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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792.

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Erste Abtheilung. Zweyter Abschnitt.
fell und den Stab in der Hand unterschied er sich von
diesen.

Den Galgenwald (Galge-Bosch) vorbey kamen
wir zum van Stadesflusse (Van Stades-Rivier), wo
wir Feuer anzündeten und das Nachtlager nahmen. Die
hier wohnenden und mit Kaffern vermischten Gonaquas-
Hottentotten kamen in großen Haufen an, um ihren
Besuch bey uns abzustatten. Der gute Holländische
Rollentobak, womit wir sie bewirtheten, schmeckte ih-
nen vortrefflich. Verschiedne von ihnen trugen Häute
von Tigern, die sie selbst getödtet, und sich durch diese
Tapferkeit das Recht, sich durch solche Tracht auszu-
zeichnen, erworben hatten. Viele hatten einen an ei-
nem hölzernen Stabe befestigten Fuchsschwanz in der
Hand, womit sie sich den Schweiß abwischten. Diese
Hottentotten, welche viel Vieh haben, beschenkten uns
überflüssig mit Milch, die in geflochtne, aber doch völ-
lig wasserdichte Körbe gemolken war: nur Schade, daß
diese Körbe so unrein waren, daß wir uns genöthigt sa-
hen, die Milch durch ein leinenes Tuch zu seigen.

Nachdem wir den van Stadesfluß passirt waren,
kamen wir zu zwey ansehnlichen und großen Dörfern, die
aus vielen, in einem Zirkelbogen angelegten, runden
Hütten bestanden. Die Leute stürzten aus denselben wie
ein Strom zu unsern Wagen; unser Tobak schien wie
ein Magnet auf sie zu wirken. Der Erwachsenen wa-
ren etwa zwey bis dreyhundert. Nachdem die meisten
ein kleines Stück Tobak bekommen hatten, gingen sie
voll Freuden wieder nach ihren Hütten. Der größte
Theil von ihnen war mit Kalbhäuten, nicht aber, wie
die andern Hottentotten, die ich bisher gesehen hatte, mit
Schaffellen, bekleidet. Diese Leute waren wohlgewach-
sen, und hatten ein rasches, unerschrocknes Ansehen.

Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
fell und den Stab in der Hand unterſchied er ſich von
dieſen.

Den Galgenwald (Galge-Boſch) vorbey kamen
wir zum van Stadesfluſſe (Van Stades-Rivier), wo
wir Feuer anzuͤndeten und das Nachtlager nahmen. Die
hier wohnenden und mit Kaffern vermiſchten Gonaquas-
Hottentotten kamen in großen Haufen an, um ihren
Beſuch bey uns abzuſtatten. Der gute Hollaͤndiſche
Rollentobak, womit wir ſie bewirtheten, ſchmeckte ih-
nen vortrefflich. Verſchiedne von ihnen trugen Haͤute
von Tigern, die ſie ſelbſt getoͤdtet, und ſich durch dieſe
Tapferkeit das Recht, ſich durch ſolche Tracht auszu-
zeichnen, erworben hatten. Viele hatten einen an ei-
nem hoͤlzernen Stabe befeſtigten Fuchsſchwanz in der
Hand, womit ſie ſich den Schweiß abwiſchten. Dieſe
Hottentotten, welche viel Vieh haben, beſchenkten uns
uͤberfluͤſſig mit Milch, die in geflochtne, aber doch voͤl-
lig waſſerdichte Koͤrbe gemolken war: nur Schade, daß
dieſe Koͤrbe ſo unrein waren, daß wir uns genoͤthigt ſa-
hen, die Milch durch ein leinenes Tuch zu ſeigen.

Nachdem wir den van Stadesfluß paſſirt waren,
kamen wir zu zwey anſehnlichen und großen Doͤrfern, die
aus vielen, in einem Zirkelbogen angelegten, runden
Huͤtten beſtanden. Die Leute ſtuͤrzten aus denſelben wie
ein Strom zu unſern Wagen; unſer Tobak ſchien wie
ein Magnet auf ſie zu wirken. Der Erwachſenen wa-
ren etwa zwey bis dreyhundert. Nachdem die meiſten
ein kleines Stuͤck Tobak bekommen hatten, gingen ſie
voll Freuden wieder nach ihren Huͤtten. Der groͤßte
Theil von ihnen war mit Kalbhaͤuten, nicht aber, wie
die andern Hottentotten, die ich bisher geſehen hatte, mit
Schaffellen, bekleidet. Dieſe Leute waren wohlgewach-
ſen, und hatten ein raſches, unerſchrocknes Anſehen.

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[70/0408] Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt. fell und den Stab in der Hand unterſchied er ſich von dieſen. Den Galgenwald (Galge-Boſch) vorbey kamen wir zum van Stadesfluſſe (Van Stades-Rivier), wo wir Feuer anzuͤndeten und das Nachtlager nahmen. Die hier wohnenden und mit Kaffern vermiſchten Gonaquas- Hottentotten kamen in großen Haufen an, um ihren Beſuch bey uns abzuſtatten. Der gute Hollaͤndiſche Rollentobak, womit wir ſie bewirtheten, ſchmeckte ih- nen vortrefflich. Verſchiedne von ihnen trugen Haͤute von Tigern, die ſie ſelbſt getoͤdtet, und ſich durch dieſe Tapferkeit das Recht, ſich durch ſolche Tracht auszu- zeichnen, erworben hatten. Viele hatten einen an ei- nem hoͤlzernen Stabe befeſtigten Fuchsſchwanz in der Hand, womit ſie ſich den Schweiß abwiſchten. Dieſe Hottentotten, welche viel Vieh haben, beſchenkten uns uͤberfluͤſſig mit Milch, die in geflochtne, aber doch voͤl- lig waſſerdichte Koͤrbe gemolken war: nur Schade, daß dieſe Koͤrbe ſo unrein waren, daß wir uns genoͤthigt ſa- hen, die Milch durch ein leinenes Tuch zu ſeigen. Nachdem wir den van Stadesfluß paſſirt waren, kamen wir zu zwey anſehnlichen und großen Doͤrfern, die aus vielen, in einem Zirkelbogen angelegten, runden Huͤtten beſtanden. Die Leute ſtuͤrzten aus denſelben wie ein Strom zu unſern Wagen; unſer Tobak ſchien wie ein Magnet auf ſie zu wirken. Der Erwachſenen wa- ren etwa zwey bis dreyhundert. Nachdem die meiſten ein kleines Stuͤck Tobak bekommen hatten, gingen ſie voll Freuden wieder nach ihren Huͤtten. Der groͤßte Theil von ihnen war mit Kalbhaͤuten, nicht aber, wie die andern Hottentotten, die ich bisher geſehen hatte, mit Schaffellen, bekleidet. Dieſe Leute waren wohlgewach- ſen, und hatten ein raſches, unerſchrocknes Anſehen.

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Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/408>, abgerufen am 23.07.2024.