klären!) daß ein Genuß nie unser Herz ganz ausfüllt? -- Welche unnennbare, wehmüthige Sehnsucht ist es, die mich zu neuen ungekann- ten Freuden drängt? -- Im vollen Gefühle mei- nes Glücks, auf der höchsten Stufe meiner Be- geisterung ergreift mich kalt und gewaltsam eine Nüchternheit, eine dunkle Ahndung, -- wie soll ich es Dir beschreiben? Wie ein feuch- ter nüchterner Morgenwind auf der Spitze des Berges nach einer durchwachten Nacht, wie das Auffahren aus einem schönen Traume in einem engen trüben Zimmer. -- Ehedem glaubt' ich, dieses beklemmende Gefühl sey Sehnsucht nach Liebe, Drang der Seele, sich in Gegenlie- be zu verjüngen, -- aber es ist nicht das, auch neben Amalien quält mich diese tyrannische Empfindung, die, wenn sie Herrscherinn in mei- ner Seele würde, mich in einer ewigen Her- zensleerheit von Pol zu Pol jagen könnte. Ein solches Wesen müßte das elendeste unter Got- tes Himmel seyn: jede Freude flieht heimtückisch zurück indem er darnach greift, er steht, wie ein vom Schicksale verhöhnter Tantalus in der Natur da, wie Ixion wird er in einem unauf- hörlichen martervollen Wirbel herumgejagt: auf
klaͤren!) daß ein Genuß nie unſer Herz ganz ausfuͤllt? — Welche unnennbare, wehmuͤthige Sehnſucht iſt es, die mich zu neuen ungekann- ten Freuden draͤngt? — Im vollen Gefuͤhle mei- nes Gluͤcks, auf der hoͤchſten Stufe meiner Be- geiſterung ergreift mich kalt und gewaltſam eine Nuͤchternheit, eine dunkle Ahndung, — wie ſoll ich es Dir beſchreiben? Wie ein feuch- ter nuͤchterner Morgenwind auf der Spitze des Berges nach einer durchwachten Nacht, wie das Auffahren aus einem ſchoͤnen Traume in einem engen truͤben Zimmer. — Ehedem glaubt’ ich, dieſes beklemmende Gefuͤhl ſey Sehnſucht nach Liebe, Drang der Seele, ſich in Gegenlie- be zu verjuͤngen, — aber es iſt nicht das, auch neben Amalien quaͤlt mich dieſe tyranniſche Empfindung, die, wenn ſie Herrſcherinn in mei- ner Seele wuͤrde, mich in einer ewigen Her- zensleerheit von Pol zu Pol jagen koͤnnte. Ein ſolches Weſen muͤßte das elendeſte unter Got- tes Himmel ſeyn: jede Freude flieht heimtuͤckiſch zuruͤck indem er darnach greift, er ſteht, wie ein vom Schickſale verhoͤhnter Tantalus in der Natur da, wie Ixion wird er in einem unauf- hoͤrlichen martervollen Wirbel herumgejagt: auf
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[235[233]/0243]
klaͤren!) daß ein Genuß nie unſer Herz ganz
ausfuͤllt? — Welche unnennbare, wehmuͤthige
Sehnſucht iſt es, die mich zu neuen ungekann-
ten Freuden draͤngt? — Im vollen Gefuͤhle mei-
nes Gluͤcks, auf der hoͤchſten Stufe meiner Be-
geiſterung ergreift mich kalt und gewaltſam
eine Nuͤchternheit, eine dunkle Ahndung, —
wie ſoll ich es Dir beſchreiben? Wie ein feuch-
ter nuͤchterner Morgenwind auf der Spitze des
Berges nach einer durchwachten Nacht, wie
das Auffahren aus einem ſchoͤnen Traume in
einem engen truͤben Zimmer. — Ehedem glaubt’
ich, dieſes beklemmende Gefuͤhl ſey Sehnſucht
nach Liebe, Drang der Seele, ſich in Gegenlie-
be zu verjuͤngen, — aber es iſt nicht das, auch
neben Amalien quaͤlt mich dieſe tyranniſche
Empfindung, die, wenn ſie Herrſcherinn in mei-
ner Seele wuͤrde, mich in einer ewigen Her-
zensleerheit von Pol zu Pol jagen koͤnnte. Ein
ſolches Weſen muͤßte das elendeſte unter Got-
tes Himmel ſeyn: jede Freude flieht heimtuͤckiſch
zuruͤck indem er darnach greift, er ſteht, wie
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Natur da, wie Ixion wird er in einem unauf-
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 235[233]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/243>, abgerufen am 22.11.2024.
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