Der sandige Boden ist für die Kaneelbäume der zuträglichste. Derjenige Kaneel, welcher in den an der Seeküste liegenden Sand-Ebenen wächst, die von den Cingalesern Marendan genannt werden, wird für den besten und delicatesten gehalten.
Wenn man auf solchen Sand-Ebnen die Bäume abhauet und hernach alles abbrennt, so schießen die Wurzeln wieder in lange, gerade Stämme auf, die unvergleichliche Rinde geben. Von solchen jungen Stämmen hat man die sogenannten Kaneelstöcke, welche wie Haselstöcke aussehen, und deren Rinde wie Kaneel riecht, so oft man sie reibt. Dergleichen Stöcke bekam ich verschiedenemal zum Geschenk, ob es gleich eben nicht erlaubt ist, sie auszuführen.
Die Kaneelblätter haben einen starken Nelkenge- ruch; die Wurzel hingegen, welche durch Sublima- tion, Kampfer giebt, riecht ganz wie Sassafras.
Der Kaneel heißt bey den Cingalesern allgemein Kurundu.
Er wird in den Wäldern zu zwey verschiedenen Zeiten im Jahr geschält. Das eine heißt die große Erndte, die vom April bis August; das andre die kleine, welche vom November bis Januar währt. Die Leute, welche in den Wäldern die Kaneelbäume auf- suchen und die Rinde abschälen, heißen Kaneelschäler; in cingalesischer Sprache werden sie Schjalias genannt.
Eigentlich sind es die der Compagnie selbst zugehö- renden Gegenden, wo die Schjalias in den Wäldern die Kaneelrinde einsammlen. Doch stehlen sie sich auch manchmal in die Wälder des Kaisers, und wohl
Vierte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
Der ſandige Boden iſt fuͤr die Kaneelbaͤume der zutraͤglichſte. Derjenige Kaneel, welcher in den an der Seekuͤſte liegenden Sand-Ebenen waͤchſt, die von den Cingaleſern Marendan genannt werden, wird fuͤr den beſten und delicateſten gehalten.
Wenn man auf ſolchen Sand-Ebnen die Baͤume abhauet und hernach alles abbrennt, ſo ſchießen die Wurzeln wieder in lange, gerade Staͤmme auf, die unvergleichliche Rinde geben. Von ſolchen jungen Staͤmmen hat man die ſogenannten Kaneelſtoͤcke, welche wie Haſelſtoͤcke ausſehen, und deren Rinde wie Kaneel riecht, ſo oft man ſie reibt. Dergleichen Stoͤcke bekam ich verſchiedenemal zum Geſchenk, ob es gleich eben nicht erlaubt iſt, ſie auszufuͤhren.
Die Kaneelblaͤtter haben einen ſtarken Nelkenge- ruch; die Wurzel hingegen, welche durch Sublima- tion, Kampfer giebt, riecht ganz wie Saſſafras.
Der Kaneel heißt bey den Cingaleſern allgemein Kurundu.
Er wird in den Waͤldern zu zwey verſchiedenen Zeiten im Jahr geſchaͤlt. Das eine heißt die große Erndte, die vom April bis Auguſt; das andre die kleine, welche vom November bis Januar waͤhrt. Die Leute, welche in den Waͤldern die Kaneelbaͤume auf- ſuchen und die Rinde abſchaͤlen, heißen Kaneelſchaͤler; in cingaleſiſcher Sprache werden ſie Schjalias genannt.
Eigentlich ſind es die der Compagnie ſelbſt zugehoͤ- renden Gegenden, wo die Schjalias in den Waͤldern die Kaneelrinde einſammlen. Doch ſtehlen ſie ſich auch manchmal in die Waͤlder des Kaiſers, und wohl
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Vierte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
Der ſandige Boden iſt fuͤr die Kaneelbaͤume der
zutraͤglichſte. Derjenige Kaneel, welcher in den an der
Seekuͤſte liegenden Sand-Ebenen waͤchſt, die von den
Cingaleſern Marendan genannt werden, wird fuͤr den
beſten und delicateſten gehalten.
Wenn man auf ſolchen Sand-Ebnen die Baͤume
abhauet und hernach alles abbrennt, ſo ſchießen die
Wurzeln wieder in lange, gerade Staͤmme auf, die
unvergleichliche Rinde geben. Von ſolchen jungen
Staͤmmen hat man die ſogenannten Kaneelſtoͤcke, welche
wie Haſelſtoͤcke ausſehen, und deren Rinde wie Kaneel
riecht, ſo oft man ſie reibt. Dergleichen Stoͤcke bekam
ich verſchiedenemal zum Geſchenk, ob es gleich eben
nicht erlaubt iſt, ſie auszufuͤhren.
Die Kaneelblaͤtter haben einen ſtarken Nelkenge-
ruch; die Wurzel hingegen, welche durch Sublima-
tion, Kampfer giebt, riecht ganz wie Saſſafras.
Der Kaneel heißt bey den Cingaleſern allgemein
Kurundu.
Er wird in den Waͤldern zu zwey verſchiedenen
Zeiten im Jahr geſchaͤlt. Das eine heißt die große
Erndte, die vom April bis Auguſt; das andre die
kleine, welche vom November bis Januar waͤhrt. Die
Leute, welche in den Waͤldern die Kaneelbaͤume auf-
ſuchen und die Rinde abſchaͤlen, heißen Kaneelſchaͤler;
in cingaleſiſcher Sprache werden ſie Schjalias genannt.
Eigentlich ſind es die der Compagnie ſelbſt zugehoͤ-
renden Gegenden, wo die Schjalias in den Waͤldern
die Kaneelrinde einſammlen. Doch ſtehlen ſie ſich
auch manchmal in die Waͤlder des Kaiſers, und wohl
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/484>, abgerufen am 22.11.2024.
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