Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794.Zustand d. Wissens. Künste u. dergl. in Japan. ten, und unterscheiden sich von den Uebrigen dadurch,daß sie sich den ganzen Kopf kahl scheeren. Sie be- dienen sich nie anderer, als einfacher Mittel, und zwar am gewöhnlichsten in einem Decocte, um den Schweiß oder den Urin zu treiben. Von zusam- mengesetzten Medicamenten wissen sie nichts. Ei- nen großen Theil jener Arzeneymittel könnten sie zwar im Lande selbst bekommen; sie kaufen sie aber sehr häufig von den Chinesern. Bisweilen fühlen die Aerzte auch nach dem Pulse, und dies währt alsdenn sehr lange, eine ganze Viertelstunde, zuerst an dem einen, und hernach am andern Arme, gerade als wenn das Blut nicht aus einer und derselben Quelle nach beyden Pulsen flösse. Ihre Kenntniß der Fieber und andrer innerlicher Krankheiten, kann nicht anders, als sehr geringe und ihre Cur muß sehr unsicher seyn, da sie keine Kenntniß der Anatomie und Physiologie haben, nicht einmal vom Umlaufe des Geblüts etwas wissen, auch die Mittel, welche sie verordnen, nur wenig kennen. Die einzigen, welche etwas mehr da- von verstehen, sind entweder Aerzte bey Hofe, oder holländische Dolmetscher, als welche Gelegenheit haben, sich einige bessere Einsicht durch den Um- gang mit europäischen Aerzten zu verschaffen. Das Aderlassen haben zwar einige wenige Aerzte und Dol- metscher dann und wann verrichtet; aber sie nehmen diese Operation nur selten vor, und alsdenn allezeit mit vieler Furchtsamkeit. Ich gab ihnen nicht allein die nützlichsten und zuverlässigsten Anweisungen dazu, sondern munterte sie auch, wo es nöthig war, dazu auf, und mußte zu dem Ende sogar meinen Schülern zu Jedo meinen silbernen Schnäpper, nebst andern für sie brauchbaren chirurgischen Instrumenten schenken. C 4
Zuſtand d. Wiſſenſ. Kuͤnſte u. dergl. in Japan. ten, und unterſcheiden ſich von den Uebrigen dadurch,daß ſie ſich den ganzen Kopf kahl ſcheeren. Sie be- dienen ſich nie anderer, als einfacher Mittel, und zwar am gewoͤhnlichſten in einem Decocte, um den Schweiß oder den Urin zu treiben. Von zuſam- mengeſetzten Medicamenten wiſſen ſie nichts. Ei- nen großen Theil jener Arzeneymittel koͤnnten ſie zwar im Lande ſelbſt bekommen; ſie kaufen ſie aber ſehr haͤufig von den Chineſern. Bisweilen fuͤhlen die Aerzte auch nach dem Pulſe, und dies waͤhrt alsdenn ſehr lange, eine ganze Viertelſtunde, zuerſt an dem einen, und hernach am andern Arme, gerade als wenn das Blut nicht aus einer und derſelben Quelle nach beyden Pulſen floͤſſe. Ihre Kenntniß der Fieber und andrer innerlicher Krankheiten, kann nicht anders, als ſehr geringe und ihre Cur muß ſehr unſicher ſeyn, da ſie keine Kenntniß der Anatomie und Phyſiologie haben, nicht einmal vom Umlaufe des Gebluͤts etwas wiſſen, auch die Mittel, welche ſie verordnen, nur wenig kennen. Die einzigen, welche etwas mehr da- von verſtehen, ſind entweder Aerzte bey Hofe, oder hollaͤndiſche Dolmetſcher, als welche Gelegenheit haben, ſich einige beſſere Einſicht durch den Um- gang mit europaͤiſchen Aerzten zu verſchaffen. Das Aderlaſſen haben zwar einige wenige Aerzte und Dol- metſcher dann und wann verrichtet; aber ſie nehmen dieſe Operation nur ſelten vor, und alsdenn allezeit mit vieler Furchtſamkeit. Ich gab ihnen nicht allein die nuͤtzlichſten und zuverlaͤſſigſten Anweiſungen dazu, ſondern munterte ſie auch, wo es noͤthig war, dazu auf, und mußte zu dem Ende ſogar meinen Schuͤlern zu Jedo meinen ſilbernen Schnaͤpper, nebſt andern fuͤr ſie brauchbaren chirurgiſchen Inſtrumenten ſchenken. C 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0327" n="39"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Zuſtand d. Wiſſenſ. Kuͤnſte u. dergl. in <placeName>Japan</placeName>.</hi></fw><lb/> ten, und unterſcheiden ſich von den Uebrigen dadurch,<lb/> daß ſie ſich den ganzen Kopf kahl ſcheeren. Sie be-<lb/> dienen ſich nie anderer, als einfacher Mittel, und<lb/> zwar am gewoͤhnlichſten in einem Decocte, um den<lb/> Schweiß oder den Urin zu treiben. Von zuſam-<lb/> mengeſetzten Medicamenten wiſſen ſie nichts. Ei-<lb/> nen großen Theil jener Arzeneymittel koͤnnten ſie zwar<lb/> im Lande ſelbſt bekommen; ſie kaufen ſie aber ſehr<lb/> haͤufig von den Chineſern. Bisweilen fuͤhlen die<lb/> Aerzte auch nach dem Pulſe, und dies waͤhrt alsdenn<lb/> ſehr lange, eine ganze Viertelſtunde, zuerſt an dem<lb/> einen, und hernach am andern Arme, gerade als wenn<lb/> das Blut nicht aus einer und derſelben Quelle nach<lb/> beyden Pulſen floͤſſe. Ihre Kenntniß der Fieber und<lb/> andrer innerlicher Krankheiten, kann nicht anders,<lb/> als ſehr geringe und ihre Cur muß ſehr unſicher ſeyn,<lb/> da ſie keine Kenntniß der Anatomie und Phyſiologie<lb/> haben, nicht einmal vom Umlaufe des Gebluͤts etwas<lb/> wiſſen, auch die Mittel, welche ſie verordnen, nur<lb/> wenig kennen. Die einzigen, welche etwas mehr da-<lb/> von verſtehen, ſind entweder Aerzte bey Hofe, oder<lb/> hollaͤndiſche Dolmetſcher, als welche Gelegenheit<lb/> haben, ſich einige beſſere Einſicht durch den Um-<lb/> gang mit europaͤiſchen Aerzten zu verſchaffen. Das<lb/> Aderlaſſen haben zwar einige wenige Aerzte und Dol-<lb/> metſcher dann und wann verrichtet; aber ſie nehmen<lb/> dieſe Operation nur ſelten vor, und alsdenn allezeit<lb/> mit vieler Furchtſamkeit. Ich gab ihnen nicht allein<lb/> die nuͤtzlichſten und zuverlaͤſſigſten Anweiſungen dazu,<lb/> ſondern munterte ſie auch, wo es noͤthig war, dazu auf,<lb/> und mußte zu dem Ende ſogar meinen Schuͤlern zu<lb/><placeName>Jedo</placeName> meinen ſilbernen Schnaͤpper, nebſt andern fuͤr<lb/> ſie brauchbaren chirurgiſchen Inſtrumenten ſchenken.</p><lb/> <fw place="bottom" type="sig">C 4</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [39/0327]
Zuſtand d. Wiſſenſ. Kuͤnſte u. dergl. in Japan.
ten, und unterſcheiden ſich von den Uebrigen dadurch,
daß ſie ſich den ganzen Kopf kahl ſcheeren. Sie be-
dienen ſich nie anderer, als einfacher Mittel, und
zwar am gewoͤhnlichſten in einem Decocte, um den
Schweiß oder den Urin zu treiben. Von zuſam-
mengeſetzten Medicamenten wiſſen ſie nichts. Ei-
nen großen Theil jener Arzeneymittel koͤnnten ſie zwar
im Lande ſelbſt bekommen; ſie kaufen ſie aber ſehr
haͤufig von den Chineſern. Bisweilen fuͤhlen die
Aerzte auch nach dem Pulſe, und dies waͤhrt alsdenn
ſehr lange, eine ganze Viertelſtunde, zuerſt an dem
einen, und hernach am andern Arme, gerade als wenn
das Blut nicht aus einer und derſelben Quelle nach
beyden Pulſen floͤſſe. Ihre Kenntniß der Fieber und
andrer innerlicher Krankheiten, kann nicht anders,
als ſehr geringe und ihre Cur muß ſehr unſicher ſeyn,
da ſie keine Kenntniß der Anatomie und Phyſiologie
haben, nicht einmal vom Umlaufe des Gebluͤts etwas
wiſſen, auch die Mittel, welche ſie verordnen, nur
wenig kennen. Die einzigen, welche etwas mehr da-
von verſtehen, ſind entweder Aerzte bey Hofe, oder
hollaͤndiſche Dolmetſcher, als welche Gelegenheit
haben, ſich einige beſſere Einſicht durch den Um-
gang mit europaͤiſchen Aerzten zu verſchaffen. Das
Aderlaſſen haben zwar einige wenige Aerzte und Dol-
metſcher dann und wann verrichtet; aber ſie nehmen
dieſe Operation nur ſelten vor, und alsdenn allezeit
mit vieler Furchtſamkeit. Ich gab ihnen nicht allein
die nuͤtzlichſten und zuverlaͤſſigſten Anweiſungen dazu,
ſondern munterte ſie auch, wo es noͤthig war, dazu auf,
und mußte zu dem Ende ſogar meinen Schuͤlern zu
Jedo meinen ſilbernen Schnaͤpper, nebſt andern fuͤr
ſie brauchbaren chirurgiſchen Inſtrumenten ſchenken.
C 4
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |