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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

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die liebe Langeweile in's Spiel und ein gewisses
nüchternes Gefühl, das einem im Leben so oft
zur Last fällt, kann man keine Hofnung und keinen
Wunsch in seinem Gedächtnisse auftreiben; ist
das Steckenpferd lahm, oder gar zu Tode gerit-
ten, -- o wehe dir dann, armer Sterblicher!
entweder mußt du dann ein Philosoph werden,
oder dich aufhängen. Diese Langeweile hat
schon mehr Unglück in die Welt gebracht, als
alle Leidenschaften zusammengenommen. Die
Seele schrumpft dabei wie eine gedörrte Pflau-
me zusammen, der Verstand wächst nach und
nach zu und ist so unbrauchbar wie eine verna-
gelte Kanone, alles Spirituöse verfliegt, -- da
sitzt man denn nun hinter dem Ofen und zählt
an den Fingern ab, wenn das Abendessen er-
scheinen wird; die Stunden sind einem solchen
Manne länger, als dem, den man am Pranger
mit Aepfeln wirft; man mag nichts denken,
denn man weiß vorher, daß nur dummes Zeug
daraus wird, man mag nicht aufstehn, man
weiß, daß man sich gleich wieder niedersetzt,
das drückende Gefühl geht mit, wie das Haus
mit der Schnecke. -- O Mortimer, Linsen durch
ein Nadelöhr zu werfen, ist dagegen eine geist-

reiche

die liebe Langeweile in’s Spiel und ein gewiſſes
nuͤchternes Gefuͤhl, das einem im Leben ſo oft
zur Laſt faͤllt, kann man keine Hofnung und keinen
Wunſch in ſeinem Gedaͤchtniſſe auftreiben; iſt
das Steckenpferd lahm, oder gar zu Tode gerit-
ten, — o wehe dir dann, armer Sterblicher!
entweder mußt du dann ein Philoſoph werden,
oder dich aufhaͤngen. Dieſe Langeweile hat
ſchon mehr Ungluͤck in die Welt gebracht, als
alle Leidenſchaften zuſammengenommen. Die
Seele ſchrumpft dabei wie eine gedoͤrrte Pflau-
me zuſammen, der Verſtand waͤchſt nach und
nach zu und iſt ſo unbrauchbar wie eine verna-
gelte Kanone, alles Spirituoͤſe verfliegt, — da
ſitzt man denn nun hinter dem Ofen und zaͤhlt
an den Fingern ab, wenn das Abendeſſen er-
ſcheinen wird; die Stunden ſind einem ſolchen
Manne laͤnger, als dem, den man am Pranger
mit Aepfeln wirft; man mag nichts denken,
denn man weiß vorher, daß nur dummes Zeug
daraus wird, man mag nicht aufſtehn, man
weiß, daß man ſich gleich wieder niederſetzt,
das druͤckende Gefuͤhl geht mit, wie das Haus
mit der Schnecke. — O Mortimer, Linſen durch
ein Nadeloͤhr zu werfen, iſt dagegen eine geiſt-

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[128[126]/0136] die liebe Langeweile in’s Spiel und ein gewiſſes nuͤchternes Gefuͤhl, das einem im Leben ſo oft zur Laſt faͤllt, kann man keine Hofnung und keinen Wunſch in ſeinem Gedaͤchtniſſe auftreiben; iſt das Steckenpferd lahm, oder gar zu Tode gerit- ten, — o wehe dir dann, armer Sterblicher! entweder mußt du dann ein Philoſoph werden, oder dich aufhaͤngen. Dieſe Langeweile hat ſchon mehr Ungluͤck in die Welt gebracht, als alle Leidenſchaften zuſammengenommen. Die Seele ſchrumpft dabei wie eine gedoͤrrte Pflau- me zuſammen, der Verſtand waͤchſt nach und nach zu und iſt ſo unbrauchbar wie eine verna- gelte Kanone, alles Spirituoͤſe verfliegt, — da ſitzt man denn nun hinter dem Ofen und zaͤhlt an den Fingern ab, wenn das Abendeſſen er- ſcheinen wird; die Stunden ſind einem ſolchen Manne laͤnger, als dem, den man am Pranger mit Aepfeln wirft; man mag nichts denken, denn man weiß vorher, daß nur dummes Zeug daraus wird, man mag nicht aufſtehn, man weiß, daß man ſich gleich wieder niederſetzt, das druͤckende Gefuͤhl geht mit, wie das Haus mit der Schnecke. — O Mortimer, Linſen durch ein Nadeloͤhr zu werfen, iſt dagegen eine geiſt- reiche

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 128[126]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/136>, abgerufen am 25.11.2024.