/>
thig entſetzlichem Laͤcheln. — Komm William<lb/>
und rette mich, — je nun, ſo komm, komm<lb/>
doch! hoͤrſt Du nicht das aͤngſtliche Geſchrei<lb/>
Deines armen Freundes? — Du lachſt? O<lb/>
wehe Dir und mir, wenn du mich verſpotteſt;<lb/>
dann ſchicke ich Dir einſt alle Geſpenſter zu,<lb/>
daß ſie Dir auch den Schlaf und die Ruhe<lb/>
wegquaͤlen. — Vergieb mir, aber komm.</p><lb/><p>Eine blinde Wuth koͤnnte mich ergreifen,<lb/>
wenn ich das armſeelige Geſchwaͤtz der Aerzte<lb/>
von Fieberhitze und Paroxismus hoͤre. Die<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[333[331]/0341]
ſondern ſetze meine Traͤume fort. — Heulende
Orkane jagen hinter mir her und betaͤuben mich
mit ihrem Brauſen; ich fahre erbleichend zu-
ſammen, wenn ich meine Hand aufhebe: wer iſt
der Fremdling, frag’ ich erſchrocken, der mir
den Arm zum Gruße entgegenſtreckt? — Ich
greife aͤngſtlich darnach und ergreife ſchaudernd
meine eigne, leichenkalte Hand, wie ein fremd-
artiges Stuͤck, das mir nicht zugehoͤrt. — Phan-
tome jagen ſich mir voruͤber, die alle mein Blut
in Eis verwandeln. Fuͤrchterliche Geſichter
draͤngen ſich aus der Mauer, und wenn ich hin-
ter mich ſehe, ſtreckt ſich mir ein ſchneebleiches
Antlitz entgegen und begruͤßt mich mit wehmuͤ-
thig entſetzlichem Laͤcheln. — Komm William
und rette mich, — je nun, ſo komm, komm
doch! hoͤrſt Du nicht das aͤngſtliche Geſchrei
Deines armen Freundes? — Du lachſt? O
wehe Dir und mir, wenn du mich verſpotteſt;
dann ſchicke ich Dir einſt alle Geſpenſter zu,
daß ſie Dir auch den Schlaf und die Ruhe
wegquaͤlen. — Vergieb mir, aber komm.
Eine blinde Wuth koͤnnte mich ergreifen,
wenn ich das armſeelige Geſchwaͤtz der Aerzte
von Fieberhitze und Paroxismus hoͤre. Die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 333[331]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/341>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.