Die Kolonisten in diesem Distrikte halten zu ihrer Feld- und Wirthschaftsarbeit keine andre Leute, als leib- eigne Sklaven. Diese werden in solchen Dingen, die ihre Arbeit und ihren Dienst betreffen, von ihrem Herrn selbst, bey begangnen Verbrechen aber von den unter dem Land-Drosten stehenden Gerichtsbeamten bestraft. Gern läßt der Herr dies letztere nicht geschehen; denn wenn Kolonisten ihre Sklaven, es sey um grober Vergehungen, oder um unverbesserlicher Liederlichkeit, Faulheit und Nachlässigkeit willen bey der Obrigkeit verklagen, trägt es sich bisweilen zu, daß wenn der Sklave dem Richter gefällt, der Besitzer, er mag wollen oder nicht, genö- thigt wird, ihn demselben zu verkaufen.
Hierauf besuchten wir den berühmten Jakob Bota. Dieser Mann war jetzt ein und achtzig Jahr alt, und von seinen eignen Abkömmlingen lebten dermahlen, seine zwölf Söhne mitgerechnet, hundert und neunzig Perso- nen. Indessen ist es doch nicht dieser, obgleich sonst sehr merkwürdige Umstand, der seinen Nahmen so weit aus- gebreitet hat. Denn in diesen Kolonien heirathen die Leute sehr früh, sind gesund und stark, und zeugen viele Kinder, von denen nur sehr wenige sterben; die starke Vermehrung der Menschen, und eine Menge Nachkom- men am Leben zu sehen, ist daher hier etwas so sehr selt- nes nicht. Es ist vielmehr ein unglücklicher Vorfall auf einem seiner Jagdzüge, der ihn so allgemein bekannt ge- macht hat. In seinem ein und vierzigsten Jahre schoß er in einem dicken Gebüsche einen Löwen, der sogleich stürz- te; konnte aber nicht bemerken, daß da zwey dieser Thie- re bey einander waren. Der andre Löwe rannte augen- blicklich auf ihn los, ehe er so weit kommen konnte, aufs neue zu laden. Er verwundete ihn nicht nur mit seinen großen und scharfen Klauen so, daß er in Ohnmacht
Thunbergs Reise. 1. Bandes 2. Theil. C
Reiſe von Cap nach Zwellendam.
Die Koloniſten in dieſem Diſtrikte halten zu ihrer Feld- und Wirthſchaftsarbeit keine andre Leute, als leib- eigne Sklaven. Dieſe werden in ſolchen Dingen, die ihre Arbeit und ihren Dienſt betreffen, von ihrem Herrn ſelbſt, bey begangnen Verbrechen aber von den unter dem Land-Droſten ſtehenden Gerichtsbeamten beſtraft. Gern laͤßt der Herr dies letztere nicht geſchehen; denn wenn Koloniſten ihre Sklaven, es ſey um grober Vergehungen, oder um unverbeſſerlicher Liederlichkeit, Faulheit und Nachlaͤſſigkeit willen bey der Obrigkeit verklagen, traͤgt es ſich bisweilen zu, daß wenn der Sklave dem Richter gefaͤllt, der Beſitzer, er mag wollen oder nicht, genoͤ- thigt wird, ihn demſelben zu verkaufen.
Hierauf beſuchten wir den beruͤhmten Jakob Bota. Dieſer Mann war jetzt ein und achtzig Jahr alt, und von ſeinen eignen Abkoͤmmlingen lebten dermahlen, ſeine zwoͤlf Soͤhne mitgerechnet, hundert und neunzig Perſo- nen. Indeſſen iſt es doch nicht dieſer, obgleich ſonſt ſehr merkwuͤrdige Umſtand, der ſeinen Nahmen ſo weit aus- gebreitet hat. Denn in dieſen Kolonien heirathen die Leute ſehr fruͤh, ſind geſund und ſtark, und zeugen viele Kinder, von denen nur ſehr wenige ſterben; die ſtarke Vermehrung der Menſchen, und eine Menge Nachkom- men am Leben zu ſehen, iſt daher hier etwas ſo ſehr ſelt- nes nicht. Es iſt vielmehr ein ungluͤcklicher Vorfall auf einem ſeiner Jagdzuͤge, der ihn ſo allgemein bekannt ge- macht hat. In ſeinem ein und vierzigſten Jahre ſchoß er in einem dicken Gebuͤſche einen Loͤwen, der ſogleich ſtuͤrz- te; konnte aber nicht bemerken, daß da zwey dieſer Thie- re bey einander waren. Der andre Loͤwe rannte augen- blicklich auf ihn los, ehe er ſo weit kommen konnte, aufs neue zu laden. Er verwundete ihn nicht nur mit ſeinen großen und ſcharfen Klauen ſo, daß er in Ohnmacht
Thunbergs Reiſe. 1. Bandes 2. Theil. C
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Reiſe von Cap nach Zwellendam.
Die Koloniſten in dieſem Diſtrikte halten zu ihrer
Feld- und Wirthſchaftsarbeit keine andre Leute, als leib-
eigne Sklaven. Dieſe werden in ſolchen Dingen, die
ihre Arbeit und ihren Dienſt betreffen, von ihrem Herrn
ſelbſt, bey begangnen Verbrechen aber von den unter dem
Land-Droſten ſtehenden Gerichtsbeamten beſtraft. Gern
laͤßt der Herr dies letztere nicht geſchehen; denn wenn
Koloniſten ihre Sklaven, es ſey um grober Vergehungen,
oder um unverbeſſerlicher Liederlichkeit, Faulheit und
Nachlaͤſſigkeit willen bey der Obrigkeit verklagen, traͤgt
es ſich bisweilen zu, daß wenn der Sklave dem Richter
gefaͤllt, der Beſitzer, er mag wollen oder nicht, genoͤ-
thigt wird, ihn demſelben zu verkaufen.
Hierauf beſuchten wir den beruͤhmten Jakob Bota.
Dieſer Mann war jetzt ein und achtzig Jahr alt, und
von ſeinen eignen Abkoͤmmlingen lebten dermahlen, ſeine
zwoͤlf Soͤhne mitgerechnet, hundert und neunzig Perſo-
nen. Indeſſen iſt es doch nicht dieſer, obgleich ſonſt ſehr
merkwuͤrdige Umſtand, der ſeinen Nahmen ſo weit aus-
gebreitet hat. Denn in dieſen Kolonien heirathen die
Leute ſehr fruͤh, ſind geſund und ſtark, und zeugen viele
Kinder, von denen nur ſehr wenige ſterben; die ſtarke
Vermehrung der Menſchen, und eine Menge Nachkom-
men am Leben zu ſehen, iſt daher hier etwas ſo ſehr ſelt-
nes nicht. Es iſt vielmehr ein ungluͤcklicher Vorfall auf
einem ſeiner Jagdzuͤge, der ihn ſo allgemein bekannt ge-
macht hat. In ſeinem ein und vierzigſten Jahre ſchoß
er in einem dicken Gebuͤſche einen Loͤwen, der ſogleich ſtuͤrz-
te; konnte aber nicht bemerken, daß da zwey dieſer Thie-
re bey einander waren. Der andre Loͤwe rannte augen-
blicklich auf ihn los, ehe er ſo weit kommen konnte, aufs
neue zu laden. Er verwundete ihn nicht nur mit ſeinen
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Thunbergs Reiſe. 1. Bandes 2. Theil. C
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/371>, abgerufen am 22.11.2024.
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