tigkeit. Fände es sich z. B. daß die Produktion der Wolle von der höchsten Qualität an gewisse Gegenden oder gar an einzelne Güter gebunden wäre: so würden diese Gegenden oder diese Güter, eben so wie die Wein- berge, die einen ausgezeichnet schönen Wein liefern, stets eine hohe Rente abwerfen, weil die Hervorbringung dieser Wollgattung dann nicht willkürlich vermehrt werden könnte.
Obgleich unsere bisherigen Untersuchungen das Re- sultat gegeben haben, daß, wenn einst die Seltenheit der feinen Heerden aufgehört hat, und die Wollproduktion mit dem Bedarf in Gleichgewicht getreten ist, die feinen Schäfereien dann einen mindern Ertrag als die Kühe und vielleicht gar einen geringern Ertrag als die groben Schäfereien geben werden: so darf uns dies, aus mehre- ren Gründen, doch nicht von den fernern Bestrebungen zur Veredlung und Verbesserung unserer Heerden abhalten.
a. Wenn auch die jetzige hohe Nutzung der feinen Schäfereien nur während der Uebergangsperiode statt fin- det, und aufhört, so bald der beharrende Zustand einge- treten ist: so erfordert doch, wie die Erfahrung bereits gelehrt hat, dieser Uebergang einen sehr langen Zeitraum. Sachsen hat nun schon seit 60 Jahren, das übrige östliche Deutschland seit ungefähr 30 Jahren die Früchte dieses Uebergangs genossen, und leicht möglich können noch 30 Jahre verfließen, ehe dieser Uebergang ganz vollendet ist. Denn eines Theils wird mit dem Sinken der Wollpreise der Verbrauch der wollenen Waaren noch immer zuneh- men, die Nachfrage nach feiner Wolle wird also noch wachsen, und wird selbst durch die steigende Produktion noch nicht sobald befriedigt werden; andern Theils wird durch die vielen Fehler, die bisher bei den Kreuzungen der Heerden gemacht sind, und die auch ferner wohl nicht ausbleiben werden, die Vermehrung der hochfeinen Schafe gar sehr verzögert.
tigkeit. Faͤnde es ſich z. B. daß die Produktion der Wolle von der hoͤchſten Qualitaͤt an gewiſſe Gegenden oder gar an einzelne Guͤter gebunden waͤre: ſo wuͤrden dieſe Gegenden oder dieſe Guͤter, eben ſo wie die Wein- berge, die einen ausgezeichnet ſchoͤnen Wein liefern, ſtets eine hohe Rente abwerfen, weil die Hervorbringung dieſer Wollgattung dann nicht willkuͤrlich vermehrt werden koͤnnte.
Obgleich unſere bisherigen Unterſuchungen das Re- ſultat gegeben haben, daß, wenn einſt die Seltenheit der feinen Heerden aufgehoͤrt hat, und die Wollproduktion mit dem Bedarf in Gleichgewicht getreten iſt, die feinen Schaͤfereien dann einen mindern Ertrag als die Kuͤhe und vielleicht gar einen geringern Ertrag als die groben Schaͤfereien geben werden: ſo darf uns dies, aus mehre- ren Gruͤnden, doch nicht von den fernern Beſtrebungen zur Veredlung und Verbeſſerung unſerer Heerden abhalten.
a. Wenn auch die jetzige hohe Nutzung der feinen Schaͤfereien nur waͤhrend der Uebergangsperiode ſtatt fin- det, und aufhoͤrt, ſo bald der beharrende Zuſtand einge- treten iſt: ſo erfordert doch, wie die Erfahrung bereits gelehrt hat, dieſer Uebergang einen ſehr langen Zeitraum. Sachſen hat nun ſchon ſeit 60 Jahren, das uͤbrige oͤſtliche Deutſchland ſeit ungefaͤhr 30 Jahren die Fruͤchte dieſes Uebergangs genoſſen, und leicht moͤglich koͤnnen noch 30 Jahre verfließen, ehe dieſer Uebergang ganz vollendet iſt. Denn eines Theils wird mit dem Sinken der Wollpreiſe der Verbrauch der wollenen Waaren noch immer zuneh- men, die Nachfrage nach feiner Wolle wird alſo noch wachſen, und wird ſelbſt durch die ſteigende Produktion noch nicht ſobald befriedigt werden; andern Theils wird durch die vielen Fehler, die bisher bei den Kreuzungen der Heerden gemacht ſind, und die auch ferner wohl nicht ausbleiben werden, die Vermehrung der hochfeinen Schafe gar ſehr verzoͤgert.
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tigkeit. Faͤnde es ſich z. B. daß die Produktion der
Wolle von der hoͤchſten Qualitaͤt an gewiſſe Gegenden
oder gar an einzelne Guͤter gebunden waͤre: ſo wuͤrden
dieſe Gegenden oder dieſe Guͤter, eben ſo wie die Wein-
berge, die einen ausgezeichnet ſchoͤnen Wein liefern, ſtets
eine hohe Rente abwerfen, weil die Hervorbringung dieſer
Wollgattung dann nicht willkuͤrlich vermehrt werden koͤnnte.
Obgleich unſere bisherigen Unterſuchungen das Re-
ſultat gegeben haben, daß, wenn einſt die Seltenheit der
feinen Heerden aufgehoͤrt hat, und die Wollproduktion
mit dem Bedarf in Gleichgewicht getreten iſt, die feinen
Schaͤfereien dann einen mindern Ertrag als die Kuͤhe
und vielleicht gar einen geringern Ertrag als die groben
Schaͤfereien geben werden: ſo darf uns dies, aus mehre-
ren Gruͤnden, doch nicht von den fernern Beſtrebungen
zur Veredlung und Verbeſſerung unſerer Heerden abhalten.
a. Wenn auch die jetzige hohe Nutzung der feinen
Schaͤfereien nur waͤhrend der Uebergangsperiode ſtatt fin-
det, und aufhoͤrt, ſo bald der beharrende Zuſtand einge-
treten iſt: ſo erfordert doch, wie die Erfahrung bereits
gelehrt hat, dieſer Uebergang einen ſehr langen Zeitraum.
Sachſen hat nun ſchon ſeit 60 Jahren, das uͤbrige oͤſtliche
Deutſchland ſeit ungefaͤhr 30 Jahren die Fruͤchte dieſes
Uebergangs genoſſen, und leicht moͤglich koͤnnen noch 30
Jahre verfließen, ehe dieſer Uebergang ganz vollendet iſt.
Denn eines Theils wird mit dem Sinken der Wollpreiſe
der Verbrauch der wollenen Waaren noch immer zuneh-
men, die Nachfrage nach feiner Wolle wird alſo noch
wachſen, und wird ſelbſt durch die ſteigende Produktion
noch nicht ſobald befriedigt werden; andern Theils wird
durch die vielen Fehler, die bisher bei den Kreuzungen
der Heerden gemacht ſind, und die auch ferner wohl nicht
ausbleiben werden, die Vermehrung der hochfeinen Schafe
gar ſehr verzoͤgert.
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Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826/242>, abgerufen am 30.07.2024.
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