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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792.

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Verschiedne geographische Nachrichten.
selten so stark werden, daß sie nicht nur den Staub und
Sand in die Höhe treiben, sondern auch kleine Steine
aufwerfen, die dem, welcher alsdann auf der Straße,
oder auf freyem Felde ist, und dem Winde entgegen
steht oder geht, ins Gesicht fliegen, so daß man weder
in die Höhe sehen, noch weiter gehen kann, sondern genö-
thigt ist, entweder still zu stehen, oder sich auf die Erde
niederzuwerfen. Fremde, die dies nicht wissen, und
sich also nicht in Acht nehmen, geben daher, wenn sol-
che Stoßwinde toben, manchmahl viel Anlaß zum La-
chen, indem der Wind ihnen Hut, Perücke und Haar-
beutel wegreißt, und durch die Gassen treibt. Sogar
größre Böte wirft der Wind alsdann auf der Rhede um,
so daß die Leute darin sich nicht retten können, sondern
unfehlbar ertrinken: ein Unglück, das sich in diesem
Jahre hier dreymahl zugetragen hat. Aus dieser Ursa-
che waget sich auch, wenn der Wind anfängt heftig zu
wehen, niemand nach den Schiffen, oder von densel-
ben ans Land. Der Süd-Ost-Wind macht sich ge-
wöhnlich gegen Mittag auf, wenn der Morgen schön,
warm und still gewesen ist. Gegen eilf, zwölf oder ein
Uhr wird er heftiger, und bis drey, vier oder fünf Uhr,
auch noch wohl länger, hält er an. Hernach wird es wie-
der gutes Wetter, und nicht selten ein angenehmer und
schöner Abend. Des Morgens ist daher die Luft oft
sehr warm, und man kann alsdann fast nicht anders
als dünn gekleidet gehen; nachdem aber der Wind ange-
fangen hat zu wehen, fühlt man sehr stark, daß es kalt
geworden ist, und man kann oft nicht ohne Ueberrock
ausgehen. Diese plötzliche Abwechslung verursacht, daß
man sich hier gar leicht erkälten kann, und daß die Ein-
wohner mit Schnupfen, Gicht und andern Flüssen häu-
fig beschwert sind. Zwar verliert durch jenen starken

Verſchiedne geographiſche Nachrichten.
ſelten ſo ſtark werden, daß ſie nicht nur den Staub und
Sand in die Hoͤhe treiben, ſondern auch kleine Steine
aufwerfen, die dem, welcher alsdann auf der Straße,
oder auf freyem Felde iſt, und dem Winde entgegen
ſteht oder geht, ins Geſicht fliegen, ſo daß man weder
in die Hoͤhe ſehen, noch weiter gehen kann, ſondern genoͤ-
thigt iſt, entweder ſtill zu ſtehen, oder ſich auf die Erde
niederzuwerfen. Fremde, die dies nicht wiſſen, und
ſich alſo nicht in Acht nehmen, geben daher, wenn ſol-
che Stoßwinde toben, manchmahl viel Anlaß zum La-
chen, indem der Wind ihnen Hut, Peruͤcke und Haar-
beutel wegreißt, und durch die Gaſſen treibt. Sogar
groͤßre Boͤte wirft der Wind alsdann auf der Rhede um,
ſo daß die Leute darin ſich nicht retten koͤnnen, ſondern
unfehlbar ertrinken: ein Ungluͤck, das ſich in dieſem
Jahre hier dreymahl zugetragen hat. Aus dieſer Urſa-
che waget ſich auch, wenn der Wind anfaͤngt heftig zu
wehen, niemand nach den Schiffen, oder von denſel-
ben ans Land. Der Suͤd-Oſt-Wind macht ſich ge-
woͤhnlich gegen Mittag auf, wenn der Morgen ſchoͤn,
warm und ſtill geweſen iſt. Gegen eilf, zwoͤlf oder ein
Uhr wird er heftiger, und bis drey, vier oder fuͤnf Uhr,
auch noch wohl laͤnger, haͤlt er an. Hernach wird es wie-
der gutes Wetter, und nicht ſelten ein angenehmer und
ſchoͤner Abend. Des Morgens iſt daher die Luft oft
ſehr warm, und man kann alsdann faſt nicht anders
als duͤnn gekleidet gehen; nachdem aber der Wind ange-
fangen hat zu wehen, fuͤhlt man ſehr ſtark, daß es kalt
geworden iſt, und man kann oft nicht ohne Ueberrock
ausgehen. Dieſe ploͤtzliche Abwechslung verurſacht, daß
man ſich hier gar leicht erkaͤlten kann, und daß die Ein-
wohner mit Schnupfen, Gicht und andern Fluͤſſen haͤu-
fig beſchwert ſind. Zwar verliert durch jenen ſtarken

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[217/0245] Verſchiedne geographiſche Nachrichten. ſelten ſo ſtark werden, daß ſie nicht nur den Staub und Sand in die Hoͤhe treiben, ſondern auch kleine Steine aufwerfen, die dem, welcher alsdann auf der Straße, oder auf freyem Felde iſt, und dem Winde entgegen ſteht oder geht, ins Geſicht fliegen, ſo daß man weder in die Hoͤhe ſehen, noch weiter gehen kann, ſondern genoͤ- thigt iſt, entweder ſtill zu ſtehen, oder ſich auf die Erde niederzuwerfen. Fremde, die dies nicht wiſſen, und ſich alſo nicht in Acht nehmen, geben daher, wenn ſol- che Stoßwinde toben, manchmahl viel Anlaß zum La- chen, indem der Wind ihnen Hut, Peruͤcke und Haar- beutel wegreißt, und durch die Gaſſen treibt. Sogar groͤßre Boͤte wirft der Wind alsdann auf der Rhede um, ſo daß die Leute darin ſich nicht retten koͤnnen, ſondern unfehlbar ertrinken: ein Ungluͤck, das ſich in dieſem Jahre hier dreymahl zugetragen hat. Aus dieſer Urſa- che waget ſich auch, wenn der Wind anfaͤngt heftig zu wehen, niemand nach den Schiffen, oder von denſel- ben ans Land. Der Suͤd-Oſt-Wind macht ſich ge- woͤhnlich gegen Mittag auf, wenn der Morgen ſchoͤn, warm und ſtill geweſen iſt. Gegen eilf, zwoͤlf oder ein Uhr wird er heftiger, und bis drey, vier oder fuͤnf Uhr, auch noch wohl laͤnger, haͤlt er an. Hernach wird es wie- der gutes Wetter, und nicht ſelten ein angenehmer und ſchoͤner Abend. Des Morgens iſt daher die Luft oft ſehr warm, und man kann alsdann faſt nicht anders als duͤnn gekleidet gehen; nachdem aber der Wind ange- fangen hat zu wehen, fuͤhlt man ſehr ſtark, daß es kalt geworden iſt, und man kann oft nicht ohne Ueberrock ausgehen. Dieſe ploͤtzliche Abwechslung verurſacht, daß man ſich hier gar leicht erkaͤlten kann, und daß die Ein- wohner mit Schnupfen, Gicht und andern Fluͤſſen haͤu- fig beſchwert ſind. Zwar verliert durch jenen ſtarken

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Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/245>, abgerufen am 22.11.2024.