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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794.

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Erste Abtheilung. Erster Abschnitt.
höchstens einmahl im Garten frische Luft schöpfen, so
wird er, von dazu bestellten Trägern, auf den Schultern
dorthin getragen, zuvor aber wird ein Zeichen gegeben,
daß Jederman sich entfernen und Niemand ihn sehen möge.
In den wenigen Tagen da wir uns in seiner Residenzstadt
aufhielten, geruhete er einmal in dem innern Bezirke sei-
nes Schlosses unter freyem Himmel frische Luft zu schö-
pfen, welches dann durch ein besonderes Zeichen von
der Mauer rund um das Schloß kund gethan ward.
Er wird gebohren, lebt und stirbt in dem Bezirke sei-
nes Hofes, findet und genießt alle Vergnügungen in-
nerhalb desselben, und kommt in seinem ganzen Leben
nicht heraus. Seine Haare, Nägel und Bart dürfen
nicht am Tage gereinigt oder beschnitten werden, son-
dern dies muß, ohne Zweifel ebenfalls seiner Heiligkeit
wegen, heimlich, des Nachts wenn er schläft, gesche-
hen. Er speiset jedesmahl von neuen Tellern und
Schüsseln, welche hernach gewöhnlich entzwey geschla-
gen werden, um zu verhüten, daß sie nicht in unhei-
lige Hände fallen. Sein Tischgeräth besteht daher nur
aus den schlechtern Sorten von Porcellain. Eben diese Art
von Aufwand, herrscht auch mit seinen Kleidungsstücken,
die aber, wenn er sie einmal gebraucht hat, nicht zerrissen,
sondern an seine Hofbediente weggeschenkt werden. Ausser
am Hofe weiß niemand, oder doch gewiß nur sehr we-
nige, seinen Namen ehe, als lange nach seinem Tode.

Sein ganzer Hof, an welchem viel Pracht und
Aufwand, jedoch jetzt nicht mehr so sehr als ehemals
herrscht, besteht fast nur aus Personen von seiner
eignen Verwandschaft, welche aber auch alle Aemter
und Bedienungen bey Hofe, und die einträglichsten
Pralaturen und geistlichen Pfründen im Lande bekom-
men. Er hat zwölf Gemahlinnen, von welchen eine
die Vornehmste, oder Kaiserinn ist.


Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
hoͤchſtens einmahl im Garten friſche Luft ſchoͤpfen, ſo
wird er, von dazu beſtellten Traͤgern, auf den Schultern
dorthin getragen, zuvor aber wird ein Zeichen gegeben,
daß Jederman ſich entfernen und Niemand ihn ſehen moͤge.
In den wenigen Tagen da wir uns in ſeiner Reſidenzſtadt
aufhielten, geruhete er einmal in dem innern Bezirke ſei-
nes Schloſſes unter freyem Himmel friſche Luft zu ſchoͤ-
pfen, welches dann durch ein beſonderes Zeichen von
der Mauer rund um das Schloß kund gethan ward.
Er wird gebohren, lebt und ſtirbt in dem Bezirke ſei-
nes Hofes, findet und genießt alle Vergnuͤgungen in-
nerhalb deſſelben, und kommt in ſeinem ganzen Leben
nicht heraus. Seine Haare, Naͤgel und Bart duͤrfen
nicht am Tage gereinigt oder beſchnitten werden, ſon-
dern dies muß, ohne Zweifel ebenfalls ſeiner Heiligkeit
wegen, heimlich, des Nachts wenn er ſchlaͤft, geſche-
hen. Er ſpeiſet jedesmahl von neuen Tellern und
Schuͤſſeln, welche hernach gewoͤhnlich entzwey geſchla-
gen werden, um zu verhuͤten, daß ſie nicht in unhei-
lige Haͤnde fallen. Sein Tiſchgeraͤth beſteht daher nur
aus den ſchlechtern Sorten von Porcellain. Eben dieſe Art
von Aufwand, herrſcht auch mit ſeinen Kleidungsſtuͤcken,
die aber, wenn er ſie einmal gebraucht hat, nicht zerriſſen,
ſondern an ſeine Hofbediente weggeſchenkt werden. Auſſer
am Hofe weiß niemand, oder doch gewiß nur ſehr we-
nige, ſeinen Namen ehe, als lange nach ſeinem Tode.

Sein ganzer Hof, an welchem viel Pracht und
Aufwand, jedoch jetzt nicht mehr ſo ſehr als ehemals
herrſcht, beſteht faſt nur aus Perſonen von ſeiner
eignen Verwandſchaft, welche aber auch alle Aemter
und Bedienungen bey Hofe, und die eintraͤglichſten
Pralaturen und geiſtlichen Pfruͤnden im Lande bekom-
men. Er hat zwoͤlf Gemahlinnen, von welchen eine
die Vornehmſte, oder Kaiſerinn iſt.


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[8/0296] Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt. hoͤchſtens einmahl im Garten friſche Luft ſchoͤpfen, ſo wird er, von dazu beſtellten Traͤgern, auf den Schultern dorthin getragen, zuvor aber wird ein Zeichen gegeben, daß Jederman ſich entfernen und Niemand ihn ſehen moͤge. In den wenigen Tagen da wir uns in ſeiner Reſidenzſtadt aufhielten, geruhete er einmal in dem innern Bezirke ſei- nes Schloſſes unter freyem Himmel friſche Luft zu ſchoͤ- pfen, welches dann durch ein beſonderes Zeichen von der Mauer rund um das Schloß kund gethan ward. Er wird gebohren, lebt und ſtirbt in dem Bezirke ſei- nes Hofes, findet und genießt alle Vergnuͤgungen in- nerhalb deſſelben, und kommt in ſeinem ganzen Leben nicht heraus. Seine Haare, Naͤgel und Bart duͤrfen nicht am Tage gereinigt oder beſchnitten werden, ſon- dern dies muß, ohne Zweifel ebenfalls ſeiner Heiligkeit wegen, heimlich, des Nachts wenn er ſchlaͤft, geſche- hen. Er ſpeiſet jedesmahl von neuen Tellern und Schuͤſſeln, welche hernach gewoͤhnlich entzwey geſchla- gen werden, um zu verhuͤten, daß ſie nicht in unhei- lige Haͤnde fallen. Sein Tiſchgeraͤth beſteht daher nur aus den ſchlechtern Sorten von Porcellain. Eben dieſe Art von Aufwand, herrſcht auch mit ſeinen Kleidungsſtuͤcken, die aber, wenn er ſie einmal gebraucht hat, nicht zerriſſen, ſondern an ſeine Hofbediente weggeſchenkt werden. Auſſer am Hofe weiß niemand, oder doch gewiß nur ſehr we- nige, ſeinen Namen ehe, als lange nach ſeinem Tode. Sein ganzer Hof, an welchem viel Pracht und Aufwand, jedoch jetzt nicht mehr ſo ſehr als ehemals herrſcht, beſteht faſt nur aus Perſonen von ſeiner eignen Verwandſchaft, welche aber auch alle Aemter und Bedienungen bey Hofe, und die eintraͤglichſten Pralaturen und geiſtlichen Pfruͤnden im Lande bekom- men. Er hat zwoͤlf Gemahlinnen, von welchen eine die Vornehmſte, oder Kaiſerinn iſt.

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Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/296>, abgerufen am 01.06.2024.