Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

besser. -- Aber denkst Du, daß ich es wage,
ihm so etwas zu sagen? -- Nie. -- Sonderbar,
daß ein Mensch vorsetzlich einschlafen kann und
sich nachher nicht aus seinen Träumen will wek-
ken lassen, weil er sich schon wachend glaubt, --
und ihn mit kaltem Wasser zu begießen, halt'
ich für grausam.

Du siehst, wie mir die Landluft bekömmt,
ich, ich fange an zu moralisiren, -- doch, auch
das gehört unter die menschlichen Schwächen
und irgend eine Abgabe zur allgemeinen Kasse
der Menschlichkeit muß doch jeder brave Erd-
bürger einreichen.

Gott schenke Dir ein recht langes Leben, da-
mit ich mir keinen Vorwurf daraus zu machen
brauche, daß ich Dir durch einen langen Brief
so viel von Deiner Zeit genommen habe; doch
willst Du mein Freund bleiben, so soll es mich
eben nicht sehr gereuen, noch hinzuzusetzen, daß
ich bin

der Deinige.

Nachschrift. So eben lese ich meinen
Brief noch einmal durch und bemerke mit Schrek-
ken, daß ich Dir einen Bündel Stroh schicken,

beſſer. — Aber denkſt Du, daß ich es wage,
ihm ſo etwas zu ſagen? — Nie. — Sonderbar,
daß ein Menſch vorſetzlich einſchlafen kann und
ſich nachher nicht aus ſeinen Traͤumen will wek-
ken laſſen, weil er ſich ſchon wachend glaubt, —
und ihn mit kaltem Waſſer zu begießen, halt’
ich fuͤr grauſam.

Du ſiehſt, wie mir die Landluft bekoͤmmt,
ich, ich fange an zu moraliſiren, — doch, auch
das gehoͤrt unter die menſchlichen Schwaͤchen
und irgend eine Abgabe zur allgemeinen Kaſſe
der Menſchlichkeit muß doch jeder brave Erd-
buͤrger einreichen.

Gott ſchenke Dir ein recht langes Leben, da-
mit ich mir keinen Vorwurf daraus zu machen
brauche, daß ich Dir durch einen langen Brief
ſo viel von Deiner Zeit genommen habe; doch
willſt Du mein Freund bleiben, ſo ſoll es mich
eben nicht ſehr gereuen, noch hinzuzuſetzen, daß
ich bin

der Deinige.

Nachſchrift. So eben leſe ich meinen
Brief noch einmal durch und bemerke mit Schrek-
ken, daß ich Dir einen Buͤndel Stroh ſchicken,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0023" n="13"/>
be&#x017F;&#x017F;er. &#x2014; Aber denk&#x017F;t Du, daß ich es wage,<lb/>
ihm &#x017F;o etwas zu &#x017F;agen? &#x2014; Nie. &#x2014; Sonderbar,<lb/>
daß ein Men&#x017F;ch vor&#x017F;etzlich ein&#x017F;chlafen kann und<lb/>
&#x017F;ich nachher nicht aus &#x017F;einen Tra&#x0364;umen will wek-<lb/>
ken la&#x017F;&#x017F;en, weil er &#x017F;ich &#x017F;chon wachend glaubt, &#x2014;<lb/>
und ihn mit kaltem Wa&#x017F;&#x017F;er zu begießen, halt&#x2019;<lb/>
ich fu&#x0364;r grau&#x017F;am.</p><lb/>
          <p>Du &#x017F;ieh&#x017F;t, wie mir die Landluft beko&#x0364;mmt,<lb/>
ich, <hi rendition="#g">ich</hi> fange an zu morali&#x017F;iren, &#x2014; doch, auch<lb/>
das geho&#x0364;rt unter die men&#x017F;chlichen Schwa&#x0364;chen<lb/>
und irgend <hi rendition="#g">eine</hi> Abgabe zur allgemeinen Ka&#x017F;&#x017F;e<lb/>
der Men&#x017F;chlichkeit muß doch jeder brave Erd-<lb/>
bu&#x0364;rger einreichen.</p><lb/>
          <p>Gott &#x017F;chenke Dir ein recht langes Leben, da-<lb/>
mit ich mir keinen Vorwurf daraus zu machen<lb/>
brauche, daß ich Dir durch einen langen Brief<lb/>
&#x017F;o viel von Deiner Zeit genommen habe; doch<lb/>
will&#x017F;t Du mein Freund bleiben, &#x017F;o &#x017F;oll es mich<lb/>
eben nicht &#x017F;ehr gereuen, noch hinzuzu&#x017F;etzen, daß<lb/>
ich bin</p><lb/>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#et"><hi rendition="#g">der Deinige</hi>.</hi> </salute>
          </closer><lb/>
          <postscript>
            <p><hi rendition="#g">Nach&#x017F;chrift</hi>. So eben le&#x017F;e ich meinen<lb/>
Brief noch einmal durch und bemerke mit Schrek-<lb/>
ken, daß ich Dir einen Bu&#x0364;ndel Stroh &#x017F;chicken,<lb/></p>
          </postscript>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0023] beſſer. — Aber denkſt Du, daß ich es wage, ihm ſo etwas zu ſagen? — Nie. — Sonderbar, daß ein Menſch vorſetzlich einſchlafen kann und ſich nachher nicht aus ſeinen Traͤumen will wek- ken laſſen, weil er ſich ſchon wachend glaubt, — und ihn mit kaltem Waſſer zu begießen, halt’ ich fuͤr grauſam. Du ſiehſt, wie mir die Landluft bekoͤmmt, ich, ich fange an zu moraliſiren, — doch, auch das gehoͤrt unter die menſchlichen Schwaͤchen und irgend eine Abgabe zur allgemeinen Kaſſe der Menſchlichkeit muß doch jeder brave Erd- buͤrger einreichen. Gott ſchenke Dir ein recht langes Leben, da- mit ich mir keinen Vorwurf daraus zu machen brauche, daß ich Dir durch einen langen Brief ſo viel von Deiner Zeit genommen habe; doch willſt Du mein Freund bleiben, ſo ſoll es mich eben nicht ſehr gereuen, noch hinzuzuſetzen, daß ich bin der Deinige. Nachſchrift. So eben leſe ich meinen Brief noch einmal durch und bemerke mit Schrek- ken, daß ich Dir einen Buͤndel Stroh ſchicken,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/23
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/23>, abgerufen am 26.04.2024.