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Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826.

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Bedenkt man nun, daß fast auf keinem Gute die
Gebäude in der Mitte der Feldmark stehen, daß fast jedes
Gut durch Abrundung und Austausch gewinnen kann: so
muß man erstaunen und trauern über die Größe des Ka-
pitals, das für den Nationalreichthum auf diese Weise
ohne irgend einen Ersatz verloren geht. Wollte man die-
sen Verlust an Nationalvermögen für Mecklenburg in Geld
anschlagen: so würde bei den niedrigsten Ansätzen die
Rechnung doch immer einige Millionen Thaler ergeben.

Aber warum, kann und muß man fragen, sind denn
diese Gutsgränzen so unveränderlich, unveränderlicher so-
gar als die Gränzen der Staaten?

Dem Austausch steht zuerst die Anhänglichkeit an
dem bisher besessenen Eigenthum entgegen. Man über-
schätzt nur zu leicht den Werth des Grundstücks, das man
schon lange in Besitz gehabt, oder gar von den Vorfahren
ererbt hat, und an dessen Verbesserung man eigene Mühe
und Kosten verwandt hat. Aber diese Anhänglichkeit, im
steten Widerstreit mit der klaren Einsicht und dem wohl-
verstandenen Interesse, würde doch nicht Generationen und
Jahrhunderte hindurch den Umtausch verhindert haben,
wenn nicht andere reellere Hindernisse mitgewirkt hätten.

Diese finden wir nun genügend in Folgendem:

1) In der Größe der Abgaben, die in Mecklenburg nicht
bloß beim Verkauf ganzer Güter, sondern auch beim
Verkauf einzelner Gutspertinenzien erlegt werden,
und die beim Umtausch sogar doppelt, d. h. von dem
Werth jedes der beiden an einen andern Besitzer über-
gegangenen Grundstücke, entrichtet werden müssen;
2) in den Kosten, welche die Vermessung des angekauf-
ten oder verkauften Stücks, die Umschreibung im
Steuerkataster u. s. w. verursacht;
3) in den Schuldenverhältnissen der Güter, wodurch
nämlich kein Stück des Guts ohne spezielle Einwilli-
5*

Bedenkt man nun, daß faſt auf keinem Gute die
Gebaͤude in der Mitte der Feldmark ſtehen, daß faſt jedes
Gut durch Abrundung und Austauſch gewinnen kann: ſo
muß man erſtaunen und trauern uͤber die Groͤße des Ka-
pitals, das fuͤr den Nationalreichthum auf dieſe Weiſe
ohne irgend einen Erſatz verloren geht. Wollte man die-
ſen Verluſt an Nationalvermoͤgen fuͤr Mecklenburg in Geld
anſchlagen: ſo wuͤrde bei den niedrigſten Anſaͤtzen die
Rechnung doch immer einige Millionen Thaler ergeben.

Aber warum, kann und muß man fragen, ſind denn
dieſe Gutsgraͤnzen ſo unveraͤnderlich, unveraͤnderlicher ſo-
gar als die Graͤnzen der Staaten?

Dem Austauſch ſteht zuerſt die Anhaͤnglichkeit an
dem bisher beſeſſenen Eigenthum entgegen. Man uͤber-
ſchaͤtzt nur zu leicht den Werth des Grundſtuͤcks, das man
ſchon lange in Beſitz gehabt, oder gar von den Vorfahren
ererbt hat, und an deſſen Verbeſſerung man eigene Muͤhe
und Koſten verwandt hat. Aber dieſe Anhaͤnglichkeit, im
ſteten Widerſtreit mit der klaren Einſicht und dem wohl-
verſtandenen Intereſſe, wuͤrde doch nicht Generationen und
Jahrhunderte hindurch den Umtauſch verhindert haben,
wenn nicht andere reellere Hinderniſſe mitgewirkt haͤtten.

Dieſe finden wir nun genuͤgend in Folgendem:

1) In der Groͤße der Abgaben, die in Mecklenburg nicht
bloß beim Verkauf ganzer Guͤter, ſondern auch beim
Verkauf einzelner Gutspertinenzien erlegt werden,
und die beim Umtauſch ſogar doppelt, d. h. von dem
Werth jedes der beiden an einen andern Beſitzer uͤber-
gegangenen Grundſtuͤcke, entrichtet werden muͤſſen;
2) in den Koſten, welche die Vermeſſung des angekauf-
ten oder verkauften Stuͤcks, die Umſchreibung im
Steuerkataſter u. ſ. w. verurſacht;
3) in den Schuldenverhaͤltniſſen der Guͤter, wodurch
naͤmlich kein Stuͤck des Guts ohne ſpezielle Einwilli-
5*
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[67/0081] Bedenkt man nun, daß faſt auf keinem Gute die Gebaͤude in der Mitte der Feldmark ſtehen, daß faſt jedes Gut durch Abrundung und Austauſch gewinnen kann: ſo muß man erſtaunen und trauern uͤber die Groͤße des Ka- pitals, das fuͤr den Nationalreichthum auf dieſe Weiſe ohne irgend einen Erſatz verloren geht. Wollte man die- ſen Verluſt an Nationalvermoͤgen fuͤr Mecklenburg in Geld anſchlagen: ſo wuͤrde bei den niedrigſten Anſaͤtzen die Rechnung doch immer einige Millionen Thaler ergeben. Aber warum, kann und muß man fragen, ſind denn dieſe Gutsgraͤnzen ſo unveraͤnderlich, unveraͤnderlicher ſo- gar als die Graͤnzen der Staaten? Dem Austauſch ſteht zuerſt die Anhaͤnglichkeit an dem bisher beſeſſenen Eigenthum entgegen. Man uͤber- ſchaͤtzt nur zu leicht den Werth des Grundſtuͤcks, das man ſchon lange in Beſitz gehabt, oder gar von den Vorfahren ererbt hat, und an deſſen Verbeſſerung man eigene Muͤhe und Koſten verwandt hat. Aber dieſe Anhaͤnglichkeit, im ſteten Widerſtreit mit der klaren Einſicht und dem wohl- verſtandenen Intereſſe, wuͤrde doch nicht Generationen und Jahrhunderte hindurch den Umtauſch verhindert haben, wenn nicht andere reellere Hinderniſſe mitgewirkt haͤtten. Dieſe finden wir nun genuͤgend in Folgendem: 1) In der Groͤße der Abgaben, die in Mecklenburg nicht bloß beim Verkauf ganzer Guͤter, ſondern auch beim Verkauf einzelner Gutspertinenzien erlegt werden, und die beim Umtauſch ſogar doppelt, d. h. von dem Werth jedes der beiden an einen andern Beſitzer uͤber- gegangenen Grundſtuͤcke, entrichtet werden muͤſſen; 2) in den Koſten, welche die Vermeſſung des angekauf- ten oder verkauften Stuͤcks, die Umſchreibung im Steuerkataſter u. ſ. w. verurſacht; 3) in den Schuldenverhaͤltniſſen der Guͤter, wodurch naͤmlich kein Stuͤck des Guts ohne ſpezielle Einwilli- 5*

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Zitationshilfe: Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826/81>, abgerufen am 24.11.2024.