Das akademische Gebäude ist in mehrere Säle oder Auditorien abgetheilt. Die Katheder sind klein, und für die Studenten sind Bankstühle mit Schreibpulpeten eingerichtet. Die Universitäts-Bibliothek hat gute Bü- cher, ist aber nicht sehr groß, auch nicht prächtig. Das Verzeichniß der Bücher ist gedruckt. Unter dem Bibliotheksaale ist der anatomische Saal.
Bey dem gelehrten und jetzt ziemlich alten Biblio- thekar Gronovius stattete ich nur einen kurzen Besuch ab. Er nahm mich sehr wohl auf, und wußte den ge- lehrten Swedenborg, der vor einigen Wochen in Hol- land gewesen, und von da nach England gereiset war, nicht genug zu rühmen.
Den Rathsherrn oder Schöpfen Gronovius be- suchte ich auch. Er ist ein sehr artiger, aufgeweckter und gelehrter Mann. Ungeachtet seiner vielen Geschäffte war er doch so gefällig, mir alle seine kostbaren Samm- lungen von Korallen, Fischen, Amphibien, Insekten, wurmartigen Thieren, Steinen, Kräutern und Bü- chern zu zeigen. Die Gläser, worin er die Thiere in Weingeist aufbewahrt, sind mit einer Glasscheibe zuge- deckt, die mit rothem Kitt befestigt ist. Dieser Kitt ist so vortrefflich, daß der Weingeist gar nicht merklich aus- gedunstet war, obgleich die Gläser vor sieben Jahren ge- füllt waren. Er lehrte mich die Bestandtheile und Ver- fertigung desselben. Das Füllen der Gläser muß des Sommers, nicht aber im Frühlinge geschehen, sonst sprengt die Luft die Glasscheibe entzwey. Unter Herrn Gronovius Mineralien fand ich viele Stufen aus Schweden, die Herr Gother ihm geschickt hatte. In Ansehung der Eisenerze äußerte er die Meinung: alles dasjenige Eisen, welches vom Magneten angezogen wird, sey gediegenes Eisen.
Thunbergs Reise. Erster Theil. B
Aufenthalt und Reiſen in Holland.
Das akademiſche Gebaͤude iſt in mehrere Saͤle oder Auditorien abgetheilt. Die Katheder ſind klein, und fuͤr die Studenten ſind Bankſtuͤhle mit Schreibpulpeten eingerichtet. Die Univerſitaͤts-Bibliothek hat gute Buͤ- cher, iſt aber nicht ſehr groß, auch nicht praͤchtig. Das Verzeichniß der Buͤcher iſt gedruckt. Unter dem Bibliothekſaale iſt der anatomiſche Saal.
Bey dem gelehrten und jetzt ziemlich alten Biblio- thekar Gronovius ſtattete ich nur einen kurzen Beſuch ab. Er nahm mich ſehr wohl auf, und wußte den ge- lehrten Swedenborg, der vor einigen Wochen in Hol- land geweſen, und von da nach England gereiſet war, nicht genug zu ruͤhmen.
Den Rathsherrn oder Schoͤpfen Gronovius be- ſuchte ich auch. Er iſt ein ſehr artiger, aufgeweckter und gelehrter Mann. Ungeachtet ſeiner vielen Geſchaͤffte war er doch ſo gefaͤllig, mir alle ſeine koſtbaren Samm- lungen von Korallen, Fiſchen, Amphibien, Inſekten, wurmartigen Thieren, Steinen, Kraͤutern und Buͤ- chern zu zeigen. Die Glaͤſer, worin er die Thiere in Weingeiſt aufbewahrt, ſind mit einer Glasſcheibe zuge- deckt, die mit rothem Kitt befeſtigt iſt. Dieſer Kitt iſt ſo vortrefflich, daß der Weingeiſt gar nicht merklich aus- gedunſtet war, obgleich die Glaͤſer vor ſieben Jahren ge- fuͤllt waren. Er lehrte mich die Beſtandtheile und Ver- fertigung deſſelben. Das Fuͤllen der Glaͤſer muß des Sommers, nicht aber im Fruͤhlinge geſchehen, ſonſt ſprengt die Luft die Glasſcheibe entzwey. Unter Herrn Gronovius Mineralien fand ich viele Stufen aus Schweden, die Herr Gother ihm geſchickt hatte. In Anſehung der Eiſenerze aͤußerte er die Meinung: alles dasjenige Eiſen, welches vom Magneten angezogen wird, ſey gediegenes Eiſen.
Thunbergs Reiſe. Erſter Theil. B
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Aufenthalt und Reiſen in Holland.
Das akademiſche Gebaͤude iſt in mehrere Saͤle oder
Auditorien abgetheilt. Die Katheder ſind klein, und
fuͤr die Studenten ſind Bankſtuͤhle mit Schreibpulpeten
eingerichtet. Die Univerſitaͤts-Bibliothek hat gute Buͤ-
cher, iſt aber nicht ſehr groß, auch nicht praͤchtig.
Das Verzeichniß der Buͤcher iſt gedruckt. Unter dem
Bibliothekſaale iſt der anatomiſche Saal.
Bey dem gelehrten und jetzt ziemlich alten Biblio-
thekar Gronovius ſtattete ich nur einen kurzen Beſuch
ab. Er nahm mich ſehr wohl auf, und wußte den ge-
lehrten Swedenborg, der vor einigen Wochen in Hol-
land geweſen, und von da nach England gereiſet war,
nicht genug zu ruͤhmen.
Den Rathsherrn oder Schoͤpfen Gronovius be-
ſuchte ich auch. Er iſt ein ſehr artiger, aufgeweckter
und gelehrter Mann. Ungeachtet ſeiner vielen Geſchaͤffte
war er doch ſo gefaͤllig, mir alle ſeine koſtbaren Samm-
lungen von Korallen, Fiſchen, Amphibien, Inſekten,
wurmartigen Thieren, Steinen, Kraͤutern und Buͤ-
chern zu zeigen. Die Glaͤſer, worin er die Thiere in
Weingeiſt aufbewahrt, ſind mit einer Glasſcheibe zuge-
deckt, die mit rothem Kitt befeſtigt iſt. Dieſer Kitt iſt
ſo vortrefflich, daß der Weingeiſt gar nicht merklich aus-
gedunſtet war, obgleich die Glaͤſer vor ſieben Jahren ge-
fuͤllt waren. Er lehrte mich die Beſtandtheile und Ver-
fertigung deſſelben. Das Fuͤllen der Glaͤſer muß des
Sommers, nicht aber im Fruͤhlinge geſchehen, ſonſt
ſprengt die Luft die Glasſcheibe entzwey. Unter Herrn
Gronovius Mineralien fand ich viele Stufen aus
Schweden, die Herr Gother ihm geſchickt hatte. In
Anſehung der Eiſenerze aͤußerte er die Meinung: alles
dasjenige Eiſen, welches vom Magneten angezogen
wird, ſey gediegenes Eiſen.
Thunbergs Reiſe. Erſter Theil. B
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/45>, abgerufen am 24.11.2024.
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