zig bis achtzig. Daher kommts, daß des Winters hier jährlich ungefähr sechs hundert Mann zurück bleiben, die sich auf einer zur Seite der Holländischen Factorey außer- halb der Stadt liegenden Insel aufhalten. Der Hafen bey Nangasaki ist der einzige im ganzen Reiche, wo fremde Schiffe vor Anker gehen dürfen. Wird ein frem- des Schiff durch Sturm oder Unglücksfälle an die Japani- sche Küste getrieben, oder ist es genöthigt, anderswo einzu- laufen, so wird davon so gleich Bericht an den Hof zu Je- do abgestattet, und das Schiff nach Nangasaki gewiesen.
Die Stadt Nangasaki ist eine von den fünf so ge- nannten Reichsstädten, und durch ihren Handel mit Ausländern eine der ansehnlichsten Handelsstädte im Rei- che. Sie gehört dem weltlichen Kaiser allein, die Ein- künfte aus derselben fließen in seine Schatzkammer, und ein Statthalter übt in seinem Nahmen den Oberbefehl darin aus. In ehemahligen Zeiten residirten hier zwey Gouverneure; heutiges Tages sind zwar auch allezeit zwey bestellt, aber nur einer ist am Regiment, und sie lö- sen einander jährlich im October ab. Der dienstfreye rei- set jedesmahl nach Jedo, und bringt seine müßige Zeit da- selbst bey seiner Familie zu, die während seiner Anwesen- heit zu Nangasaki, allezeit als Unterpfand seiner Treue, da bleiben muß. Die jährliche Besoldung eines Statthalters beträgt ungefähr zehn tausend Thaler, wozu noch manche außerordentliche Einnahme kommt. Indessen kann er, theils wegen der Geschenke, die er bey Hofe machen muß, und andrer Ausgaben, die er da hat, theils wegen der Men- ge hoher und niedriger Bedienten, die er auf eigne Kosten halten muß, nicht viel davon erübrigen. Der Gouverneur hat den höchsten Befehl nicht nur in der Stadt, sondern auch über die beyden, die Holländische und die Chinesische, Factoreyen. Die Stadt selbst ist auf allen Seiten land-
Erſte Abtheilung.
zig bis achtzig. Daher kommts, daß des Winters hier jaͤhrlich ungefaͤhr ſechs hundert Mann zuruͤck bleiben, die ſich auf einer zur Seite der Hollaͤndiſchen Factorey außer- halb der Stadt liegenden Inſel aufhalten. Der Hafen bey Nangaſaki iſt der einzige im ganzen Reiche, wo fremde Schiffe vor Anker gehen duͤrfen. Wird ein frem- des Schiff durch Sturm oder Ungluͤcksfaͤlle an die Japani- ſche Kuͤſte getrieben, oder iſt es genoͤthigt, anderswo einzu- laufen, ſo wird davon ſo gleich Bericht an den Hof zu Je- do abgeſtattet, und das Schiff nach Nangaſaki gewieſen.
Die Stadt Nangaſaki iſt eine von den fuͤnf ſo ge- nannten Reichsſtaͤdten, und durch ihren Handel mit Auslaͤndern eine der anſehnlichſten Handelsſtaͤdte im Rei- che. Sie gehoͤrt dem weltlichen Kaiſer allein, die Ein- kuͤnfte aus derſelben fließen in ſeine Schatzkammer, und ein Statthalter uͤbt in ſeinem Nahmen den Oberbefehl darin aus. In ehemahligen Zeiten reſidirten hier zwey Gouverneure; heutiges Tages ſind zwar auch allezeit zwey beſtellt, aber nur einer iſt am Regiment, und ſie loͤ- ſen einander jaͤhrlich im October ab. Der dienſtfreye rei- ſet jedesmahl nach Jedo, und bringt ſeine muͤßige Zeit da- ſelbſt bey ſeiner Familie zu, die waͤhrend ſeiner Anweſen- heit zu Nangaſaki, allezeit als Unterpfand ſeiner Treue, da bleiben muß. Die jaͤhrliche Beſoldung eines Statthalters betraͤgt ungefaͤhr zehn tauſend Thaler, wozu noch manche außerordentliche Einnahme kommt. Indeſſen kann er, theils wegen der Geſchenke, die er bey Hofe machen muß, und andrer Ausgaben, die er da hat, theils wegen der Men- ge hoher und niedriger Bedienten, die er auf eigne Koſten halten muß, nicht viel davon eruͤbrigen. Der Gouverneur hat den hoͤchſten Befehl nicht nur in der Stadt, ſondern auch uͤber die beyden, die Hollaͤndiſche und die Chineſiſche, Factoreyen. Die Stadt ſelbſt iſt auf allen Seiten land-
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[28/0062]
Erſte Abtheilung.
zig bis achtzig. Daher kommts, daß des Winters hier
jaͤhrlich ungefaͤhr ſechs hundert Mann zuruͤck bleiben, die
ſich auf einer zur Seite der Hollaͤndiſchen Factorey außer-
halb der Stadt liegenden Inſel aufhalten. Der Hafen
bey Nangaſaki iſt der einzige im ganzen Reiche, wo
fremde Schiffe vor Anker gehen duͤrfen. Wird ein frem-
des Schiff durch Sturm oder Ungluͤcksfaͤlle an die Japani-
ſche Kuͤſte getrieben, oder iſt es genoͤthigt, anderswo einzu-
laufen, ſo wird davon ſo gleich Bericht an den Hof zu Je-
do abgeſtattet, und das Schiff nach Nangaſaki gewieſen.
Die Stadt Nangaſaki iſt eine von den fuͤnf ſo ge-
nannten Reichsſtaͤdten, und durch ihren Handel mit
Auslaͤndern eine der anſehnlichſten Handelsſtaͤdte im Rei-
che. Sie gehoͤrt dem weltlichen Kaiſer allein, die Ein-
kuͤnfte aus derſelben fließen in ſeine Schatzkammer, und
ein Statthalter uͤbt in ſeinem Nahmen den Oberbefehl
darin aus. In ehemahligen Zeiten reſidirten hier zwey
Gouverneure; heutiges Tages ſind zwar auch allezeit
zwey beſtellt, aber nur einer iſt am Regiment, und ſie loͤ-
ſen einander jaͤhrlich im October ab. Der dienſtfreye rei-
ſet jedesmahl nach Jedo, und bringt ſeine muͤßige Zeit da-
ſelbſt bey ſeiner Familie zu, die waͤhrend ſeiner Anweſen-
heit zu Nangaſaki, allezeit als Unterpfand ſeiner Treue, da
bleiben muß. Die jaͤhrliche Beſoldung eines Statthalters
betraͤgt ungefaͤhr zehn tauſend Thaler, wozu noch manche
außerordentliche Einnahme kommt. Indeſſen kann er,
theils wegen der Geſchenke, die er bey Hofe machen muß,
und andrer Ausgaben, die er da hat, theils wegen der Men-
ge hoher und niedriger Bedienten, die er auf eigne Koſten
halten muß, nicht viel davon eruͤbrigen. Der Gouverneur
hat den hoͤchſten Befehl nicht nur in der Stadt, ſondern
auch uͤber die beyden, die Hollaͤndiſche und die Chineſiſche,
Factoreyen. Die Stadt ſelbſt iſt auf allen Seiten land-
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/62>, abgerufen am 23.07.2024.
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