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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

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Liebhaber rührt uns durch seine Schönheit, der
andre durch Geschenke, der dritte durch Zärt-
lichkeit, ein vierter durch Aufwand von morali-
schen Maximen und beweglichen Bitten, und
sollt' er selbst unser Onkel seyn. --

Ich kam wieder aus meiner Zerstreuung zu-
rück, meine Eitelkeit, mein Stolz erwachte; ich
schämte mich vor mir selber. So leicht, sagt'
ich zu mir, bin ich also zu bewegen, dem ange-
nehmsten Liebhaber den unangenehmern vorzu-
ziehn? Wie wenig Werth muß mein Verstand
haben, da es so wenig kostet, mich dahin zu
bringen, die Gedanken eines glänzenden Lebens
so leicht aufzuopfern? -- Es fiel mir ein,
wie es vielleicht mehr Eitelkeit als Liebe sei,
die den Grafen zu diesem Schritte triebe.

Der letzte Gedanke that meiner eigenen Ei-
telkeit wehe, es schien mir am Ende doch, daß
er mich wirklich liebe. Ich würde vielleicht
noch einmahl den Kampf mit mir selber ange-
fangen haben, als sich Mortimer und Lovell
melden liessen: da ich also jetzt keine Zeit hat-
te, schob ich mein Nachdenken und alle Em-
pfindungen darüber bis zu einer bequemern
Zeit auf.


Liebhaber ruͤhrt uns durch ſeine Schoͤnheit, der
andre durch Geſchenke, der dritte durch Zaͤrt-
lichkeit, ein vierter durch Aufwand von morali-
ſchen Maximen und beweglichen Bitten, und
ſollt’ er ſelbſt unſer Onkel ſeyn. —

Ich kam wieder aus meiner Zerſtreuung zu-
ruͤck, meine Eitelkeit, mein Stolz erwachte; ich
ſchaͤmte mich vor mir ſelber. So leicht, ſagt’
ich zu mir, bin ich alſo zu bewegen, dem ange-
nehmſten Liebhaber den unangenehmern vorzu-
ziehn? Wie wenig Werth muß mein Verſtand
haben, da es ſo wenig koſtet, mich dahin zu
bringen, die Gedanken eines glaͤnzenden Lebens
ſo leicht aufzuopfern? — Es fiel mir ein,
wie es vielleicht mehr Eitelkeit als Liebe ſei,
die den Grafen zu dieſem Schritte triebe.

Der letzte Gedanke that meiner eigenen Ei-
telkeit wehe, es ſchien mir am Ende doch, daß
er mich wirklich liebe. Ich wuͤrde vielleicht
noch einmahl den Kampf mit mir ſelber ange-
fangen haben, als ſich Mortimer und Lovell
melden lieſſen: da ich alſo jetzt keine Zeit hat-
te, ſchob ich mein Nachdenken und alle Em-
pfindungen daruͤber bis zu einer bequemern
Zeit auf.


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[159[157]/0167] Liebhaber ruͤhrt uns durch ſeine Schoͤnheit, der andre durch Geſchenke, der dritte durch Zaͤrt- lichkeit, ein vierter durch Aufwand von morali- ſchen Maximen und beweglichen Bitten, und ſollt’ er ſelbſt unſer Onkel ſeyn. — Ich kam wieder aus meiner Zerſtreuung zu- ruͤck, meine Eitelkeit, mein Stolz erwachte; ich ſchaͤmte mich vor mir ſelber. So leicht, ſagt’ ich zu mir, bin ich alſo zu bewegen, dem ange- nehmſten Liebhaber den unangenehmern vorzu- ziehn? Wie wenig Werth muß mein Verſtand haben, da es ſo wenig koſtet, mich dahin zu bringen, die Gedanken eines glaͤnzenden Lebens ſo leicht aufzuopfern? — Es fiel mir ein, wie es vielleicht mehr Eitelkeit als Liebe ſei, die den Grafen zu dieſem Schritte triebe. Der letzte Gedanke that meiner eigenen Ei- telkeit wehe, es ſchien mir am Ende doch, daß er mich wirklich liebe. Ich wuͤrde vielleicht noch einmahl den Kampf mit mir ſelber ange- fangen haben, als ſich Mortimer und Lovell melden lieſſen: da ich alſo jetzt keine Zeit hat- te, ſchob ich mein Nachdenken und alle Em- pfindungen daruͤber bis zu einer bequemern Zeit auf.

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 159[157]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/167>, abgerufen am 28.04.2024.