dem ganzen Erdboden ist, mit ihrem schönen Hafen uns gewährte. Der Hafen ist indessen außerordentlich un- tief und schlammig. Die größten Fahrzeuge liegen bis- weilen volle fünf Meilen von der Stadt vor Anker; die weniger großen zwey Meilen, und die kleinen, nebst den Böten in verschiednen Reihen neben einander zu vie- len Hunderten, je nachdem sie groß und schwer sind, nä- her oder weniger nahe. Diese Seichtheit des Hafens sichert die Stadt zwar vor feindlichen Angriffen zur See, legt aber dem Transport der Waaren von andern Oer- tern unübersteigliche Hindernisse in den Weg.
Mit eben so neugierigen Augen, als wir die Stadt, den Hafen und die umliegende Gegend ansahen, wurden wir von den Japanern betrachtet. Diese strömten von allen Seiten herbey, und formirten um uns, die wir in den Norimon eingeschlossen waren, ein ganzes Lager. So gar befand sich vornehmes Frauenzimmer darunter, das sich in Norimon hatte hertragen lassen, und recht ungeduldig zu seyn schien, wenn wir unsre Rouleaus bisweilen nie- derließen. Diese Sänften, so wie sie rund um uns her auf der Erde standen, schienen ein kleines Dorf für sich auszumachen, dessen kleine tragbare Häuser nach einer kleinen Weile verschwanden.
Als wir die aus einer einzigen Straße bestehenden Vorstädte Sinagawa und Takanawa zurück gelegt hatten, merkte ich an der Wache, der größeren Menge Men- schen in den Straßen, der Stille unsers Gefolges und dem ordentlicheren Gange unsrer Träger, daß wir in der Hauptstadt selbst angelangt waren. Nicht lange darauf kamen wir über eine Brücke, die Niponbas heißt, eini- ge und vierzig Klafter lang ist, und von welcher die We- ge nach allen übrigen Städten im ganzen Reiche abgemes- sen sind. Nachdem wir vor den Wachhäusern beym
Zweyte Abtheilung. Reiſe von Dezima
dem ganzen Erdboden iſt, mit ihrem ſchoͤnen Hafen uns gewaͤhrte. Der Hafen iſt indeſſen außerordentlich un- tief und ſchlammig. Die groͤßten Fahrzeuge liegen bis- weilen volle fuͤnf Meilen von der Stadt vor Anker; die weniger großen zwey Meilen, und die kleinen, nebſt den Boͤten in verſchiednen Reihen neben einander zu vie- len Hunderten, je nachdem ſie groß und ſchwer ſind, naͤ- her oder weniger nahe. Dieſe Seichtheit des Hafens ſichert die Stadt zwar vor feindlichen Angriffen zur See, legt aber dem Transport der Waaren von andern Oer- tern unuͤberſteigliche Hinderniſſe in den Weg.
Mit eben ſo neugierigen Augen, als wir die Stadt, den Hafen und die umliegende Gegend anſahen, wurden wir von den Japanern betrachtet. Dieſe ſtroͤmten von allen Seiten herbey, und formirten um uns, die wir in den Norimon eingeſchloſſen waren, ein ganzes Lager. So gar befand ſich vornehmes Frauenzimmer darunter, das ſich in Norimon hatte hertragen laſſen, und recht ungeduldig zu ſeyn ſchien, wenn wir unſre Rouleaus bisweilen nie- derließen. Dieſe Saͤnften, ſo wie ſie rund um uns her auf der Erde ſtanden, ſchienen ein kleines Dorf fuͤr ſich auszumachen, deſſen kleine tragbare Haͤuſer nach einer kleinen Weile verſchwanden.
Als wir die aus einer einzigen Straße beſtehenden Vorſtaͤdte Sinagawa und Takanawa zuruͤck gelegt hatten, merkte ich an der Wache, der groͤßeren Menge Men- ſchen in den Straßen, der Stille unſers Gefolges und dem ordentlicheren Gange unſrer Traͤger, daß wir in der Hauptſtadt ſelbſt angelangt waren. Nicht lange darauf kamen wir uͤber eine Bruͤcke, die Niponbas heißt, eini- ge und vierzig Klafter lang iſt, und von welcher die We- ge nach allen uͤbrigen Staͤdten im ganzen Reiche abgemeſ- ſen ſind. Nachdem wir vor den Wachhaͤuſern beym
<TEI><text><body><divn="2"><p><pbfacs="#f0132"n="98"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Zweyte Abtheilung. Reiſe von <placeName>Dezima</placeName></hi></fw><lb/>
dem ganzen Erdboden iſt, mit ihrem ſchoͤnen Hafen uns<lb/>
gewaͤhrte. Der Hafen iſt indeſſen außerordentlich un-<lb/>
tief und ſchlammig. Die groͤßten Fahrzeuge liegen bis-<lb/>
weilen volle fuͤnf Meilen von der Stadt vor Anker; die<lb/>
weniger großen zwey Meilen, und die kleinen, nebſt<lb/>
den Boͤten in verſchiednen Reihen neben einander zu vie-<lb/>
len Hunderten, je nachdem ſie groß und ſchwer ſind, naͤ-<lb/>
her oder weniger nahe. Dieſe Seichtheit des Hafens<lb/>ſichert die Stadt zwar vor feindlichen Angriffen zur See,<lb/>
legt aber dem Transport der Waaren von andern Oer-<lb/>
tern unuͤberſteigliche Hinderniſſe in den Weg.</p><lb/><p>Mit eben ſo neugierigen Augen, als wir die Stadt,<lb/>
den Hafen und die umliegende Gegend anſahen, wurden<lb/>
wir von den Japanern betrachtet. Dieſe ſtroͤmten von<lb/>
allen Seiten herbey, und formirten um uns, die wir in den<lb/>
Norimon eingeſchloſſen waren, ein ganzes Lager. So gar<lb/>
befand ſich vornehmes Frauenzimmer darunter, das ſich<lb/>
in Norimon hatte hertragen laſſen, und recht ungeduldig<lb/>
zu ſeyn ſchien, wenn wir unſre Rouleaus bisweilen nie-<lb/>
derließen. Dieſe Saͤnften, ſo wie ſie rund um uns her<lb/>
auf der Erde ſtanden, ſchienen ein kleines Dorf fuͤr ſich<lb/>
auszumachen, deſſen kleine tragbare Haͤuſer nach einer<lb/>
kleinen Weile verſchwanden.</p><lb/><p>Als wir die aus einer einzigen Straße beſtehenden<lb/>
Vorſtaͤdte <placeName>Sinagawa</placeName> und <placeName>Takanawa</placeName> zuruͤck gelegt hatten,<lb/>
merkte ich an der Wache, der groͤßeren Menge Men-<lb/>ſchen in den Straßen, der Stille unſers Gefolges und<lb/>
dem ordentlicheren Gange unſrer Traͤger, daß wir in der<lb/>
Hauptſtadt ſelbſt angelangt waren. Nicht lange darauf<lb/>
kamen wir uͤber eine Bruͤcke, die <placeName>Niponbas</placeName> heißt, eini-<lb/>
ge und vierzig Klafter lang iſt, und von welcher die We-<lb/>
ge nach allen uͤbrigen Staͤdten im ganzen Reiche abgemeſ-<lb/>ſen ſind. Nachdem wir vor den Wachhaͤuſern beym<lb/></p></div></body></text></TEI>
[98/0132]
Zweyte Abtheilung. Reiſe von Dezima
dem ganzen Erdboden iſt, mit ihrem ſchoͤnen Hafen uns
gewaͤhrte. Der Hafen iſt indeſſen außerordentlich un-
tief und ſchlammig. Die groͤßten Fahrzeuge liegen bis-
weilen volle fuͤnf Meilen von der Stadt vor Anker; die
weniger großen zwey Meilen, und die kleinen, nebſt
den Boͤten in verſchiednen Reihen neben einander zu vie-
len Hunderten, je nachdem ſie groß und ſchwer ſind, naͤ-
her oder weniger nahe. Dieſe Seichtheit des Hafens
ſichert die Stadt zwar vor feindlichen Angriffen zur See,
legt aber dem Transport der Waaren von andern Oer-
tern unuͤberſteigliche Hinderniſſe in den Weg.
Mit eben ſo neugierigen Augen, als wir die Stadt,
den Hafen und die umliegende Gegend anſahen, wurden
wir von den Japanern betrachtet. Dieſe ſtroͤmten von
allen Seiten herbey, und formirten um uns, die wir in den
Norimon eingeſchloſſen waren, ein ganzes Lager. So gar
befand ſich vornehmes Frauenzimmer darunter, das ſich
in Norimon hatte hertragen laſſen, und recht ungeduldig
zu ſeyn ſchien, wenn wir unſre Rouleaus bisweilen nie-
derließen. Dieſe Saͤnften, ſo wie ſie rund um uns her
auf der Erde ſtanden, ſchienen ein kleines Dorf fuͤr ſich
auszumachen, deſſen kleine tragbare Haͤuſer nach einer
kleinen Weile verſchwanden.
Als wir die aus einer einzigen Straße beſtehenden
Vorſtaͤdte Sinagawa und Takanawa zuruͤck gelegt hatten,
merkte ich an der Wache, der groͤßeren Menge Men-
ſchen in den Straßen, der Stille unſers Gefolges und
dem ordentlicheren Gange unſrer Traͤger, daß wir in der
Hauptſtadt ſelbſt angelangt waren. Nicht lange darauf
kamen wir uͤber eine Bruͤcke, die Niponbas heißt, eini-
ge und vierzig Klafter lang iſt, und von welcher die We-
ge nach allen uͤbrigen Staͤdten im ganzen Reiche abgemeſ-
ſen ſind. Nachdem wir vor den Wachhaͤuſern beym
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/132>, abgerufen am 23.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.