Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

itzt überzeugt, daß man das Verlieben mit
vollem Rechte ineluctabile fatum nennen kann.

Ich muß ihr oft vorlesen (nehmlich der
Emilie Burton, das ist unter uns Liebha-
bern nun einmahl Sprachgebrauch, daß wir die
Nahmen weglassen) und das Vorlesen, beson-
ders empfindsamer und rührender Sachen, ist ge-
wiß die gefährlichste Angel, die nach einem
Menschen ausgeworfen werden kann. -- Ich ha-
be dabei einigemahl mit einem Pathos dekla-
mirt, daß ich nachher selber erschrocken bin. --
Daß ich aber zur Fahne jener seufzeraushauchen-
der und thräneneinrrinkender Thoren schwören
werde, die nur zu leben scheinen, um über ihr
Leben zu klagen, -- das wirst Du nicht von
mir glauben. -- Ich werde mich nie auf lange
aus dem gemäßigten Klima entfernen. -- Emi-
lie selbst ist ein liebes, sanftes Geschöpf, die
mit ungekünsteltem Gefühle sich freut und trauert,
so wie es gerade die Umstände fordern; ich mag
weder eine Arria, noch eine Ninon, noch eine
Clementine lieben. -- Doch, damit ich Dir
nicht ein Gemählde von ihr entwerfe, muß ich
nur von etwas anderm sprechen; denn ich merke,

itzt uͤberzeugt, daß man das Verlieben mit
vollem Rechte ineluctabile fatum nennen kann.

Ich muß ihr oft vorleſen (nehmlich der
Emilie Burton, das iſt unter uns Liebha-
bern nun einmahl Sprachgebrauch, daß wir die
Nahmen weglaſſen) und das Vorleſen, beſon-
ders empfindſamer und ruͤhrender Sachen, iſt ge-
wiß die gefaͤhrlichſte Angel, die nach einem
Menſchen ausgeworfen werden kann. — Ich ha-
be dabei einigemahl mit einem Pathos dekla-
mirt, daß ich nachher ſelber erſchrocken bin. —
Daß ich aber zur Fahne jener ſeufzeraushauchen-
der und thraͤneneinrrinkender Thoren ſchwoͤren
werde, die nur zu leben ſcheinen, um uͤber ihr
Leben zu klagen, — das wirſt Du nicht von
mir glauben. — Ich werde mich nie auf lange
aus dem gemaͤßigten Klima entfernen. — Emi-
lie ſelbſt iſt ein liebes, ſanftes Geſchoͤpf, die
mit ungekuͤnſteltem Gefuͤhle ſich freut und trauert,
ſo wie es gerade die Umſtaͤnde fordern; ich mag
weder eine Arria, noch eine Ninon, noch eine
Clementine lieben. — Doch, damit ich Dir
nicht ein Gemaͤhlde von ihr entwerfe, muß ich
nur von etwas anderm ſprechen; denn ich merke,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0140" n="132[130]"/>
itzt u&#x0364;berzeugt, daß man das Verlieben mit<lb/>
vollem Rechte <hi rendition="#aq">ineluctabile fatum</hi> nennen kann.</p><lb/>
          <p>Ich muß ihr oft vorle&#x017F;en (nehmlich der<lb/><hi rendition="#g">Emilie <choice><sic>Bnrton</sic><corr>Burton</corr></choice></hi>, das i&#x017F;t unter uns Liebha-<lb/>
bern nun einmahl Sprachgebrauch, daß wir die<lb/>
Nahmen wegla&#x017F;&#x017F;en) und das Vorle&#x017F;en, be&#x017F;on-<lb/>
ders empfind&#x017F;amer und ru&#x0364;hrender Sachen, i&#x017F;t ge-<lb/>
wiß die gefa&#x0364;hrlich&#x017F;te Angel, die nach einem<lb/>
Men&#x017F;chen ausgeworfen werden kann. &#x2014; Ich ha-<lb/>
be dabei einigemahl mit einem Pathos dekla-<lb/>
mirt, daß ich nachher &#x017F;elber er&#x017F;chrocken bin. &#x2014;<lb/>
Daß ich aber zur Fahne jener &#x017F;eufzeraushauchen-<lb/>
der und thra&#x0364;neneinrrinkender Thoren &#x017F;chwo&#x0364;ren<lb/>
werde, die nur zu leben &#x017F;cheinen, um u&#x0364;ber ihr<lb/>
Leben zu klagen, &#x2014; das wir&#x017F;t Du nicht von<lb/>
mir glauben. &#x2014; Ich werde mich nie auf lange<lb/>
aus dem gema&#x0364;ßigten Klima entfernen. &#x2014; Emi-<lb/>
lie &#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t ein liebes, &#x017F;anftes Ge&#x017F;cho&#x0364;pf, die<lb/>
mit ungeku&#x0364;n&#x017F;teltem Gefu&#x0364;hle &#x017F;ich freut und trauert,<lb/>
&#x017F;o wie es gerade die Um&#x017F;ta&#x0364;nde fordern; ich mag<lb/>
weder eine Arria, noch eine Ninon, noch eine<lb/>
Clementine lieben. &#x2014; Doch, damit ich Dir<lb/>
nicht ein Gema&#x0364;hlde von ihr entwerfe, muß ich<lb/>
nur von etwas anderm &#x017F;prechen; denn ich merke,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[132[130]/0140] itzt uͤberzeugt, daß man das Verlieben mit vollem Rechte ineluctabile fatum nennen kann. Ich muß ihr oft vorleſen (nehmlich der Emilie Burton, das iſt unter uns Liebha- bern nun einmahl Sprachgebrauch, daß wir die Nahmen weglaſſen) und das Vorleſen, beſon- ders empfindſamer und ruͤhrender Sachen, iſt ge- wiß die gefaͤhrlichſte Angel, die nach einem Menſchen ausgeworfen werden kann. — Ich ha- be dabei einigemahl mit einem Pathos dekla- mirt, daß ich nachher ſelber erſchrocken bin. — Daß ich aber zur Fahne jener ſeufzeraushauchen- der und thraͤneneinrrinkender Thoren ſchwoͤren werde, die nur zu leben ſcheinen, um uͤber ihr Leben zu klagen, — das wirſt Du nicht von mir glauben. — Ich werde mich nie auf lange aus dem gemaͤßigten Klima entfernen. — Emi- lie ſelbſt iſt ein liebes, ſanftes Geſchoͤpf, die mit ungekuͤnſteltem Gefuͤhle ſich freut und trauert, ſo wie es gerade die Umſtaͤnde fordern; ich mag weder eine Arria, noch eine Ninon, noch eine Clementine lieben. — Doch, damit ich Dir nicht ein Gemaͤhlde von ihr entwerfe, muß ich nur von etwas anderm ſprechen; denn ich merke,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/140
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 132[130]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/140>, abgerufen am 24.11.2024.