Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

Reise v. Zwellendam bis zum Camtousflusse.
dicht an den Hof, ohne daß wir ihnen, weil es ganz
finster war, mit Schießgewehr zu Hülfe kommen konn-
ten. Am folgenden Morgen fanden wir, daß ein Ti-
gerwolf (Hyaena maculata) sie verfolgt, und einem
darunter in den Unterleib gebissen hatte, so daß die Haut
einer Viertelelle lang abgerissen, das Gedärme aber gar
nicht beschädigt oder herausgezogen war. Die Hyäne ist
ein dreistes und gefräßiges Thier, das den Reisenden,
wenn sie unter bloßem Himmel schlafen, manchmahl
den Sattel unterm Kopfe und die Schuhe von den Fü-
ßen wegfrißt. Kommt sie in eine Schafhürde, so mor-
det sie nicht nur, sondern jagt auch den Schafen ein sol-
ches Schrecken ein, daß sie sich dicht zusammendrängen
und mehrere dadurch ersticken.

Die folgenden Höfe, zu denen wir kamen, hatten
ihre Nahmen von den dermahligen Besitzern, Matthias
Streidung
, Steffen Frere, Peter Stückert, Andreas
de Pree
, und Thomas Frere. Die Wege waren von
vielem Regen weich und beschwerlich, und die mitten
durch das Thal hinströmenden Flüsse, welche wir zu passi-
ren hatten, waren sehr tief, und die rechten Stellen zur
Durchfahrt manchmahl schwer zu finden. Einmahl
verfehlte mein Fuhrmann der rechten Furth, und fuhr
so tief hinein, daß das Wasser den halben Karren hin-
aufstieg, und alle meine Sachen, getrocknete und grü-
ne Kräuter, Insekten, Kleider und dergleichen durch
und durch naß wurden. Daher mußte ich, als wir zur
folgenden Nachtherberge kamen, mit unglaublicher Mü-
he alles durchsehen und am Feuer trocknen, und manches
war ganz verdorben. Ich hatte auch selbst auf dem
Karren gesessen, weil mein Reitpferd auf der bisheri-
gen Reise so mager und kraftlos geworden war, daß ich
es auf dem letzten Bauerhofe stehen lassen mußte; ich

D 2

Reiſe v. Zwellendam bis zum Camtousfluſſe.
dicht an den Hof, ohne daß wir ihnen, weil es ganz
finſter war, mit Schießgewehr zu Huͤlfe kommen konn-
ten. Am folgenden Morgen fanden wir, daß ein Ti-
gerwolf (Hyaena maculata) ſie verfolgt, und einem
darunter in den Unterleib gebiſſen hatte, ſo daß die Haut
einer Viertelelle lang abgeriſſen, das Gedaͤrme aber gar
nicht beſchaͤdigt oder herausgezogen war. Die Hyaͤne iſt
ein dreiſtes und gefraͤßiges Thier, das den Reiſenden,
wenn ſie unter bloßem Himmel ſchlafen, manchmahl
den Sattel unterm Kopfe und die Schuhe von den Fuͤ-
ßen wegfrißt. Kommt ſie in eine Schafhuͤrde, ſo mor-
det ſie nicht nur, ſondern jagt auch den Schafen ein ſol-
ches Schrecken ein, daß ſie ſich dicht zuſammendraͤngen
und mehrere dadurch erſticken.

Die folgenden Hoͤfe, zu denen wir kamen, hatten
ihre Nahmen von den dermahligen Beſitzern, Matthias
Streidung
, Steffen Frere, Peter Stuͤckert, Andreas
de Pree
, und Thomas Frere. Die Wege waren von
vielem Regen weich und beſchwerlich, und die mitten
durch das Thal hinſtroͤmenden Fluͤſſe, welche wir zu paſſi-
ren hatten, waren ſehr tief, und die rechten Stellen zur
Durchfahrt manchmahl ſchwer zu finden. Einmahl
verfehlte mein Fuhrmann der rechten Furth, und fuhr
ſo tief hinein, daß das Waſſer den halben Karren hin-
aufſtieg, und alle meine Sachen, getrocknete und gruͤ-
ne Kraͤuter, Inſekten, Kleider und dergleichen durch
und durch naß wurden. Daher mußte ich, als wir zur
folgenden Nachtherberge kamen, mit unglaublicher Muͤ-
he alles durchſehen und am Feuer trocknen, und manches
war ganz verdorben. Ich hatte auch ſelbſt auf dem
Karren geſeſſen, weil mein Reitpferd auf der bisheri-
gen Reiſe ſo mager und kraftlos geworden war, daß ich
es auf dem letzten Bauerhofe ſtehen laſſen mußte; ich

D 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0389" n="51"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Rei&#x017F;e v. <placeName>Zwellendam</placeName> bis zum <placeName>Camtousflu&#x017F;&#x017F;e</placeName>.</hi></fw><lb/>
dicht an den Hof, ohne daß wir ihnen, weil es ganz<lb/>
fin&#x017F;ter war, mit Schießgewehr zu Hu&#x0364;lfe kommen konn-<lb/>
ten. Am folgenden Morgen fanden wir, daß ein Ti-<lb/>
gerwolf (<hi rendition="#aq">Hyaena maculata</hi>) &#x017F;ie verfolgt, und einem<lb/>
darunter in den Unterleib gebi&#x017F;&#x017F;en hatte, &#x017F;o daß die Haut<lb/>
einer Viertelelle lang abgeri&#x017F;&#x017F;en, das Geda&#x0364;rme aber gar<lb/>
nicht be&#x017F;cha&#x0364;digt oder herausgezogen war. Die Hya&#x0364;ne i&#x017F;t<lb/>
ein drei&#x017F;tes und gefra&#x0364;ßiges Thier, das den Rei&#x017F;enden,<lb/>
wenn &#x017F;ie unter bloßem Himmel &#x017F;chlafen, manchmahl<lb/>
den Sattel unterm Kopfe und die Schuhe von den Fu&#x0364;-<lb/>
ßen wegfrißt. Kommt &#x017F;ie in eine Schafhu&#x0364;rde, &#x017F;o mor-<lb/>
det &#x017F;ie nicht nur, &#x017F;ondern jagt auch den Schafen ein &#x017F;ol-<lb/>
ches Schrecken ein, daß &#x017F;ie &#x017F;ich dicht zu&#x017F;ammendra&#x0364;ngen<lb/>
und mehrere dadurch er&#x017F;ticken.</p><lb/>
          <p>Die folgenden Ho&#x0364;fe, zu denen wir kamen, hatten<lb/>
ihre Nahmen von den dermahligen Be&#x017F;itzern, <persName>Matthias<lb/>
Streidung</persName>, <persName>Steffen Frere</persName>, <persName>Peter Stu&#x0364;ckert</persName>, <persName>Andreas<lb/>
de Pree</persName>, und <persName>Thomas Frere</persName>. Die Wege waren von<lb/>
vielem Regen weich und be&#x017F;chwerlich, und die mitten<lb/>
durch das Thal hin&#x017F;tro&#x0364;menden Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, welche wir zu pa&#x017F;&#x017F;i-<lb/>
ren hatten, waren &#x017F;ehr tief, und die rechten Stellen zur<lb/>
Durchfahrt manchmahl &#x017F;chwer zu finden. Einmahl<lb/>
verfehlte mein Fuhrmann der rechten Furth, und fuhr<lb/>
&#x017F;o tief hinein, daß das Wa&#x017F;&#x017F;er den halben Karren hin-<lb/>
auf&#x017F;tieg, und alle meine Sachen, getrocknete und gru&#x0364;-<lb/>
ne Kra&#x0364;uter, In&#x017F;ekten, Kleider und dergleichen durch<lb/>
und durch naß wurden. Daher mußte ich, als wir zur<lb/>
folgenden Nachtherberge kamen, mit unglaublicher Mu&#x0364;-<lb/>
he alles durch&#x017F;ehen und am Feuer trocknen, und manches<lb/>
war ganz verdorben. Ich hatte auch &#x017F;elb&#x017F;t auf dem<lb/>
Karren ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en, weil mein Reitpferd auf der bisheri-<lb/>
gen Rei&#x017F;e &#x017F;o mager und kraftlos geworden war, daß ich<lb/>
es auf dem letzten Bauerhofe &#x017F;tehen la&#x017F;&#x017F;en mußte; ich<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D 2</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[51/0389] Reiſe v. Zwellendam bis zum Camtousfluſſe. dicht an den Hof, ohne daß wir ihnen, weil es ganz finſter war, mit Schießgewehr zu Huͤlfe kommen konn- ten. Am folgenden Morgen fanden wir, daß ein Ti- gerwolf (Hyaena maculata) ſie verfolgt, und einem darunter in den Unterleib gebiſſen hatte, ſo daß die Haut einer Viertelelle lang abgeriſſen, das Gedaͤrme aber gar nicht beſchaͤdigt oder herausgezogen war. Die Hyaͤne iſt ein dreiſtes und gefraͤßiges Thier, das den Reiſenden, wenn ſie unter bloßem Himmel ſchlafen, manchmahl den Sattel unterm Kopfe und die Schuhe von den Fuͤ- ßen wegfrißt. Kommt ſie in eine Schafhuͤrde, ſo mor- det ſie nicht nur, ſondern jagt auch den Schafen ein ſol- ches Schrecken ein, daß ſie ſich dicht zuſammendraͤngen und mehrere dadurch erſticken. Die folgenden Hoͤfe, zu denen wir kamen, hatten ihre Nahmen von den dermahligen Beſitzern, Matthias Streidung, Steffen Frere, Peter Stuͤckert, Andreas de Pree, und Thomas Frere. Die Wege waren von vielem Regen weich und beſchwerlich, und die mitten durch das Thal hinſtroͤmenden Fluͤſſe, welche wir zu paſſi- ren hatten, waren ſehr tief, und die rechten Stellen zur Durchfahrt manchmahl ſchwer zu finden. Einmahl verfehlte mein Fuhrmann der rechten Furth, und fuhr ſo tief hinein, daß das Waſſer den halben Karren hin- aufſtieg, und alle meine Sachen, getrocknete und gruͤ- ne Kraͤuter, Inſekten, Kleider und dergleichen durch und durch naß wurden. Daher mußte ich, als wir zur folgenden Nachtherberge kamen, mit unglaublicher Muͤ- he alles durchſehen und am Feuer trocknen, und manches war ganz verdorben. Ich hatte auch ſelbſt auf dem Karren geſeſſen, weil mein Reitpferd auf der bisheri- gen Reiſe ſo mager und kraftlos geworden war, daß ich es auf dem letzten Bauerhofe ſtehen laſſen mußte; ich D 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/389
Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/389>, abgerufen am 25.11.2024.