Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

Reise vom Cap nach Rothesand.
lebte noch, und packte ihm die Hand; und indem der
Kerl dieselbe in Geschwindigkeit wegzog, biß es ihm den
Daumen ab, und zog die Sehne weit heraus. Bey
meinem Botanisiren stieß ich auf einen todten Tiger, der
am Strande lag. Vermuthlich hatte er von einem gif-
tigen Kraute gefressen, und darauf Wasser gesucht,
war aber, ehe er Wasser angetroffen schon gestürzt. --
Den schwarzen Saft des Blackfisches (Sepia) gebraucht
man hier mit Essig vermischt, anstatt schwarzer Tinte.
Dieser Wurm hat wirkliche Augen, die ihre Hornhaut,
schwarze Haut, Krystalllinse, nebst allen gewöhnlichen
Feuchtigkeiten haben. -- Den Saft der Milchdistel
oder gemüsartigen Gänsedistel (Sonchus oleraceus) preßt
man aus, und bedient sich seiner, um Wunden zu rei-
nigen und zu heilen. -- Die große Stiftblume (Albuca
major
) wächst in dieser Gegend hoch, schlank und schön.
Der saftvolle Stengel derselben, dessen Saft etwas
schleimig ist, dient den Hottentotten und andern Reisen-
den dazu, daß sie ihn aussaugen, um den Durst zu lö-
schen. -- Uebrigens sind im Hafen viele Sandbänke,
die man bey niedrigem Wasser sehen kann.

Von der Saldanhabay reiseten wir nach Thefonteyn
zurück. Unterwegs sah ich auf einem Bauerhofe mit
Verwunderung, wie geschwind und fertig der Bauer die
Castration seiner Ochsen verrichtete. An funfzig von
zwey und einem von drey Jahren wurde diese Operation
in einer Abendstunde vorgenommen, und zwar auf fol-
gende Art. Zuerst legte man dem Ochsen einen Strick
um die Hörner und einen andern um den einen Hinter-
fuß, zog ihn so um, daß er auf die eine Seite zu Bo-
den fiel, und band ihm alle vier Füße zusammen. Als-
dann durchschnitt man mit einem Messer von außen her
alle Häute bis in den Hoden selbst hinein, faßte den

Reiſe vom Cap nach Rotheſand.
lebte noch, und packte ihm die Hand; und indem der
Kerl dieſelbe in Geſchwindigkeit wegzog, biß es ihm den
Daumen ab, und zog die Sehne weit heraus. Bey
meinem Botaniſiren ſtieß ich auf einen todten Tiger, der
am Strande lag. Vermuthlich hatte er von einem gif-
tigen Kraute gefreſſen, und darauf Waſſer geſucht,
war aber, ehe er Waſſer angetroffen ſchon geſtuͤrzt. —
Den ſchwarzen Saft des Blackfiſches (Sepia) gebraucht
man hier mit Eſſig vermiſcht, anſtatt ſchwarzer Tinte.
Dieſer Wurm hat wirkliche Augen, die ihre Hornhaut,
ſchwarze Haut, Kryſtalllinſe, nebſt allen gewoͤhnlichen
Feuchtigkeiten haben. — Den Saft der Milchdiſtel
oder gemuͤsartigen Gaͤnſediſtel (Sonchus oleraceus) preßt
man aus, und bedient ſich ſeiner, um Wunden zu rei-
nigen und zu heilen. — Die große Stiftblume (Albuca
major
) waͤchſt in dieſer Gegend hoch, ſchlank und ſchoͤn.
Der ſaftvolle Stengel derſelben, deſſen Saft etwas
ſchleimig iſt, dient den Hottentotten und andern Reiſen-
den dazu, daß ſie ihn ausſaugen, um den Durſt zu loͤ-
ſchen. — Uebrigens ſind im Hafen viele Sandbaͤnke,
die man bey niedrigem Waſſer ſehen kann.

Von der Saldanhabay reiſeten wir nach Thefonteyn
zuruͤck. Unterwegs ſah ich auf einem Bauerhofe mit
Verwunderung, wie geſchwind und fertig der Bauer die
Caſtration ſeiner Ochſen verrichtete. An funfzig von
zwey und einem von drey Jahren wurde dieſe Operation
in einer Abendſtunde vorgenommen, und zwar auf fol-
gende Art. Zuerſt legte man dem Ochſen einen Strick
um die Hoͤrner und einen andern um den einen Hinter-
fuß, zog ihn ſo um, daß er auf die eine Seite zu Bo-
den fiel, und band ihm alle vier Fuͤße zuſammen. Als-
dann durchſchnitt man mit einem Meſſer von außen her
alle Haͤute bis in den Hoden ſelbſt hinein, faßte den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0165" n="137"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Rei&#x017F;e vom <placeName>Cap</placeName> nach <placeName>Rothe&#x017F;and</placeName>.</hi></fw><lb/>
lebte noch, und packte ihm die Hand; und indem der<lb/>
Kerl die&#x017F;elbe in Ge&#x017F;chwindigkeit wegzog, biß es ihm den<lb/>
Daumen ab, und zog die Sehne weit heraus. Bey<lb/>
meinem Botani&#x017F;iren &#x017F;tieß ich auf einen todten Tiger, der<lb/>
am Strande lag. Vermuthlich hatte er von einem gif-<lb/>
tigen Kraute gefre&#x017F;&#x017F;en, und darauf Wa&#x017F;&#x017F;er ge&#x017F;ucht,<lb/>
war aber, ehe er Wa&#x017F;&#x017F;er angetroffen &#x017F;chon ge&#x017F;tu&#x0364;rzt. &#x2014;<lb/>
Den &#x017F;chwarzen Saft des Blackfi&#x017F;ches (<hi rendition="#aq">Sepia</hi>) gebraucht<lb/>
man hier mit E&#x017F;&#x017F;ig vermi&#x017F;cht, an&#x017F;tatt &#x017F;chwarzer Tinte.<lb/>
Die&#x017F;er Wurm hat wirkliche Augen, die ihre Hornhaut,<lb/>
&#x017F;chwarze Haut, Kry&#x017F;talllin&#x017F;e, neb&#x017F;t allen gewo&#x0364;hnlichen<lb/>
Feuchtigkeiten haben. &#x2014; Den Saft der Milchdi&#x017F;tel<lb/>
oder gemu&#x0364;sartigen Ga&#x0364;n&#x017F;edi&#x017F;tel (<hi rendition="#aq">Sonchus oleraceus</hi>) preßt<lb/>
man aus, und bedient &#x017F;ich &#x017F;einer, um Wunden zu rei-<lb/>
nigen und zu heilen. &#x2014; Die große Stiftblume (<hi rendition="#aq">Albuca<lb/>
major</hi>) wa&#x0364;ch&#x017F;t in die&#x017F;er Gegend hoch, &#x017F;chlank und &#x017F;cho&#x0364;n.<lb/>
Der &#x017F;aftvolle Stengel der&#x017F;elben, de&#x017F;&#x017F;en Saft etwas<lb/>
&#x017F;chleimig i&#x017F;t, dient den Hottentotten und andern Rei&#x017F;en-<lb/>
den dazu, daß <choice><sic>&#x017F;le</sic><corr>&#x017F;ie</corr></choice> ihn aus&#x017F;augen, um den Dur&#x017F;t zu lo&#x0364;-<lb/>
&#x017F;chen. &#x2014; Uebrigens &#x017F;ind im Hafen viele Sandba&#x0364;nke,<lb/>
die man bey niedrigem Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ehen kann.</p><lb/>
          <p>Von der <placeName>Saldanhabay</placeName> rei&#x017F;eten wir nach <placeName>Thefonteyn</placeName><lb/>
zuru&#x0364;ck. Unterwegs &#x017F;ah ich auf einem Bauerhofe mit<lb/>
Verwunderung, wie ge&#x017F;chwind und fertig der Bauer die<lb/>
Ca&#x017F;tration &#x017F;einer Och&#x017F;en verrichtete. An funfzig von<lb/>
zwey und einem von drey Jahren wurde die&#x017F;e Operation<lb/>
in einer Abend&#x017F;tunde vorgenommen, und zwar auf fol-<lb/>
gende Art. Zuer&#x017F;t legte man dem Och&#x017F;en einen Strick<lb/>
um die Ho&#x0364;rner und einen andern um den einen Hinter-<lb/>
fuß, zog ihn &#x017F;o um, daß er auf die eine Seite zu Bo-<lb/>
den fiel, und band ihm alle vier Fu&#x0364;ße zu&#x017F;ammen. Als-<lb/>
dann durch&#x017F;chnitt man mit einem Me&#x017F;&#x017F;er von außen her<lb/>
alle Ha&#x0364;ute bis in den Hoden &#x017F;elb&#x017F;t hinein, faßte den<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[137/0165] Reiſe vom Cap nach Rotheſand. lebte noch, und packte ihm die Hand; und indem der Kerl dieſelbe in Geſchwindigkeit wegzog, biß es ihm den Daumen ab, und zog die Sehne weit heraus. Bey meinem Botaniſiren ſtieß ich auf einen todten Tiger, der am Strande lag. Vermuthlich hatte er von einem gif- tigen Kraute gefreſſen, und darauf Waſſer geſucht, war aber, ehe er Waſſer angetroffen ſchon geſtuͤrzt. — Den ſchwarzen Saft des Blackfiſches (Sepia) gebraucht man hier mit Eſſig vermiſcht, anſtatt ſchwarzer Tinte. Dieſer Wurm hat wirkliche Augen, die ihre Hornhaut, ſchwarze Haut, Kryſtalllinſe, nebſt allen gewoͤhnlichen Feuchtigkeiten haben. — Den Saft der Milchdiſtel oder gemuͤsartigen Gaͤnſediſtel (Sonchus oleraceus) preßt man aus, und bedient ſich ſeiner, um Wunden zu rei- nigen und zu heilen. — Die große Stiftblume (Albuca major) waͤchſt in dieſer Gegend hoch, ſchlank und ſchoͤn. Der ſaftvolle Stengel derſelben, deſſen Saft etwas ſchleimig iſt, dient den Hottentotten und andern Reiſen- den dazu, daß ſie ihn ausſaugen, um den Durſt zu loͤ- ſchen. — Uebrigens ſind im Hafen viele Sandbaͤnke, die man bey niedrigem Waſſer ſehen kann. Von der Saldanhabay reiſeten wir nach Thefonteyn zuruͤck. Unterwegs ſah ich auf einem Bauerhofe mit Verwunderung, wie geſchwind und fertig der Bauer die Caſtration ſeiner Ochſen verrichtete. An funfzig von zwey und einem von drey Jahren wurde dieſe Operation in einer Abendſtunde vorgenommen, und zwar auf fol- gende Art. Zuerſt legte man dem Ochſen einen Strick um die Hoͤrner und einen andern um den einen Hinter- fuß, zog ihn ſo um, daß er auf die eine Seite zu Bo- den fiel, und band ihm alle vier Fuͤße zuſammen. Als- dann durchſchnitt man mit einem Meſſer von außen her alle Haͤute bis in den Hoden ſelbſt hinein, faßte den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/165
Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/165>, abgerufen am 24.11.2024.