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Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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dazu. -- Wenn man sie dir nun überlassen wollte, sagte Erich, und der Eigenthümer forderte bloß die Gunst dafür, dein Schwiegersohn zu werden?

Ohne Antwort rannte der Alte hinaus und zur Tochter hinüber. Im Streit mit dieser kam er zurück. Du mußt mein Glück machen, geliebtes Kind, rief er aus, indem er mit ihr herein trat: von dir hängt nun die Seligkeit meines Lebens ab. Die erschrockene Tochter wollte immer noch widersprechen, aber auf einen heimlichen Wink Erich's, den sie zu verstehen glaubte, schien sie endlich nachzugeben. Sie ging fort, sich umzukleiden; denn bei Erich warteten, wie dieser erklärte, die Bilder und der Freiwerber auf sie. Unter welchen sonderbaren Gedanken und Erwartungen suchte sie ihren besten Schmuck hervor; konnte sie sich in Erich nicht irren? Hatte er denn auch sie verstanden? Hatte sie ihn richtig gedeutet? Walther war ungeduldig und zählte die Augenblicke; endlich kam Sophie zurück.

In Erich's Hause waren alle jene Gemälde im besten Lichte aufgehangen, und es wäre vergeblich, des Vaters Erstaunen, Freude und Entzücken beschreiben zu wollen. Die Bilder waren, so behauptete er, bei Weitem schöner, als er sie in seiner Erinnerung gesehen hatte. Du sagst, der Liebhaber meiner Tochter sei jung, wohlerzogen, von gutem Stande, du giebst mir dein Wort darauf, daß er ein ordentlicher Mann sein wird und niemals nach meinem Tode diese Bilder wieder veräußern? Wenn dies Alles so ist, so braucht er kein

dazu. — Wenn man sie dir nun überlassen wollte, sagte Erich, und der Eigenthümer forderte bloß die Gunst dafür, dein Schwiegersohn zu werden?

Ohne Antwort rannte der Alte hinaus und zur Tochter hinüber. Im Streit mit dieser kam er zurück. Du mußt mein Glück machen, geliebtes Kind, rief er aus, indem er mit ihr herein trat: von dir hängt nun die Seligkeit meines Lebens ab. Die erschrockene Tochter wollte immer noch widersprechen, aber auf einen heimlichen Wink Erich's, den sie zu verstehen glaubte, schien sie endlich nachzugeben. Sie ging fort, sich umzukleiden; denn bei Erich warteten, wie dieser erklärte, die Bilder und der Freiwerber auf sie. Unter welchen sonderbaren Gedanken und Erwartungen suchte sie ihren besten Schmuck hervor; konnte sie sich in Erich nicht irren? Hatte er denn auch sie verstanden? Hatte sie ihn richtig gedeutet? Walther war ungeduldig und zählte die Augenblicke; endlich kam Sophie zurück.

In Erich's Hause waren alle jene Gemälde im besten Lichte aufgehangen, und es wäre vergeblich, des Vaters Erstaunen, Freude und Entzücken beschreiben zu wollen. Die Bilder waren, so behauptete er, bei Weitem schöner, als er sie in seiner Erinnerung gesehen hatte. Du sagst, der Liebhaber meiner Tochter sei jung, wohlerzogen, von gutem Stande, du giebst mir dein Wort darauf, daß er ein ordentlicher Mann sein wird und niemals nach meinem Tode diese Bilder wieder veräußern? Wenn dies Alles so ist, so braucht er kein

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:27:02Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:27:02Z)

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/124>, abgerufen am 18.05.2024.