Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

Mein beständiger Gesellschafter ist William
Lovell
, der lebhafte, muntre Jüngling, den Du
im vorigen Jahre einigemahl in London sahst,
er ist zum Besuche seines Busenfreundes Eduard
Burton
hier. William ist ein vortreflicher
junger Mann, der mir noch viel theurer seyn
würde, wenn er nur einmal erst neben mir festen
Fuß fassen wollte; aber er gedeiht in keinem
Boden. Kein Adler steht mit dem Aether und
allen himmlischen Lüften in so gutem Ver-
nehmen, als er; oft fliegt er mir so weit
aus den Augen, daß ich ganz im Ernste an
den armen Ikarus denke, -- mit einem Wort:
er ist ein Schwärmer. -- Wenn ein solches
Wesen einst fühlt, wie die Kraft seiner Fitti-
ge erlahmt, wie die Luft unter ihm nach-
giebt, der er sich vertraute, -- so läßt er sich
blindlings herunterfallen, seine Flügel werden
zerknickt und er muß nachher in Ewigkeit
kriechen.

Es mag an feuchten Abenden, besonders für
einen Mann im Amte, recht angenehm seyn,
einen weiten warmen Mantel zu tragen, -- aber
wenn man ihn nie ablegen sollte, wenn man ihn
zum Schlafrocke und zum Jagdkleide brauchen

Mein beſtaͤndiger Geſellſchafter iſt William
Lovell
, der lebhafte, muntre Juͤngling, den Du
im vorigen Jahre einigemahl in London ſahſt,
er iſt zum Beſuche ſeines Buſenfreundes Eduard
Burton
hier. William iſt ein vortreflicher
junger Mann, der mir noch viel theurer ſeyn
wuͤrde, wenn er nur einmal erſt neben mir feſten
Fuß faſſen wollte; aber er gedeiht in keinem
Boden. Kein Adler ſteht mit dem Aether und
allen himmliſchen Luͤften in ſo gutem Ver-
nehmen, als er; oft fliegt er mir ſo weit
aus den Augen, daß ich ganz im Ernſte an
den armen Ikarus denke, — mit einem Wort:
er iſt ein Schwaͤrmer. — Wenn ein ſolches
Weſen einſt fuͤhlt, wie die Kraft ſeiner Fitti-
ge erlahmt, wie die Luft unter ihm nach-
giebt, der er ſich vertraute, — ſo laͤßt er ſich
blindlings herunterfallen, ſeine Fluͤgel werden
zerknickt und er muß nachher in Ewigkeit
kriechen.

Es mag an feuchten Abenden, beſonders fuͤr
einen Mann im Amte, recht angenehm ſeyn,
einen weiten warmen Mantel zu tragen, — aber
wenn man ihn nie ablegen ſollte, wenn man ihn
zum Schlafrocke und zum Jagdkleide brauchen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0018" n="8"/>
          <p>Mein be&#x017F;ta&#x0364;ndiger Ge&#x017F;ell&#x017F;chafter i&#x017F;t <hi rendition="#g">William<lb/>
Lovell</hi>, der lebhafte, muntre Ju&#x0364;ngling, den Du<lb/>
im vorigen Jahre einigemahl in London &#x017F;ah&#x017F;t,<lb/>
er i&#x017F;t zum Be&#x017F;uche &#x017F;eines <choice><sic>Bu&#x017F;enfr&#xFFFC;undes</sic><corr>Bu&#x017F;enfreundes</corr></choice> <hi rendition="#g">Eduard<lb/>
Burton</hi> hier. William i&#x017F;t ein vortreflicher<lb/>
junger Mann, der mir noch viel theurer &#x017F;eyn<lb/>
wu&#x0364;rde, wenn er nur einmal er&#x017F;t neben mir fe&#x017F;ten<lb/>
Fuß fa&#x017F;&#x017F;en wollte; aber er gedeiht in keinem<lb/>
Boden. Kein Adler &#x017F;teht mit dem Aether und<lb/>
allen himmli&#x017F;chen Lu&#x0364;ften in &#x017F;o gutem Ver-<lb/>
nehmen, als er; oft fliegt er mir &#x017F;o weit<lb/>
aus den Augen, daß ich ganz im Ern&#x017F;te an<lb/>
den armen Ikarus denke, &#x2014; mit einem Wort:<lb/>
er i&#x017F;t ein Schwa&#x0364;rmer. &#x2014; Wenn ein &#x017F;olches<lb/>
We&#x017F;en ein&#x017F;t fu&#x0364;hlt, wie die Kraft &#x017F;einer Fitti-<lb/>
ge erlahmt, wie die Luft unter ihm nach-<lb/>
giebt, der er &#x017F;ich vertraute, &#x2014; &#x017F;o la&#x0364;ßt er &#x017F;ich<lb/>
blindlings herunterfallen, &#x017F;eine Flu&#x0364;gel werden<lb/>
zerknickt und er muß nachher in Ewigkeit<lb/><hi rendition="#g">kriechen</hi>.</p><lb/>
          <p>Es mag an feuchten Abenden, be&#x017F;onders fu&#x0364;r<lb/>
einen Mann im Amte, recht angenehm &#x017F;eyn,<lb/>
einen weiten warmen Mantel zu tragen, &#x2014; aber<lb/>
wenn man ihn nie ablegen &#x017F;ollte, wenn man ihn<lb/>
zum Schlafrocke und zum Jagdkleide brauchen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0018] Mein beſtaͤndiger Geſellſchafter iſt William Lovell, der lebhafte, muntre Juͤngling, den Du im vorigen Jahre einigemahl in London ſahſt, er iſt zum Beſuche ſeines Buſenfreundes Eduard Burton hier. William iſt ein vortreflicher junger Mann, der mir noch viel theurer ſeyn wuͤrde, wenn er nur einmal erſt neben mir feſten Fuß faſſen wollte; aber er gedeiht in keinem Boden. Kein Adler ſteht mit dem Aether und allen himmliſchen Luͤften in ſo gutem Ver- nehmen, als er; oft fliegt er mir ſo weit aus den Augen, daß ich ganz im Ernſte an den armen Ikarus denke, — mit einem Wort: er iſt ein Schwaͤrmer. — Wenn ein ſolches Weſen einſt fuͤhlt, wie die Kraft ſeiner Fitti- ge erlahmt, wie die Luft unter ihm nach- giebt, der er ſich vertraute, — ſo laͤßt er ſich blindlings herunterfallen, ſeine Fluͤgel werden zerknickt und er muß nachher in Ewigkeit kriechen. Es mag an feuchten Abenden, beſonders fuͤr einen Mann im Amte, recht angenehm ſeyn, einen weiten warmen Mantel zu tragen, — aber wenn man ihn nie ablegen ſollte, wenn man ihn zum Schlafrocke und zum Jagdkleide brauchen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/18
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/18>, abgerufen am 19.04.2024.