mußten sich, wenigstens an Händen und Armen, waschen und rein halten.
Bey meinem hiesigen Aufenthalte hatte ich aber- mahls Gelegenheit, noch manches mir bisher Unbekannte von den Sitten und der Sprache der Hottentotten ken- nen zu lernen. Die in dieser Gegend wohnenden sowohl, als die bey den Europäern im Dienst befindlichen, verhei- rathen sich ohne Ordnung. Manchmahl hat auch eine Frau außer ihrem eigentlichen Manne noch einen andern, gleichsam zur Reserve. Wenn ein verheiratheter Hotten- totte auf eine Zeit lang verreiset, heirathet nicht selten sei- ne Frau mittlerweile einen andern. Dies Schicksal hat- te jetzt meinen vorigjährigen Fuhrmann betroffen, der zwar ein Artiges verdient, aber bey der Zurückkunft seine Frau mit einem andern verheirathet angetroffen hat- te. -- Auf meiner vorigen Reise hatte ich an verschied- nen Orten gesehen, daß die Hottentotten, welche keine Pferde haben, sich der Ochsen sowohl zum Reiten, als auch statt der Packpferde bedienen. Jetzt hatte ich Gele- genheit zu beobachten, wie sie diese Thiere zu diesem Ge- brauche zustutzen. Ein zum Reiten bestimmter Ochse muß schon von den ersten Wochen nach seiner Geburt an gewöhnt werden, seinen Reiter auf dem Rücken zu leiden. Zu diesem Ende bindet man ihm anfangs ein Fell über den Rücken, mit welchem er auch den ganzen Tag in Ge- sellschaft der Mutter auf der Weide gehen muß. Her- nach werden kleine Knaben auf ihn gesetzt, die auf ihm umher reiten. Ist das Kalb zu einiger Gewohnheit hier- in gekommen, so bindet man ein anderes, noch gar nicht zugestutztes ihm an die Seite, das mitlaufen muß, wenn der Knabe auf jenem reitet: hiedurch wird das andre ebenfalls vorläufig gebändigt und geübt. Dies Reiten auf dem Kalbe geschieht gewöhnlich in vollem Galop,
Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
mußten ſich, wenigſtens an Haͤnden und Armen, waſchen und rein halten.
Bey meinem hieſigen Aufenthalte hatte ich aber- mahls Gelegenheit, noch manches mir bisher Unbekannte von den Sitten und der Sprache der Hottentotten ken- nen zu lernen. Die in dieſer Gegend wohnenden ſowohl, als die bey den Europaͤern im Dienſt befindlichen, verhei- rathen ſich ohne Ordnung. Manchmahl hat auch eine Frau außer ihrem eigentlichen Manne noch einen andern, gleichſam zur Reſerve. Wenn ein verheiratheter Hotten- totte auf eine Zeit lang verreiſet, heirathet nicht ſelten ſei- ne Frau mittlerweile einen andern. Dies Schickſal hat- te jetzt meinen vorigjaͤhrigen Fuhrmann betroffen, der zwar ein Artiges verdient, aber bey der Zuruͤckkunft ſeine Frau mit einem andern verheirathet angetroffen hat- te. — Auf meiner vorigen Reiſe hatte ich an verſchied- nen Orten geſehen, daß die Hottentotten, welche keine Pferde haben, ſich der Ochſen ſowohl zum Reiten, als auch ſtatt der Packpferde bedienen. Jetzt hatte ich Gele- genheit zu beobachten, wie ſie dieſe Thiere zu dieſem Ge- brauche zuſtutzen. Ein zum Reiten beſtimmter Ochſe muß ſchon von den erſten Wochen nach ſeiner Geburt an gewoͤhnt werden, ſeinen Reiter auf dem Ruͤcken zu leiden. Zu dieſem Ende bindet man ihm anfangs ein Fell uͤber den Ruͤcken, mit welchem er auch den ganzen Tag in Ge- ſellſchaft der Mutter auf der Weide gehen muß. Her- nach werden kleine Knaben auf ihn geſetzt, die auf ihm umher reiten. Iſt das Kalb zu einiger Gewohnheit hier- in gekommen, ſo bindet man ein anderes, noch gar nicht zugeſtutztes ihm an die Seite, das mitlaufen muß, wenn der Knabe auf jenem reitet: hiedurch wird das andre ebenfalls vorlaͤufig gebaͤndigt und geuͤbt. Dies Reiten auf dem Kalbe geſchieht gewoͤhnlich in vollem Galop,
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Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
mußten ſich, wenigſtens an Haͤnden und Armen, waſchen
und rein halten.
Bey meinem hieſigen Aufenthalte hatte ich aber-
mahls Gelegenheit, noch manches mir bisher Unbekannte
von den Sitten und der Sprache der Hottentotten ken-
nen zu lernen. Die in dieſer Gegend wohnenden ſowohl,
als die bey den Europaͤern im Dienſt befindlichen, verhei-
rathen ſich ohne Ordnung. Manchmahl hat auch eine
Frau außer ihrem eigentlichen Manne noch einen andern,
gleichſam zur Reſerve. Wenn ein verheiratheter Hotten-
totte auf eine Zeit lang verreiſet, heirathet nicht ſelten ſei-
ne Frau mittlerweile einen andern. Dies Schickſal hat-
te jetzt meinen vorigjaͤhrigen Fuhrmann betroffen, der
zwar ein Artiges verdient, aber bey der Zuruͤckkunft ſeine
Frau mit einem andern verheirathet angetroffen hat-
te. — Auf meiner vorigen Reiſe hatte ich an verſchied-
nen Orten geſehen, daß die Hottentotten, welche keine
Pferde haben, ſich der Ochſen ſowohl zum Reiten, als
auch ſtatt der Packpferde bedienen. Jetzt hatte ich Gele-
genheit zu beobachten, wie ſie dieſe Thiere zu dieſem Ge-
brauche zuſtutzen. Ein zum Reiten beſtimmter Ochſe
muß ſchon von den erſten Wochen nach ſeiner Geburt an
gewoͤhnt werden, ſeinen Reiter auf dem Ruͤcken zu leiden.
Zu dieſem Ende bindet man ihm anfangs ein Fell uͤber
den Ruͤcken, mit welchem er auch den ganzen Tag in Ge-
ſellſchaft der Mutter auf der Weide gehen muß. Her-
nach werden kleine Knaben auf ihn geſetzt, die auf ihm
umher reiten. Iſt das Kalb zu einiger Gewohnheit hier-
in gekommen, ſo bindet man ein anderes, noch gar nicht
zugeſtutztes ihm an die Seite, das mitlaufen muß, wenn
der Knabe auf jenem reitet: hiedurch wird das andre
ebenfalls vorlaͤufig gebaͤndigt und geuͤbt. Dies Reiten
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/398>, abgerufen am 22.11.2024.
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