Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Treten Sie nur indeß hier in den Bildersaal, sagte der Diener, indem er den jungen Eduard herein ließ, der alte Herr wird gleich zu Ihnen kommen.

Mit schwerem Herzen ging der junge Mann durch die Thüre. Mit wie so andern Gefühlen, dachte er bei sich selbst, schritt ich sonst mit meinem würdigen Vater durch diese Zimmer! Das ist das erste Mal, daß ich mich zu dergleichen hergebe, und es soll auch das letzte sein. Wahrlich das soll es! Und es ist Zeit, daß ich von mir und der Welt anders denke.

Er trat weiter im Saale vor, indem er ein eingehülltes Gemälde an die Wand stellte. Wie man nur so unter leblosen Bildern ausdauern kann und einzig in ihnen und für sie da sein! so setzte er seine stummen Betrachtungen fort. Ist es nicht, als wenn diese Enthusiasten in einem verzauberten Reiche untergehen? Für sie ist nur die Kunst das Fenster, durch welches sie die Natur und die Welt erblicken; sie können beide nur erkennen, indem sie sie mit den Nachahmungen derselben vergleichen. Und so verträumte doch auch mein Vater seine Jahre; was nicht Bezug auf seine Sammlung hatte,

Treten Sie nur indeß hier in den Bildersaal, sagte der Diener, indem er den jungen Eduard herein ließ, der alte Herr wird gleich zu Ihnen kommen.

Mit schwerem Herzen ging der junge Mann durch die Thüre. Mit wie so andern Gefühlen, dachte er bei sich selbst, schritt ich sonst mit meinem würdigen Vater durch diese Zimmer! Das ist das erste Mal, daß ich mich zu dergleichen hergebe, und es soll auch das letzte sein. Wahrlich das soll es! Und es ist Zeit, daß ich von mir und der Welt anders denke.

Er trat weiter im Saale vor, indem er ein eingehülltes Gemälde an die Wand stellte. Wie man nur so unter leblosen Bildern ausdauern kann und einzig in ihnen und für sie da sein! so setzte er seine stummen Betrachtungen fort. Ist es nicht, als wenn diese Enthusiasten in einem verzauberten Reiche untergehen? Für sie ist nur die Kunst das Fenster, durch welches sie die Natur und die Welt erblicken; sie können beide nur erkennen, indem sie sie mit den Nachahmungen derselben vergleichen. Und so verträumte doch auch mein Vater seine Jahre; was nicht Bezug auf seine Sammlung hatte,

<TEI>
  <text>
    <pb facs="#f0013"/>
    <body>
      <div n="1">
        <p>Treten Sie nur indeß hier in den Bildersaal, sagte der Diener, indem er den jungen                Eduard herein ließ, der alte Herr wird gleich zu Ihnen kommen.</p><lb/>
        <p>Mit schwerem Herzen ging der junge Mann durch die Thüre. Mit wie so andern Gefühlen,                dachte er bei sich selbst, schritt ich sonst mit meinem würdigen Vater durch diese                Zimmer! Das ist das erste Mal, daß ich mich zu dergleichen hergebe, und es soll auch                das letzte sein. Wahrlich das soll es! Und es ist Zeit, daß ich von mir und der Welt                anders denke.</p><lb/>
        <p>Er trat weiter im Saale vor, indem er ein eingehülltes Gemälde an die Wand stellte.                Wie man nur so unter leblosen Bildern ausdauern kann und einzig in ihnen und für sie                da sein! so setzte er seine stummen Betrachtungen fort. Ist es nicht, als wenn diese                Enthusiasten in einem verzauberten Reiche untergehen? Für sie ist nur die Kunst das                Fenster, durch welches sie die Natur und die Welt erblicken; sie können beide nur                erkennen, indem sie sie mit den Nachahmungen derselben vergleichen. Und so verträumte                doch auch mein Vater seine Jahre; was nicht Bezug auf seine Sammlung hatte,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0013] Treten Sie nur indeß hier in den Bildersaal, sagte der Diener, indem er den jungen Eduard herein ließ, der alte Herr wird gleich zu Ihnen kommen. Mit schwerem Herzen ging der junge Mann durch die Thüre. Mit wie so andern Gefühlen, dachte er bei sich selbst, schritt ich sonst mit meinem würdigen Vater durch diese Zimmer! Das ist das erste Mal, daß ich mich zu dergleichen hergebe, und es soll auch das letzte sein. Wahrlich das soll es! Und es ist Zeit, daß ich von mir und der Welt anders denke. Er trat weiter im Saale vor, indem er ein eingehülltes Gemälde an die Wand stellte. Wie man nur so unter leblosen Bildern ausdauern kann und einzig in ihnen und für sie da sein! so setzte er seine stummen Betrachtungen fort. Ist es nicht, als wenn diese Enthusiasten in einem verzauberten Reiche untergehen? Für sie ist nur die Kunst das Fenster, durch welches sie die Natur und die Welt erblicken; sie können beide nur erkennen, indem sie sie mit den Nachahmungen derselben vergleichen. Und so verträumte doch auch mein Vater seine Jahre; was nicht Bezug auf seine Sammlung hatte,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:27:02Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:27:02Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/13
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/13>, abgerufen am 22.11.2024.