ohne an Glück zu verliehren. -- Ach, Eduard, -- wenn sie mich liebte! -- Mein volles Herz will vor Wehmuth bei dem Gedanken zerspringen, -- wenn sie mich liebte, -- warum bin ich dann nicht an ihren Busen gesunken, -- warum sitz' ich dann hier und schreibe nieder, was ich em- pfinde und empfinden könnte? -- Als der freie Platz im Walde kam, wo wir Abschied nehmen wollten, -- alle Bäume und Hügel schwankten um mich her, -- eine unbeschreibliche Angst drängte und wühlte in meinem Busen, -- der Wagen wollte halten, ich ließ ihn weiter fahren und so immer in Gedanken von einem Baume zum an- dern fort, -- immer noch eine kurze Frist gewon- nen, in der ich sie sah, in der ich den Klang ihrer Stimme hörte, -- endlich stand der Wa- gen. -- Wir stiegen ab. -- Sie umarmte ihren Bruder lange Zeit, -- ich nahte mich zitternd, -- ich wünschte diesen Augenblick im Innersten mei- nes Herzens vorüber, -- sie neigte sich mir ent- gegen, -- ich schwankte und sahe sie an, -- ich war im Begriffe in ihre Arme zu stürzen, -- -- ich bog mich ihr entgegen und küßte ihre Wan- ge, -- eine eisige Kälte überflog mich, -- der Wagen rollte fort.
ohne an Gluͤck zu verliehren. — Ach, Eduard, — wenn ſie mich liebte! — Mein volles Herz will vor Wehmuth bei dem Gedanken zerſpringen, — wenn ſie mich liebte, — warum bin ich dann nicht an ihren Buſen geſunken, — warum ſitz’ ich dann hier und ſchreibe nieder, was ich em- pfinde und empfinden koͤnnte? — Als der freie Platz im Walde kam, wo wir Abſchied nehmen wollten, — alle Baͤume und Huͤgel ſchwankten um mich her, — eine unbeſchreibliche Angſt draͤngte und wuͤhlte in meinem Buſen, — der Wagen wollte halten, ich ließ ihn weiter fahren und ſo immer in Gedanken von einem Baume zum an- dern fort, — immer noch eine kurze Friſt gewon- nen, in der ich ſie ſah, in der ich den Klang ihrer Stimme hoͤrte, — endlich ſtand der Wa- gen. — Wir ſtiegen ab. — Sie umarmte ihren Bruder lange Zeit, — ich nahte mich zitternd, — ich wuͤnſchte dieſen Augenblick im Innerſten mei- nes Herzens voruͤber, — ſie neigte ſich mir ent- gegen, — ich ſchwankte und ſahe ſie an, — ich war im Begriffe in ihre Arme zu ſtuͤrzen, — — ich bog mich ihr entgegen und kuͤßte ihre Wan- ge, — eine eiſige Kaͤlte uͤberflog mich, — der Wagen rollte fort.
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[25[23]/0033]
ohne an Gluͤck zu verliehren. — Ach, Eduard, —
wenn ſie mich liebte! — Mein volles Herz will
vor Wehmuth bei dem Gedanken zerſpringen, —
wenn ſie mich liebte, — warum bin ich dann
nicht an ihren Buſen geſunken, — warum ſitz’
ich dann hier und ſchreibe nieder, was ich em-
pfinde und empfinden koͤnnte? — Als der freie
Platz im Walde kam, wo wir Abſchied nehmen
wollten, — alle Baͤume und Huͤgel ſchwankten um
mich her, — eine unbeſchreibliche Angſt draͤngte
und wuͤhlte in meinem Buſen, — der Wagen
wollte halten, ich ließ ihn weiter fahren und ſo
immer in Gedanken von einem Baume zum an-
dern fort, — immer noch eine kurze Friſt gewon-
nen, in der ich ſie ſah, in der ich den Klang
ihrer Stimme hoͤrte, — endlich ſtand der Wa-
gen. — Wir ſtiegen ab. — Sie umarmte ihren
Bruder lange Zeit, — ich nahte mich zitternd, —
ich wuͤnſchte dieſen Augenblick im Innerſten mei-
nes Herzens voruͤber, — ſie neigte ſich mir ent-
gegen, — ich ſchwankte und ſahe ſie an, — ich
war im Begriffe in ihre Arme zu ſtuͤrzen, — —
ich bog mich ihr entgegen und kuͤßte ihre Wan-
ge, — eine eiſige Kaͤlte uͤberflog mich, — der
Wagen rollte fort.
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 25[23]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/33>, abgerufen am 24.11.2024.
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